Comeback der Abstandsregelung? Windrad-Ausbau: Weshalb die Debatte um die 1000-Meter-Regelung erneut entflammt

Düsseldorf · Die Landesregierung überlässt es den Regionen, wie sie mit den Flächenzielen für den Ausbau der Windenergie umgehen. In einigen Teilen Nordrhein-Westfalens erlebt ein eigentlich schon abgeschafftes Konzept dadurch ein Comeback.

Windkraftanlagen im laufenden Betrieb (Symbolbild).

Windkraftanlagen im laufenden Betrieb (Symbolbild).

Foto: dpa/Roland Weihrauch/DPA

Die Frage, wie nah ein neues Windrad an einer Wohnsiedlung gebaut werden darf, sorgt erneut für Furore. Zwar hat Schwarz-Grün die pauschale 1000-Meter-Abstandsregel gekippt. Allerdings setzen die Regionen diese vor Ort wieder in Kraft.

1,8 Prozent der Fläche von NRW sollen künftig für den Bau von Windkraftanlagen zur Verfügung stehen. Die Landesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, diesen Wert noch deutlich früher als von Berlin verlangt zu erreichen. Schon im übernächsten Jahr soll es so weit sein. In den sechs Regierungsbezirken Arnsberg, Münster, Detmold, Köln, Düsseldorf und dem Planungsverband Ruhrgebiet wird dafür gerade an sogenannten Regionalplänen gestrickt.

Sowohl in Münster als auch in Arnsberg gibt es nun erste Konzepte – und damit auch Probleme. Denn dort sind teils sogar noch strengere Regelungen enthalten als bisher. In dem Entwurf für Arnsberg ist aufgeführt, dass ein Windrad mindestens im Abstand von 440 Metern zu touristisch bedeutenden Seen, Rad- und Wanderwegen entstehen muss, 300 Meter sollen es zu Vogelschutzgebieten sein und eben 1000 Meter zur nächsten Wohnbebauung. Schon der Planungsentwurf für das Münsterland hatte zu massiver Kritik der Projektierer geführt. Dort sollen rund 12.700 Hektar Fläche für Anlagen ausgewiesen werden. Der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) wies jedoch darauf hin, dass Gebiete genannt waren, die überhaupt nicht für den Bau von Windrädern geeignet waren.

Im Landtag führten die Fälle Münsterland und Arnsberg nun zu einer hitzigen Debatte. SPD-Fraktionsvize Alexander Vogt sprach von einem schlecht gemachten Gesetz, das letztlich Windkraftanlagen verhindere: „Sie verschieben die Diskussion vom Landtag in die Regionen“, kritisierte er.

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Foto: dpa/Henning Kaiser

Genau das verteidigte der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU, Christian Untrieser: Es sei doch viel besser, wenn vor Ort, wo die Kompetenz sei, gesagt werde, wohin die Windenergie solle, und nicht von Düsseldorf aus. Wenn die Region dann sage, man mache das mit einem 1000-Meter-Abstand und die Zielvorgabe werde dennoch eingehalten, sei das vernünftig. Untrieser prophezeite einen rasanten Ausbau in den kommenden Jahren aufgrund der hohen Zahl an Genehmigungen.

Die FDP, die als starke Verfechterin der pauschalen Abstandsregelung gilt, erklärte in Person von Dietmar Brockes, diese Regelung habe doch überhaupt erst zum starken Ausbau geführt: „Die Planungsregionen machen jetzt ihr eigenes Ding, und die 1000-Meter-Regelung, die Sie abgeschafft haben, ist wieder da.“ Obwohl Grünen-Fraktionschefin Wibke Brems noch einmal darauf hinwies, dass es ja auch ohne die 1000 Meter eine Reihe von einzuhaltenden Regeln gebe, die mindestens zu einem Abstand des Zwei- bis Dreifachen der Windanlagenhöhe führe, warf Carlo Clemens von der AfD der SPD vor, sie wolle mit ihrem Antrag „Windindustrieanlagen direkt neben die Häuser unserer Bürger setzen“.

Energieministerin Mona Neubaur (Grüne) verteidigte das Verfahren über die Regionalräte: „Richtig ist doch, dass wir den Regionen, die heute schon Vorreiter im Ausbau der Windenergie sind – zum Beispiel das Münsterland mit über 1000 Windenergieanlagen –, nicht sagen: Ja, selber Schuld. Stattdessen erkennen wir an, dass da bereits in Vorleistung getreten wurde.“ In diesem Jahr seien 200 Windanlagen genehmigt worden: „Wenn die Ausschreibungen alle unterzeichnet sind, dürfen wir davon ausgehen, dass zwischen der Genehmigung und der Inbetriebnahme keine Hürden mehr stehen werden. Das heißt also: Es sieht wirklich gut aus.“

Das sieht die Windkraftbranche anders. Hans-Josef Vogel, Vorsitzender des Landesverbands Erneuerbare Energien, sagte nach der Anhörung: „Für den weiteren politisch gewollten Ausbau der Windenergie wäre es ein Bärendienst, wenn Regionalräte ungeeignete Flächen ausweisen, um allein die numerischen Vorgaben der Landesregierung zu erreichen.“ Es könne auch nicht sein, dass Regionalräte eine landesgesetzliche Regelung wie die Abschaffung des 1000-Meter-Mindestabstandes einfach aushebelten. „Was zählt, sind einzig und allein geeignete Flächen, auf denen moderne Windenergieanlagen geplant und errichtet werden können“, sagt Vogel. Er verlangt, dass schon jetzt mehr als die Mindestflächen ausgewiesen werden müssten, damit die Regionalräte nicht später in aufwendigen bürokratischen Verfahren ihre Pläne noch einmal überarbeiten müssten.

Das wiederum ruft Naturschützer auf den Plan. Heide Naderer, Chefin des Nabu NRW, teilte ordentlich gegen den LEE aus: „Das öffentliche Wettern des LEE gegen die Bezirksregierung Münster ist nur aus Betreibersicht nachvollziehbar. Bei der Regionalplanung geht es aber um Planungsprozesse, die per Gesetz die Abwägung von unterschiedlichen Interessen an Gütern des Gemeinwohls im Blick behalten müssen. Das sollte sich auch der LEE zu Herzen nehmen.“

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