Laschets Weg zur Kanzlerkandidatur Zögernd ans Ziel

Düsseldorf · Der NRW-Ministerpräsident ist am Ziel. Armin Laschet hat sich gegen den Franken Markus Söder durchgesetzt. Das Porträt eines Mannes, der sich mitunter zu viel Zeit lässt.

 Armin Laschet am Montag vor dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin.

Armin Laschet am Montag vor dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Armin Laschet hat geschafft, was viele ihm nicht zugetraut haben. Er hat sich im Machtkampf mit Markus Söder nach nervenaufreibenden Tagen durchgesetzt. Er wird nun wohl der Spitzenkandidat der Union. Allerdings einer Union, die schleunigst aufgerichtet werden muss, nachdem sie die Streithähne mit ihrem Gerangel schwer beschädigt haben. Laschet hatte unterschätzt, wie hartleibig sein Freund aus Süddeutschland auftreten würde, mit dem er während langwieriger Ministerpräsidentenschalten schon mal lästernde Nachrichten hin- und herschreibt. Doch auch Söder dürfte den unbedingten Willen zur Macht unterschätzt haben, den Laschet in den vergangenen Tagen gezeigt und der in der erzwungenen Abstimmung in der Nachtsitzung gipfelte.

Soweit hätte es gar nicht kommen müssen. Laschets großer Fehler war, dass er sich zu lange Zeit ließ, ehe er seinen Anspruch auf die Kanzlerkandidatur anmeldete. Dieses Abwartende, Zögerliche hatte er schon zu anderen Zeiten seiner Karriere an den Tag gelegt. So musste der heutige Bundevorsitzende der Christlich Demokratischen Union zum Parteieintritt geradezu genötigt werden. Ein enger Freund musste den jungen Armin Laschet beharrlich bearbeiten, warf ihm immer wieder den Mitgliedsantrag in den Briefkasten. Drei Jahre ging das nach Angaben seiner Biografen Tobias Blasius und Moritz Küpper so. Mit 18 ließ sich Laschet dann breitschlagen.

Laschet ist „Öcher“ (Aachener) durch und durch. Hier lebt er mit seiner Frau Susanne bis heute in einem Reihenhaus im Stadtteil Burtscheid. Hier sind die drei gemeinsamen Kinder der Laschets groß geworden. Als seine Frau einmal danach gefragt wurde, ob sie sich einen Ortswechsel vorstellen könne, winkte sie ab. Für Laschet selbst dürfte das ebenfalls gelten. Nach langen, aufreibenden Tagen in Düsseldorf lässt er sich trotzdem abends im Audi nach Hause fahren. In Aachen ist es nichts ungewöhnliches, wenn der Ministerpräsident mit seinem kleinen Elektrofahrzeug E.Go die Pfandflaschen zum Getränkemarkt bringt.

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Laschet stammt aus einfachen Verhältnissen. Der Vater, dessen Bergmannsmarke er bei seiner Bewerbungsrede um den CDU-Bundesvorsitz publikumswirksam hervorholte, war ein sogenanntes Mikätzchen, also ein Steiger, der aufs Lehramt umsattelte und sich zum Grundschulrektor hocharbeitete. Die Mutter war die gute Seele der katholischen Pfarrgemeinde, seine Brüder sind ihm bis heute wichtige Ratgeber. Der eine machte mit seiner als Hobby betriebenen Ahnenforschung im vergangenen Herbst Schlagzeilen: Er wollte nachgewiesen haben, dass die Laschets von Karl dem Großen abstammen. Das bescherte Laschet viel Häme.

Erste politische Gehversuche machte Armin Laschet als junger Mann im Aachener Rat. Doch sein eigentlicher Glücksfall und sein politisches Erweckungserlebnis war die Mitarbeit im Büro von Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU). Ihre öffentliche Wahlempfehlung vor wenigen Tagen dürfte ihn deshalb ganz besonders gefreut haben.

Sein Politikinteresse ließ ihn nach seinem Jura-Studium in München und Bonn vorübergehend auch mit einer Karriere als Journalist liebäugeln. So beteiligte er sich am Aufbau eines eigenen Korrespondentenbüros des Bayerischen Rundfunks in Bonn, wurde später über Vermittlung seines Schwiegervaters Chefredakteur der Aachener Kirchenzeitung. 1994 zog er für eine Legislaturperiode in den Bundestag ein.

Laschet knüpfte schon in frühen Jahren enge Kontakte zu später führenden Unionsgrößen. Bahn-Vorstand Ronald Pofalla kennt er aus der Jungen Union, sein heutiger Innenminister Herbert Reul gehört zum engsten Kreis, ebenso der frühere Gesundheitsminister Hermann Gröhe. Er schaute dabei auch über den politischen Tellerrand hinaus. Laschet gehörte der sogenannten Pizza-Connection an, jener Gruppe junger CDUler und Grüner, die sich in einem italienischen Restaurant in Bonn zum Austausch treffen, als das in konservativen Unionskreisen noch als Hochverrat galt.

Von 1999 bis 2005 saß Laschet im Europa-Parlament. Er mag die Politik auf dem internationalen Parkett. Umso mehr hat es ihn geschmerzt, dass im Wahlkampf um den CDU-Vorsitz laufend Röttgens und Merz‘ Weltgewandtheit herausgestellt wurde, der glühende Europäer und Israel-Freund Laschet aber oft auf seine Rolle in NRW reduziert wurde. Jürgen Rüttgers holte ihn 2005 von Brüssel nach Düsseldorf. Als Integrationsminister. Laschet war damit in der Union ein Sonderling. „Türken-Armin“ wurde er hinter seinem Rücken genannt.

Nachdem die Regierung Rüttgers bei der Landtagswahl 2010 einer rot-grünen Minderheitsregierung weichen musste, kassierte Laschet gleich zwei Niederlagen: Im Rennen um den Fraktionsvorsitz musste er sich seinem heutigen Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann geschlagen geben. Blieb noch der Posten des Landesverbandschefs. Doch da meldete ausgerechnet Norbert Röttgen Interesse an – und schlug ihn. Erst als Röttgen den Landtagswahlkampf 2012 krachend vor die Wand fuhr, weil er ein klares Bekenntnis für Düsseldorf und gegen Berlin scheute, wurde Laschet Chef der NRW-CDU und ein Jahr später, als Karl-Josef Laumann auf den Posten des Patientenbeauftragten nach Berlin wechselte, war der Weg für Laschet an die Fraktionsspitze frei. Von dort aus schaffte er das, was ihm viele – böse Zungen unken sogar er selbst eingeschlossen - nicht zutrauten: In der Herzkammer der Sozialdemokratie löste er Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ab. Mit der FDP und gerade einmal einer Stimme Mehrheit regiert Laschet seit 2017 in NRW, rückte dabei vor allem das Thema innere Sicherheit und auf Wunsch des Koalitionspartners „die Entfesselung der Wirtschaft“ in den Fokus.

Skandalfrei ist seine Karriere im Übrigen nicht. 2015 muss er als Lehrbeauftragter der RWTH einräumen, dass er Klausuren seiner Studenten verschlampt hatte. Die Affäre flog auf, weil er Noten für die Seminarteilnehmer rekonstruierte, die gar keine Klausuren geschrieben hatten. Am Ende gelang es ihm, die Affäre unbeschadet zu überstehen. Doch immer wieder gibt es Beispiele, in denen es Laschet offenbar am Gespür dafür mangelt, dass ein „rheinischer Pragmatismus“ durchaus schlecht ankommt. So berief die Staatskanzlei jüngst den Cheflobbyisten des Pharmariesen Sanofi als Berater in die Staatskanzlei. Zuvor hatte die Einfädelung einer Geschäftsbeziehung mit dem Mode-Hersteller Van Laack, für den sein Sohn Johannes als Influencer arbeitet, die Opposition auf den Plan gerufen. Ein Auftrag für das Innenministerium wurde inzwischen rückabgewickelt.

Vor allem in der Corona-Pandemie musste sich Laschet immer wieder harsche Kritik gefallen lassen. Schon früh wies er auf die Notwendigkeit der Rücknahme von Grundrechtseinschränkungen hin. Wie einen Werbe-Jingle trug er regelmäßig „die Rückkehr zu einer verantwortungsvollen Normalität“ vor. Damit hatte er den Ruf des Lockerers weg. Und er unterstrich ihn zuletzt noch, als er die Notbremse faktisch landesweit aussetzte, indem er den Kommunen eine Test-Option gestattete. Merkel hielt mit ihrem Ärger bei einem „Anne Will“-Auftritt nicht hinterm Berg. Dass er dann nach einer Woche des Nachdenkens mit einem Brückenlockdown um die Ecke bog, brachte ihm erneut Spott ein – zumal er an der aufgeweichten Notbremse festhielt.

Für Laschet werden es nun schwere Monate werden. Als Pandemie-Kämpfer, CDU-Aufrichter und Wahlkämpfer wird er nun gleich dreifach gefordert sein. In NRW werden erste Zweifel laut, ob der Aachener dieser Belastung gewachsen sei. Der Druck dürfte auch intern auf Laschet steigen, seine ganze Aufmerksamkeit auf Berlin zu richten – ohne Netz und Doppelten Boden. Doch das dürfte ihm womöglich zu schwer fallen.

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