Äußerung zu Hambacher Forst WDR soll Beitrag über Laschet gelöscht haben - Sender wehrt sich gegen „Spiegel“-Bericht

Köln · Für Landesregierung und WDR wird ein Beitrag über Äußerungen des Ministerpräsidenten zum Hambacher Forst zum Politikum. Ein Journalist hatte über ein Video berichtet, in dem Armin Laschet einräumen soll, dass der Wald unter einem Vorwand geräumt wurde.

 NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU).

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU).

Foto: dpa/Marijan Murat

Die Tonspur des Videos, über das der „Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe berichtet,  gibt eine Frau wieder, die den Ministerpräsidenten nach einer Veranstaltung in Düren fragt, ob er nachts noch ruhig schlafen könne mit seiner Entscheidung. Laschet wiegelt erst ab und antwortet dann: „Ja, ich brauch auch einen Vorwand, sonst kann man doch nicht tätig werden. Ich wollte den Wald räumen, ich wollte den Wald räumen.“

Der Ministerpräsident habe in dem besagten Gespräch deutlich gemacht, dass er den Hambacher Forst retten wolle, rechtswidriges Abholzen von Bäumen zur Errichtung von illegalen Baumhäusern und die Besetzung des Waldes zugleich für ihn nicht akzeptabel seien, erklärte eine Sprecherin der Staatskanzlei auf Anfrage. Die vom Gesprächspartner benutzte Formulierung „Vorwand“ habe er aufgegriffen, ohne sich den Begriff zu eigen zu machen, um zu erläutern, dass es einer rechtssicheren Grundlage bedarf, um die Besetzung des Waldes zu beenden und damit den Wald vor illegalen Eingriffen zu schützen. 

Das sehen die Grünen im Landtag anders. Fraktionschefin Verena Schäffer sagte unserer Redaktion: „Die Aussage von Ministerpräsident Armin Laschet ist nur ein weiterer Beleg dafür, dass der mangelnde Brandschutz für die Landesregierung nur ein Vorwand war, um den Hambacher Wald zu räumen, damit RWE den Wald roden kann." 

Zweifel an der Begründung für den Einsatz im Hambacher Forst im Jahr 2018 sind nicht neu. Mit einem der größten Polizeiaufgebote der Landesgeschichte hatte Innenminister Herbert Reul (CDU) damals rund 80 Baumhäuser zerstören lassen, mit denen – zum Teil militante – Waldbesetzer die Rodung des Waldes zugunsten des Braunkohletagebaus von RWE verhindern wollten. „Das hat mit der Baumrodung gar nichts zu tun“, hatte Reul damals über die Räumung gesagt. Die Brandschutzargumentation war jedoch rasch angezweifelt worden. 22 Aktenordner  konnten die Opposition und Journalisten 2019 für einige Stunden einsehen.

Sowohl die Akteneinsicht als auch die vielen parlamentarischen Anfragen, wie etwa eine Große Anfrage, hätten deutlich belegt, dass der Brandschutz nur ein Vorwand gewesen sei, sagt Schäffer. „Die Landesregierung hat sich damit zum Erfüllungsgehilfen von RWE gemacht.“

Armin Laschet habe erkennbar nie einen Versuch unternommen, um in diesem gesellschaftlichen Konflikt zu vermitteln und einen Rodungsstopp bis zu einem Ergebnis der Kohlekommission zu erwirken. „Selbst mit dem aktuellen Entwurf der Leitentscheidung für das Rheinische Revier ist der Hambacher Wald nicht eindeutig gerettet, da ihm eine Verinselung droht. Wir fordern Armin Laschet auf, seiner Zusage zum Erhalt des Waldes Taten folgen zu lassen“, sagt die Grünenpolitikerin.

Unangenehm wird die jüngste Berichterstattung allerdings auch aus anderem Grund für den Regierungschef und den WDR. Laut „Spiegel“ hat der Sender einen Beitrag über das Video gelöscht. Die Rechtsabteilung des WDR hatte die Veröffentlichung demnach 2019 mit dem öffentlichen Interesse gerechtfertigt. Der Beitrag sei jedoch wegen „journalistischer Mängel“ nach wenigen Stunden aus dem Netz genommen worden; daran sei offenbar Programmdirektor Jörg Schönenborn beteiligt gewesen. Laut „Spiegel“ werfen Redakteure dem Sender mangelnde Distanz zur Landesregierung vor.

Auf Anfrage des Magazins erklärt der WDR, dass die Fachredaktion den Beitrag gestoppt habe, weil die Verwendung der „illegalen Aufnahme nach rechtlicher Prüfung nicht infrage“ gekommen sei. Ein internes Gremium soll aber inzwischen zu dem Schluss gekommen sein, dass der Beitrag „journalistisch einwandfrei war“. Am Freitagabend schilderte Stefan Brandenburg, der Leiter des WDR-Programmbereichs Aktuelles, auf Twitter seine Erinnerung an den Vorfall. Der Autor habe tagelang mit der Fachredaktion über das Laschet-Video diskutiert. „Die Kolleg*innen kamen zu dem Ergebnis, dass man aus einem minutenlangen illegalen Mitschnitt nicht nur die eine kleine Stelle auswählen darf, die die eigene These stützt“, schreibt Brandenburg. Daraufhin habe der Autor das Thema anderen Redaktionen in der Programmgruppe angeboten und „ohne deutlich zu sagen, dass die fachlich zuständigen Redakteur*innen einmütig eine Veröffentlichung in der Form für unsauber gehalten hatten.“ Als er davon erfuhr, habe Brandenburg den Autoren angerufen und ihn gefragt, warum eine Story, „die so fraglich ist, direkt am nächsten Morgen kommen sollte.“ In Folge dessen habe Brandenburger gebeten, die Veröffentlichung aufzuschieben, „um das ganze prüfen zu können“.

Am Samstagnachmittag verschickte der WDR eine Pressemitteilung, in der die „Spiegel“-Berichterstattung als unwahr und tendenziös zurückgewiesen wurde. So heißt es: „Das Video zirkulierte im Netz und war an mehreren Stellen bekannt. Die angebliche Kernaussage – ,Ich brauche einen Vorwand` – hatte damals schon keinen Newswert mehr. Der WDR und andere hatten längst berichtet, dass die Landesregierung einen Vorwand für die Räumung des Forstes gesucht hatte.“

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