Querdenker bepöbeln Wüst, Merz und Söder „In Moskau wären Sie längst von der Polizei abgeführt worden“

Olpe · Auf dem Marktplatz in Olpe bemühen sich Hendrik Wüst, Friedrich Merz und Markus Söder gegen lautstarke Gegendemonstranten anzureden. Während Wüst es mit Nicht-Beachtung versucht, setzen die anderen beiden auf Spott und Attacke.

  Friedrich Merz (r) mit Markus Söder (M) und Hendrik Wüst auf der Bühne in Olpe.

Friedrich Merz (r) mit Markus Söder (M) und Hendrik Wüst auf der Bühne in Olpe.

Foto: dpa/Kai Osthoff

Auf dem Marktplatz von Olpe ist der Musikzug Rohde hörbar bemüht, gegen das Pfeifkonzert, die Vuvuzela-Tröterei und die in einem Buggy mitgeführte Bassbox der Querdenker anzuspielen. Wahlkampftermin der CDU im Sauerland. Auf einem Plakat am Rande des Platzes lachen nebeneinander NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder um die Wette. Auf den Plakaten der Querdenker stehen Slogans wie „Frieden schaffen ohne Waffen“, „Stoppt das Aufrüstungsvirus“ und „Ihr seid keine Volksvertreter“. Immer wieder hallen „Haut ab“- und „Lügner“-Rufe über den Marktplatz Die Stimmung ist aggressiv.

Für Wüst geht es in diesen Tagen darum, den zuletzt knappen Vorsprung im engen Rennen mit der SPD auszubauen. Deren Spitzenkandidat Thomas Kutschaty hatte am Wochenende verlauten lassen, er sei auch als Zweitplatzierter bereit, eine Regierung zu bilden. Das erhöht den Druck auf den Amtsinhaber. Deshalb heißt es im Merz’schen Stammland Präsenz zeigen – allen Widrigkeiten durch die ungebetenen Besucher am Rande zum Trotz. Pünktlich um 18 Uhr trifft der Tross mit den drei Unions-Spitzenpolitikern auf der Rückseite der Bühne ein. Wüst hat sein Jackett abgelegt und wird mit einem Mikro ausgerüstet. Ein Team der ZDF-„heute-show“ umschwirrt die drei Hauptredner, Securitykräfte versuchen, es auf Distanz zu halten. Als sich der Tross den Weg durch die Menge bahnt, beginnen die Querdenker laut zu pfeifen und zu buhen. Ein weiblicher CSU-Fan vor dem Stand der Jungen Union ruft angetan immer wieder „Hallo Herr Söder“, um einen Blick des bayerischen Ministerpräsidenten zu ergattern.

Als erstes ist Wüst an der Reihe. Er freue sich über die starke Begleitung in seinem Rücken, ruft er. Dann spult er gegen die nunmehr rhythmischen „Lügner“-Rufe seine Wahlkampfrede ab. Die Querdenker erwähnt er nur kurz, indem er sagt, zur Demokratie gehöre eben auch, dass man seine Meinung sagen dürfe. Dann ist Wüst wieder bei den 130.000 Geflüchteten aus der Ukraine, die man aufgenommen habe. Ein Zuhörer interessiert sich mehr für ein Andenkenfoto mit den „heute-show“-Reportern Lutz van der Horst und Fabian Köster. Anschließend filmt er die Querdenker.

Währenddessen spricht Wüst gegen die laute Geräuschkulisse an, redet über LNG-Gas aus Flandern, den Braunkohleausstieg 2030, aber mit Kohlekraftwerken in der Reserve, über das unzureichende Entlastungspaket der Bundesregierung, 10.000 neue Lehrerstellen, ein digitales Endgerät für jeden Schüler. Dafür gibt es freundlichen Applaus. Richtig laut werden die Anhänger erst, als Wüst sagt: „Was immer im Herbst oder Winter mit Corona passiert, die Schulen müssen offenbleiben. Wir dürfen nie wieder die Schulen schließen und die Kneipen geöffnet lassen – das ist auch eine Lehre aus der Pandemie.“

Anders als Wüst knöpft sich Merz die krakeelenden Demonstranten gleich zu Beginn seiner Rede direkt vor. „Wer beschränkt Sie denn in Ihrer Meinungsfreiheit“, fragt er herausfordernd. „Vielleicht kommen Sie mal auf den Gedanken, Ihren Kehlkopf aus- und Ihren Kopf anzuschalten“, ruft er unter der jubelnden Zustimmung der CDU-Anhänger. „In Moskau wären Sie längst von der Sicherheitspolizei abgeführt worden.“ Das kommt beim Publikum an. Merz lobt den Ministerpräsidenten, der erst seit 200 Tagen im Amt sei, aber in dieser kurzen Zeit schon viel erreicht habe. Dann verliert er kurz den Faden. In der Menge gibt es ein Handgemenge zwischen Querdenkern und Zuhörern. „Sehen Sie“, sagt Merz. „Das ist genau die Konsequenz dessen, was wir hier erleben: Der rhetorischen Gewalt, der Art und Weise wie hier demonstriert und geschrien wird, folgt die gewalttätige Auseinandersetzung mit denen, die anderer Meinung sind.“ Nach kurzer Rangelei mit Polizeikräften hat sich die Lage wieder beruhigt.

Söder versucht es mit einem Rätsel: „Wer viel redet, ist ein Redner, wer viel läuft, ein Läufer, wer viel fährt, ein Fahrer. Was ist dann jemand, der dauernd pfeift?“ Fast schon väterlich fügt er später hinzu: „Seien Sie still und lassen Sie die anderen ordentlich zuhören. Das gehört zum Anstand in der Demokratie dazu.“ Die Protestierenden sollten eigentlich erschöpft von der Arbeit und nicht von der Demo sein, spottet er. NRW sei eines der stärksten Länder in Deutschland geworden, sagt Söder. NRW müsse bestmöglich regiert werden: „NRW ist unter dieser Regierung um Lichtjahre stärker geworden, als es das vorher war. Jetzt ist ein junger Ministerpräsident da.“ Die SPD und andere strebten den Regierungswechsel an, um eine bequeme Mehrheit im Bundesrat zu bekommen. „Sie entscheiden am Ende darüber, ob das Wahlergebnis Ihnen oder Berlin nutzt.“

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