Kraft will Minderheitsregierung Was NRW von Hessen unterscheidet

Nun soll sie doch kommen, die Minderheitsregierung in NRW. Das gab die SPD am Donnerstagnachmittag bekannt. Schnell kommt der Gedanke an Hessen und die missglückte Wahl Andrea Ypsilantis zur Ministerpräsidentin auf. Doch für SPD-Chefin Hannelore Kraft ist das Risiko weitaus geringer. Dank der Landesverfassung.

Rot-rot-grüne Sondierungsgespräche gescheitert
13 Bilder

Rot-rot-grüne Sondierungsgespräche gescheitert

13 Bilder

Es war im Jahr 2008, als Andrea Ypsilanti über die geplante Minderheitsregierung stolperte. Mit Unterstützung von Grünen und Linken wollte sie sich zur Regierungschefin wählen lassen. Ihr Problem: Sie brauchte laut der hessischen Landesverfassung mehr als die Hälfte der Abgeordneten, um gewählt zu werden. Das waren 56 benötigte Stimmen.

Doch da Ypsilanti nicht über eine Mehrheit verfügte, war sie auf die Stimmen der Linken angewiesen. SPD, Grüne und Linke verfügten insgesamt über 57 Abgeordnete, FDP und CDU über 53 Abgeordnete. Als ihr vier Abgeordnete aus der eigenen Partei die Zustimmung verweigerten, war das Unternehmen Minderheitsregierung gescheitert.

In NRW sieht es dagegen ganz anders aus. Denn in den ersten drei Wahlgängen benötigt Hannelore Kraft zwar die absolute Mehrheit von 91 Stimmen, im vierten Wahlgang reicht dagegen die einfache Mehrheit. So heißt es in Artikel 52, Absatz 1 der Landesverfassung: "Der Landtag wählt aus seiner Mitte in geheimer Wahl ohne Aussprache den Ministerpräsidenten mit mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder."

Doch das Entscheidende kommt in Absatz 2: "Kommt eine Wahl gemäß Absatz 1 nicht zustande, so findet innerhalb von 14 Tagen ein zweiter, gegebenenfalls ein dritter Wahlgang statt, in dem der gewählt ist, der mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhält. Ergibt sich keine solche Mehrheit, so findet eine Stichwahl zwischen den beiden Vorgeschlagenen statt, die die höchste Stimmenzahl erhalten haben."

SPD und Grüne haben 90 Sitze im Parlament. Dementsprechend benötigte sie in den ersten Wahlgängen die Linken (oder auch einen Abweichler aus CDU oder FDP), um als Ministerpräsidentin gewählt zu werden.

Doch im vierten Wahlgang reichen die Stimmen von SPD und Grünen. Denn CDU und FDP verfügen insgesamt nur über 80 Sitze. Somit könnte sich Hannelore Kraft nicht nur einige Abweichler leisten, auch bräuchte sie sich nicht mithilfe der Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen.

Zumal die Abweichler in Hessen Ypsilanti damals eben nicht unterstützen wollten, weil sie sich von den Linken wählen lassen wollte. Kraft kann nun argumentieren, dass sie sich nicht von den Linken wählen lassen muss, um Ministerpräsidentin zu werden.

Und in der Minderheitsregierung selbst könnte sie dann von Gesetzesinitiative zu Gesetzesinitiative Mehrheiten suchen, die nicht immer mit der Linken zustandekommen müssten. Und das dürfte alle möglichen Abweichler zunächst mundtot machen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort