Wahl des NRW-Ministerpräsidenten Die neue schwarz-grüne Einigkeit
Düsseldorf · Rhythmisch klatschen die Abgeordneten der Regierungsparteien für Hendrik Wüst nach seiner Wiederwahl zum Ministerpräsidenten. Überhaupt betonen CDU und Grüne, wie gut sie jetzt auskommen. Vorm Landtag gibt es Protest.

Hendrik Wüst als Ministerpräsident von NRW wiedergewählt
Die Antrittsrede des neuen, alten Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) ist eher kurz und eher ernst. Er spricht von Klimaschutz und Energiewende, von Wohlstand und sozialer Sicherheit: Themen seiner Regierungskoalition mit den Grünen. Dann streckt er die Hand aus in Richtung der Opposition: Jede demokratische Partei habe in der Vergangenheit zum Fortschritt des Landes beigetragen. „Was die SPD für den Zusammenhalt getan hat, nicht nur unter Johannes Rau, hat Nordrhein-Westfalen zu dem weltoffenen, vielfältigen Land gemacht, das es heute ist“, sagt Wüst. Dann ein inhaltlicher Schwenk zum ehemaligen Koalitionspartner, den Liberalen: „Mit ihrem Zutrauen in unternehmerische Eigenverantwortung, Freiheit und Gründergeist hat die FDP in diesem Land viele Bremsen gelöst, nicht nur in den letzten fünf Jahren.“ Es wirkt wie ein Friedensangebot nach dem Wahlkampf mit all seinen Querelen.
Bei der ersten regulären Sitzung des neuen Landtags wird Hendrik Wüst mit der komfortablen Regierungsmehrheit von CDU und Grünen als Ministerpräsident wiedergewählt. Ausreißer aus den eigenen Reihen gibt es dabei nur ein paar: 106 Ja-Stimmen gibt es für Hendrik Wüst, 110 Abgeordnete seiner Koalition sind anwesend. Nach Abstimmung und Amtseid gibt’s langen Applaus, in den Reihen von CDU und Grünen steht man sogar auf, um rhythmisch zu klatschen. Das lassen die Vertreter der anderen Parteien lieber bleiben. Aber alle Fraktionen gratulieren mit Blumensträußen.
Diese Wahl ist der Startschuss dafür, dass die neue Landesregierung nun wirklich an die Arbeit geht. Ein wichtiger Tag – auch für ihre Kritiker. Auf der Wiese vor dem Landtag gibt es Kundgebungen. Die „Volksinitiative gesunde Krankenhäuser in NRW“ hat Transparente auf dem Rasen ausgebreitet und große, mit Papierschnipseln vollgestopfte Plastiksäcke aufgehäuft. 50.000 Unterschriften hatten die Akteure für Neuerungen in der Krankenhauslandschaft gesammelt – 16.000 zu wenig für ein Quorum. Symbolträchtig liegt das Papier jetzt geschreddert in den Tüten. Der Oppositionsführer im neuen Landtag, SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty, ist vor Beginn der Landtagssitzung als Redner gekommen. Diese Unterschriften seien ein Auftrag an die Regierung, aber auch an die Opposition, sagt er: „50.000 Mal ein Auftrag an uns, die wir alle hier in diesem Gebäude hinter uns arbeiten werden.“ Einer der Aktiven, Michael Spörke vom Sozialverband SoVD, gibt sich kämpferisch: „Wir fangen eigentlich jetzt erst richtig an.“ Als „Wachhund“ werde man die Gesundheitspolitik beobachten.
Ein paar Meter weiter wird gegen ein Abschiebegefängnis in Düsseldorf demonstriert. Vielleicht würden die Grünen dieses Projekt doch noch fallen lassen. „Eine kleine Hoffnung haben wir“, sagt Regine Heider von den Initiatoren.
Unterdessen wird im Landtag am Rande des Geschehens immer wieder schwarz-grüne Einigkeit betont. Der Abgeordnete und Generalsekretär der CDU in NRW, Josef Hovenjürgen, steht vor der Sitzung im Bistro-Bereich und freut sich darüber, wie es bis jetzt so miteinander läuft. Am Vormittag hatte Hendrik Wüst die Fraktion der Grünen besucht, Mona Neubaur von den Grünen wiederum die der CDU, und Hovenjürgen urteilt: „Das lässt sich alles sehr gut und sehr vertrauensvoll an.“ Man merke es an Stimmung und Umgang miteinander: Da sei etwas „gewachsen“ über die Koalitionsverhandlungen. „Es macht Spaß“, sagt Hovenjürgen. „Es ist anders als mit der FDP – aber interessant.“
Neubaur, selbst, designierte grüne Ministerin für Wirtschaft, Wirtschaft, Industrie, Klima, Energie sowie die nächste stellvertretende Ministerpräsidentin, eilt von Interview zu Interview. Sie wird auch in den nächsten Tagen kaum eine Atempause bekommen: Donnerstag gibt es eine Aktuelle Stunde zur Gaskrise, und die Wirtschaftsminister der Bundesländer sollen unter NRW-Vorsitz zusammentreten. „Es geht einfach direkt los mit allem“, sagt sie. Vor Augen steht ihr die Möglichkeit, dass die dritte Stufe des Notfallplans Gas ausgerufen werden könnte. „Damit muss man jetzt umgehen“, stellt sie fest: „Es geht darum, Transparenz herzustellen und zu sagen, was könnte kommen, wenn es denn so weit ist.“
Bei der Wahl des Ministerpräsidenten waren viele Gäste und Ehrengäste auf der Tribüne: Vertreter aus der Bundespolitik, aus diplomatischen Kreisen, von kirchlichen und weltlichen Institutionen. Auch der ehemalige NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers war da.