Energiepolitik in NRW Wüst fordert vom Bund konkrete Klimaziele

Düsseldorf · Der NRW-Ministerpräsident setzt als Brückentechnologie auf Gas. Das Ausbauziel bei Windkraft sei trotz der Abstandsregel zu erreichen.

 NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in der Düsseldorfer Staatskanzlei.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in der Düsseldorfer Staatskanzlei.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat sich kritisch zum bisherigen Vorankommen bei der Energiewende geäußert. „Dass wir beim Leitungsausbau so hinterherhinken, ist ein Versäumnis der großen Koalition“, sagte er unserer Redaktion und forderte von den Ampel-Verhandlern in Berlin Klarheit über den Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netze. „Dazu gehört für mich, dass sich die neue Bundesregierung mit der Frage der Planungsbeschleunigung auseinandersetzt.“ Dann müsse klar gesagt werden, wann man welche Mengen aus regenerativem Strom habe und welche Mengen nicht-regenerativen Stroms man als Brücke brauche. Atomenergie in den Mix einzubeziehen, lehnte er ab: „Die Debatte über Atomstrom ist müßig. Niemand wird in Deutschland ein Atomkraftwerk bauen wollen, selbst wenn die Politik hoch und heilig Investitionssicherheit schwören würde.“ Stattdessen setzt Wüst auf einen Ausbau von Gaskraftwerken, um Versorgungssicherheit für die Industrie zu gewährleisten. „Deshalb muss der Bund für schnellere Genehmigungen sorgen und den Marktrahmen setzen, der das Vorhalten von Gaskraftwerken auch wirtschaftlich vertretbar macht. Denn es werden Kraftwerke sein, die beim Zubau regenerativer Energieträger immer weniger Betriebsstunden haben.“ Gleichzeitig müssten sie so gebaut sein, dass man sie schnell in die Wasserstoff-Infrastruktur der Zukunft einbauen könne. „Das ist eine extrem ambitionierte Aufgabe, aber sie ist leistbar. Wenn der Bund seine Hausaufgaben gemacht hat, stehen wir bereit – eine neue Leitentscheidung inklusive.“

Die Diskussion über den Abstand von Windrädern nannte er eine Scheindebatte: „Wir können die in Rede stehenden zwei Prozent der Landesfläche auch mit den 1000 Metern Abstand zur Wohnbebauung erreichen.“ Mit Blick auf den Tagebau sagte er, sein Ziel sei, so viele Dörfer wie möglich zu erhalten. „Alles deutet darauf hin, dass bis Anfang der 2030er-Jahre nicht mehr so viel Braunkohle benötigt wird, dass die Flächen der Dörfer des dritten Umsiedlungsabschnitts für den Bergbau in Anspruch genommen werden.“ Alles weitere hänge von den Entscheidungen des Bundes ab. Zu wegbrechenden Arbeitsplätzen sagte er: „Ich glaube schon, dass es durch eine substanzielle Stärkung des regionalen Wirtschaftsstandorts gelingt, gute Arbeitsplätze zu schaffen. Wir haben doch aus den Erfahrungen des Ruhrgebietes gelernt. Das Warten auf die nächste große Monostruktur bietet keine Perspektive.“ Fachkräfte würden im Großraum Köln/Aachen dringend gesucht. In diesem Zusammenhang sagte der Chef der IG BCE, Michael Vassiliaidis, man habe den jungen Beschäftigten in der Kohleverstromung das Versprechen gegeben, sie wieder in adäquate Arbeit zu bringen. „Da steht auch die Politik im Wort. Allein mit vagen Andeutungen wird man dem nicht gerecht.“ Der Strukturwandel werde sozial und wirtschaftlich nur dann erfolgreich sein, wenn man gute Industriearbeit durch gute Industriearbeit ersetze. „Davon ist bislang zu wenig zu sehen“, so der IG-BCE-Chef.

Kritik an Wüst kam von den Grünen: „Seine Klima-Rhetorik mag gut klingen, in der Summe bleibt sie aber maximal substanzlos“, sagte NRW-Grünen-Chefin Mona Neubaur. Es sei weder dem Klima, noch den Unternehmen und schon gar nicht den Menschen in der Region damit geholfen, ambitionierte Ziele zu benennen, diese dann aber nicht mit konkreten Maßnahmen zu hinterlegen. „Die Chancen für NRW, die er in seiner Regierungserklärung wortreich beschrieben hat, lässt er so fahrlässig liegen. Wer sie aber mutig anpackt, schafft den Wohlstand, die Sicherheit und die Freiheit von morgen.“

Als Ministerpräsident habe Wüst sofort die Möglichkeit, die für den Windenergieausbau verheerende Abstandsregelung zurückzuholen, sagt Neubaur, die für die Grünen als Spitzenkandidatin in die Landtagswahl startet. „Wenn er behauptet, NRW würde es trotz 1000 Metern Mindestabstand schaffen, zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie bereitzustellen, muss er das belegen. Allein durch Herbeireden entsteht kein neues Windrad.“ Wüst könnte auch dafür sorgen, dass Solar auf den Dächern sehr schnell zum Standard werde, sagt die Grünen-Chefin. „Es wäre für ihn ebenso leistbar, schon jetzt eine neue Leitentscheidung erarbeiten zu lassen, die den dritten Umsiedlungsabschnitt überflüssig macht. Konkret geplante und transparent erklärte Politik schafft gesellschaftlichen Frieden – das gilt insbesondere fürs Rheinische Revier."

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