Körpersprache-Experte zum TV-Duell "Hannelore Kraft hat die Rolle der Chefin ideal erfüllt"

Düsseldorf · Stabiler Stand bei Hannelore Kraft, viel Bewegung bei Armin Laschet. Ruhige Hände auf der einen Seite, leidenschaftliche Gestiken auf der anderen. Experte Stefan Verra analysiert die Körpersprache von Kraft und Laschet im TV-Duell.

Es wurde viel geredet im TV-Duell zwischen Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und ihrem Herausforderer, CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet. Doch die Zuschauer nehmen nicht nur die Worte der Kontrahenten wahr, sie machen sich vor allem auch anhand von Körperhaltung, Kleidung, Gesichtsausdrücken und Mimiken ein Bild von den beiden Kandidaten für das NRW-Ministeramt.

Unterbewusst nehmen die Zuschauer wahr, wer dominanter ist, wer souverän wirkt, wer unsicher oder verzweifelt. Genauso unterbewusst zeigen die Kandidaten beim TV-Duell mit ihrer Körpersprache ihr Verhältnis zum Gegner oder ihre Emotionen.

Stefan Verra ist Experte für Körpersprache. Der in München lebende Österreicher beschäftigt sich seit 20 Jahren mit dem Thema Körpersprache und hält weltweit Vorträge dazu. Er hat sich das TV-Duell zwischen den NRW-Spitzenkandidaten Hannelore Kraft und Armin Laschet für uns angeschaut und analysiert.

  • Was ist bei Ministerpräsidentin Hannelore Kraft als erstes aufgefallen?
  • "Rote Kleidung zu wählen, war sehr geschickt von Kraft. Das ist eine Signalfarbe, die der Zuschauer direkt wahrnimmt und die ihr Aufmerksamkeit verschafft", sagt Stefan Verra. Hinzu sei gekommen, dass die Ministerpräsidentin mindestens so groß sei wie ihr Kontrahent Armin Laschet. Dafür könne sie zwar nichts, "aber die Umrisse eines Menschen sind das, was wir — evolutionär bedingt — als erstes von einem Menschen wahrnehmen", sagt Verra. Damit habe Kraft direkt einen Vorteil gehabt. Gleichzeitig habe Kraft eine für eine Frau sehr tiefe Stimme. Frauen mit tieferen Stimmen würden eher als Alphatier wahrgenommen und von Männern als Führungskraft akzeptiert.
  • Was ist bei Herausforderer Armin Laschet als erstes aufgefallen?
  • "Wirklich auffällig war, dass Armin Laschet die meiste Zeit über asymmetrisch, nach links durchgebogen, stand. Er lehnte mit dem Ellbogen am Tisch, neigte den Kopf und schaute Kraft von unten an", sagt Verra. Das zeige, dass sein Gehirn unterbewusst entschieden habe, dass er sich Kraft hierarchisch unterordne. "Mit dieser Rolle hatte er das ganze Duell lang zu kämpfen. Er steht eine Ebene unter Kraft, nicht auf Augenhöhe", analysiert Verra.
  • Gleichzeitig zeige Laschet aber eine unheimlich große Vielfalt in seiner Gestik. Die Augen habe er oft weit aufgerissen und mit den Händen zum Beispiel Kantenschläge angedeutet oder eine Faust gebildet. "Das signalisiert dem Zuschauer Leidenschaft und Aktivität", sagt Verra.
  • Als nicht glücklich gewählt empfand Verra das Outfit des CDU-Kandidaten. "Das Sakko war zu groß, und das Hemd war an den Armen zu lang für das Sakko. Dadurch waren seine Hände teilweise verdeckt. Das machen nur Menschen, die mit ihren Händen nicht arbeiten, wie der Papst oder Clowns. Laschet wirkte so etwas unbeholfen", sagt Verra.
  • Was ist an Krafts Körpersprache positiv aufgefallen?
  • "Die Ministerpräsidentin stand — zumindest während zwei Drittel der Sendung — sehr stabil und ruhig. Ihre Finger lagen während weiter Teile der Diskussion verschränkt auf dem Pult. Auch das wirkte sehr stabil, aber dafür nicht sehr aktiv", sagt der Körpersprache-Experte.
  • Die erste auffällige Veränderung in Krafts Körperhaltung hat Verra bei der Frage nach der Zugehörigkeit des Islams zu NRW festgestellt: "Da nimmt sie die Hände erstmals auf Brusthöhe und beginnt stark zu gestikulieren. Es machte den Eindruck, dass sie weiß, dass die Antwort das Volk in NRW sehr bewegen wird."
  • Bei der Frage nach Erdogan habe die Ministerpräsidentin den Blick auf Laschet gerichtet. "Da brauchte und suchte sie ganz offensichtlich die Unterstützung des Kontrahenten", sagt Verra. Kraft habe an dieser Stelle gut versucht, Einigkeit zu zeigen. Denn vorher sei die Diskussion teils hart und ziemlich kontrovers geführt worden.
  • Was ist an Laschets Körpersprache positiv aufgefallen?
  • "Laschet hatte in seiner Gestik eine große Vielfalt. Das macht ihn für den Zuschauer attraktiv und spannend", sagt Verra. Diese Aktivität sei wichtig gewesen, weil der Herausforderer nicht die Stabilität der Regierung haben könne. "Er muss seine Botschaften in Form einer Revolution zeigen", sagt Verra. Das habe Laschet, der viel mit seinen Händen und Finger gearbeitet hat, nicht schlecht gemacht. Er habe die Körpersprache des Volkes gezeigt, dass bei Ärger über die Ministerpräsidentin genauso auf den Tisch haue.
  • Bei der Frage, ob das Thema Leitkultur sei, habe er zum Beispiel mit "Nein" geantwortet. "Gleichzeitig hat er die Hände von sich weg Richtung Moderatorinnen gestreckt. Das suggeriert dem Zuschauer, dass er die Argumente von sich weist. Wenn Worte und Gesten übereinstimmen, wirkt das glaubwürdig", so die Analyse des Experten.
  • Was hat Kraft nicht gut aussehen lassen?
  • "Nicht so geschickt war die Frisur-Wahl der Ministerpräsidentin. Denn die Zuschauer wollen die Mimik der Politiker lesen. Dabei sind Augenbrauen einer der wichtigsten Signalgeber", sagt Verra. Die waren durch die Haare von Hannelore Kraft jedoch verdeckt. Anders als bei Herausforderer Laschet, der viel mit den Augen gearbeitet habe.
  • Negativ auslegen könnten die Zuschauer auch einige Blicke der Ministerpräsidentin. "Sie hat Laschet oft von der Seite angeschaut und dabei gelächelt. Da ist die Frage, wie die Menschen ihr das auslegen", sagt der Körpersprache-Experte. Zum einen könne das Lächeln als Souveränität und Überlegenheit ausgelegt werden. "Denn wir lächeln nur, wenn das Kortisol noch nicht zu heftig im Körper zirkuliert, wir uns also wohl und sicher und nicht nervös fühlen", sagt Verra. Der seitliche Blick in Kombination mit dem Lächeln könne Kraft aber auch als Überheblichkeit und Arroganz ausgelegt werden. "Das hängt stark davon ab, wie man ohnehin zu ihr steht", sagt Verra.
  • Obwohl Kraft immer wieder sehr laut gegenüber Laschet wurde, war ihre Lautstärke bei der Frage nach den Kita-Gebühren und -Plätzen besonders auffällig. "Da ist sie etwas aus ihrer Rolle gefallen. Vorher war sie sehr souverän und mütterlich", sagt Verra.
  • Was hat Laschet nicht gut aussehen lassen?
  • "Die rechte Augenbraue von Herrn Laschet war oft höher als die linke. Das wirkt skeptisch, erstaunt oder zynisch", sagt Verra. Unterbewusst passiere diese Mimik, wenn das Gehirn sich noch nicht entscheiden kann, wie es zu einer Sache steht. "Der Ausdruck wirkt daher unentschlossen", sagt Verra.
  • Armin Laschet habe sich häufiger zu Kraft gedreht, um diese anzuschauen. Kraft hingegen habe sich nur zu den Moderatorinnen gedreht. "Alphatiere lassen sich lieber anschauen, als den anderen zu betrachten", sagt Verra.
  • Und auch wenn Laschets Körpersprache vielfältig gewesen sei, habe sie oft unstabil und hilfesuchend gewirkt, sagt der Experte. Laschets Handkantenschläge seien zum Beispiel zitternd in der Bewegung stehengeblieben und nicht zu Ende gebracht worden. "Laschet stand auch mit seinem linken Fuß gerade, mit dem rechten nach hinten weg. Ihm fehlt es an Stabilität", sagt Verra.
  • Hinzu seien Stresssignale wie das immer wiederkehrende Lecken über die Lippen sowie tänzelnde Bewegungen gekommen. "Der Herausforderer wirkte körpersprachlich zwischenzeitlich verzweifelt", sagt Verra.
  • Fazit zu Krafts Körpersprache
  • "Hannelore Kraft trägt viel Dominanz in sich. Und Menschen wünschen sich an der Spitze jemanden, der Dominanz zeigt", sagt Verra. Kraft sei weit stabiler und ruhiger gewesen als Laschet. "Sie hat die Rolle der Chefin ideal erfüllt", sagt der Körpersprache-Experte. Problematisch sei die Unbeweglichkeit und der überheblich wirkende Blick Richtung Laschet gewesen, wenn dieser sich in Rage geredet habe.
  • Fazit zu Laschets Körpersprache
  • "Armin Laschet hat zweifelsohne ein großes Körpersprache-Talent. Er hatte ja fast italienisches Temperament. Aber ihm fehlt offenbar das Feedback, was wann gut und schlecht ist", sagt Verra. Als Oppositioneller habe Laschet seine Aufgabe ganz gut gemacht und den gleichen Zorn wie die Wähler gezeigt. Es habe ihm aber an Dominanz und Stabilität des Alphatieres gefehlt. "Wenn er sich einmal gerade, stabil und ruhig hingestellt und klar in die Kamera gesprochen hätte, hätte ihm das die nötige Stabilität verliehen", sagt Verra. Dann wären die vielen Bewegungen nicht negativ aufgefallen. "Mit seiner Leidenschaft könnte er Deutschland gut tun. Er könnte das Volk mitreißen mit seiner Gestik und Mimik", sagt Verra. Denn tendenziell würden wir gestenreichen Menschen eher folgen.
(rent)
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