Waldzustandsbericht 2022 Nicht mal jeder dritte Baum ist gesund

Düsseldorf · Das Land appelliert eindringlich an private Eigentümer, ihre schwer geschädigten Waldflächen klimafest wiederherzustellen. Dafür gibt es Fördermittel. Kritiker fordern die Abkehr von konventioneller Forstwirtschaft.

 Zu viel Trockenheit wie hier im Arnsberger Wald steht am Anfang der meisten Probleme. Schwere Schäden hinterlassen auch Stürme und Schädlingsbefall.

Zu viel Trockenheit wie hier im Arnsberger Wald steht am Anfang der meisten Probleme. Schwere Schäden hinterlassen auch Stürme und Schädlingsbefall.

Foto: Jochen Tack / dpa

Dem Wald in NRW geht es schlecht. Bei der Zählung in diesem Sommer waren gerade mal 28 Prozent der Bäume gesund, also nicht einmal jeder dritte Baum. 34 Prozent waren leicht, 38 Prozent stark geschädigt. „Diese Zahlen entsprechen in etwa den Zahlen des Vorjahres und sind besorgniserregend“, sagte NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) am Donnerstag bei der Präsentation des diesjährigen Waldzustandsberichts. Die Vitalität des Waldes verschlechtere sich immer weiter, und das gehe so seit dem Beginn der Erfassung vor fast 40 Jahren.

Trockenheit ist das derzeit größte Problem. „Die Anpassung der Wälder an den Klimawandel ist eine unserer absolut vordringlichsten Aufgaben“, sagte Gorißen. Und damit richtete sie den Blick auf private Waldbesitzer: Sie appellierte eindringlich an die Eigentümer, auf die Fördermittel zurückzugreifen, die das Land für klima-angepasste Wiederaufforstung geschädigter Areale bereitstellt. Denn knapp zwei Drittel der Waldflächen in NRW sind in Privathand. Für das kommende Jahr plane man mit einem Fördertopf von 70 Millionen Euro. Im Jahr 2022 seien aber bislang gerade mal knapp 23 Prozent der vorhandenen Gelder abgefragt worden. Es gehe um Millionen, die in die Wiederbewaldung gesteckt werden könnten: „Es ist uns wirklich wichtig, die Waldbesitzenden davon zu überzeugen, unsere Fördermittel abzurufen“, betonte Gorißen. Die Regelungen habe man angepasst und vereinfacht.

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Der Waldbauernverband NRW begrüßt das ausdrücklich. Die alten Förderkriterien seien nämlich praxisfern gewesen, so der Vorsitzende Philipp Freiherr Heereman. Sie hätten etwa die Anpflanzung verschiedener Baumarten auf kleiner Fläche verlangt, oder die Anschaffung bestimmter Sorten, auch dann, wenn Eigentümer schon wussten, dass diese auf ihrem Land nicht gedeihen. „Die neuen Förderrichtlinien geben den Waldbesitzern deutlich mehr Freiheiten und Spielräume. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass die Gelder in Zukunft auch abfließen werden“, sagte er.

Der Naturschutzbund fordert, dass das Land für mehr Wälder sorgt, die nicht bewirtschaftet werden. Zehn Prozent des Forstes sollten in „Wildnisentwicklungsgebiete“ verwandelt werden, im Staatsforst sogar 20 Prozent. Von diesem Ansatz hält man in der Landesregierung allerdings nichts. Der Wald brauche aktive Hilfe des Menschen, hieß es dort. „Die Geschwindigkeit des Klimawandels lässt uns keine Zeit, darauf zu hoffen, dass die Natur alleine ihren Dienst tut“, sagte Ministerin Gorißen. „Wenn wir den Wald im Klimawandel erhalten wollen, ist es die schlechteste Strategie zu sagen, wir lassen ihn einfach liegen, er wird sich schon selber helfen“, erläuterte auch Ralf Petercord, zuständiger Referatsleiter im Landwirtschaftsministerium. „Das wird er nicht mehr schaffen.“

Kritiker stellen sich wiederum gegen diese Ansicht. So Peter Wohlleben, Förster, Autor des Buches „Das geheime Leben der Bäume“ und Verfechter ökologischer Waldentwicklung. „Der Waldzustandsbericht wird von Behörden aufgenommen, die gleichzeitig Wald bewirtschaften“, kritisierte er. „Das ist ein bisschen so, als wenn die fleischverarbeitende Industrie einen Bericht zur Tiergesundheit herausgäbe.“ Im Papier der Landesregierung werde der negative Einfluss der Forstwirtschaft ausgeblendet. So seien der Einsatz schwerer Maschinen, die den Boden verdichten, und das Leerräumen geschädigter Waldareale für das Austrocknen des Erdreichs ganz erheblich mit verantwortlich. „Wir sehen, dass alte, intakte Laubwälder grundsätzlich gut durch den Sommer gekommen sind. Wo der Wald bewirtschaftet ist, sieht das anders aus“, sagte Wohlleben. Auch bei der Wiederaufforstung von Gebieten rät er zu Zurückhaltung: „Ich kenne keine einzige Fläche, wo gepflanzter Wald besser wächst als natürlicher.“

Die SPD im Düsseldorfer Landtag fordert rasch eine Stärkung der Forstbetriebsgemeinschaften, in denen sich vor allem Besitzer kleiner Waldstücke organisieren. Derzeit werde über die Förderung dieser Organisationen diskutiert, weder die Eigentümer noch der Wald hätten dafür aber Zeit: „Lösen sich die Gemeinschaften auf, verlieren wir den Zugriff auf einen flächendeckenden Waldumbau.“

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