Kriminalität Zehn Prozent mehr rechte Straftaten in NRW

Düsseldorf · Eine Sonderauswertung der NRW-Kriminalstatistik zeigt eine massive Zunahme bei politische motivierten Straftaten von Rechts. Unrühmlich sticht dabei Düsseldorf heraus. Die Verschwörungstheoretiker bereiten den Experten Sorgen.

 Neonazi bei einer Demonstration in der Düsseldorfer Innenstadt.

Neonazi bei einer Demonstration in der Düsseldorfer Innenstadt.

Foto: Bretz, Andreas/Bretz, Andreas (abr)

In NRW sind 2022 die meisten rechtsextremen Straftaten in Düsseldorf verübt worden. Das geht aus einer Sonderauswertung der Kriminalstatistik hervor, die die Grünen-Landtagsfraktion beim Innenministerium erbeten hat und die unserer Redaktion vorab vorliegt. Demnach entfielen auf die Landeshauptstadt im Vorjahr 231 dieser Delikte, es folgen Köln (201), Essen (151), Dortmund (148) sowie die Städteregion Aachen (115). Auch die meisten rechtsextremistischen Gewalttaten wurden mit 19 in Düsseldorf verübt, in Köln waren es 16 und in Bochum sechs.

„Der Rechtsextremismus ist die größte Gefahr für unsere vielfältige demokratische Gesellschaft“, warnte Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer im Gespräch mit unserer Redaktion. Der Auswertung zufolge stieg die Zahl politisch rechts motivierter Straftaten im Jahr 2022 zum Vorjahr um zehn Prozent. „Dass es dabei ein großes Dunkelfeld gibt, zeigt auch die hohe Zahl an Straftaten aus der sogenannten Delegitimierer-Szene, die eng mit dem Rechtsextremismus verbunden ist, deren Straftaten aber nicht in der Statistik der politisch rechts motivierten Kriminalität zugeordnet werden“, warnte Schäffer.

Unter dem Begriff der Delegitimierer verstehen Verfassungsschützer all jene Verschwörungstheoretiker, die das Vertrauen in das staatliche System erschüttern und dessen Funktionsfähigkeit beeinträchtigen wollen – etwa indem sie gewählte Volksvertreter verächtlich machen, staatlichen Institutionen und ihren Vertretern die Legitimität absprechen, zum Ignorieren gerichtlicher Anordnungen und Entscheidungen aufrufen, staatliche oder öffentliche Institutionen mittels Sachbeschädigungen sabotieren oder zu Widerstandshandlungen gegen die staatliche Ordnung aufrufen. Der Bundesverfassungsschutz führt dazu aus: „Diese Erzählungen sind häufig von antisemitischen Ressentiments geprägt, womit auch eine Brücke zu Rechtsextremisten sowie ‚Reichsbürgern‘ und ‚Selbstverwaltern‘ geschlagen wird.“

Die Zahl der Straftaten in diesem Bereich hat sich der Auswertung zufolge mehr als verdoppelt: Wurden 2021 noch 1787 Delikte registriert, waren es im vergangenen Jahr 3819 Straftaten. Überwiegend handelte es sich zwar um Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. Allerdings hat sich die Zahl der Gewalttaten von 18 Fällen im Jahr 2019 auf 107 im vergangenen Jahr versechsfacht.

Erfreulich war, dass die Zahl antisemitischer Straftaten um eine Viertel auf 331 zurückging. Allerdings ist auch hier wieder Düsseldorf mit einigem Abstand am stärksten betroffen: 40 Delikte entfielen auf die Landeshauptstadt, mit einigem Abstand folgen Köln (16), Essen (14), Dortmund (13) und Wuppertal.

„82 Prozent der rechtsextremen Gewalttaten sind rassistische, flüchtlingsfeindliche, islamfeindliche und antisemitische Straftaten, richten sich also gegen Menschen, die oft auch im Alltag Rassismus und Diskriminierung erfahren“, sagte Schäffer. „30 Jahre nach dem rechtsextremen Brandanschlag von Solingen ist die anhaltende rechtsextreme Bedrohung erschütternd. Als schwarz-grüne Koalition gehen wir konsequent gegen Rechtsextremismus vor und unterstützen Menschen, die von Rassismus betroffen sind. Dazu werden wir eine Landesantidiskriminierungsstelle einrichten und ein Landesantidiskriminierungsgesetz einführen.“

Die Zahlen der Analyse decken sich mit denen der Fachberatungsstellen für Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in NRW. Auch dort hat man wieder eine Zunahme rechter Angriffe ausgemacht. „Der vereitelte rechtsterroristische Anschlag auf das Don-Bosco-Gymnasium und die Realschule Borbecker Schloss in Essen, die Schüsse auf das frühere Rabbinerhaus an der alten Synagoge in Essen, der Molotow-Cocktail-Angriff auf die Hildegardis-Schule in Bochum in derselben Nacht, der geplante Brandanschlag auf die Synagoge in Dortmund – diese Fälle zeigen die mörderische Dimension rechter Ideologie. Sie zeigen eine reale Gefahr auf – und haben damit das Potenzial, das Sicherheitsempfinden und die Sicherheit ganzer Gruppen und Gemeinden massiv zu schädigen“, so Magdalena Lentsch von der Beratungsstelle Backup.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort