Soll Austausch erleichtern Viele Städte und Landkreise in NRW lehnen Corona-Software ab

Düsseldorf · Bis Ende Februar sollen die Städte und Landkreise das System Sormas einführen, um eine grenzüberschreitende Kontaktnachverfolgung möglich zu machen. Doch vielerorts sieht man die Pläne von Bund und Land kritisch.

 In Mönchengladbach haben IT-Spezialisten der Bundeswehr bei der Einführung von Sormas geholfen.

In Mönchengladbach haben IT-Spezialisten der Bundeswehr bei der Einführung von Sormas geholfen.

Foto: bauch, jana (jaba)

Die von Bund und Ländern beschlossene Einführung einer einheitlichen Software zur Kontaktnachverfolgung stößt in vielen Städten und Landkreisen auf Widerstand. „Wir halten das Ziel einer flächendeckenden Einführung weder für erstrebenswert noch derzeit erreichbar“, heißt es in einem Brief des Deutschen Landkreistages an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.

Eine Umfrage unserer Redaktion bei den 53 Gesundheitsämtern in Nordrhein-Westfalen ergab, dass bislang nur sechs Städte und Kreise mit Sormas arbeiten. In vielen anderen Regionen läuft aktuell die Einführung. Etwa die Hälfte der Landkreise und Kommunen meldete allerdings auch zurück, dass der Einsatz von Sormas bei ihnen nicht oder noch nicht geplant ist. „Das Programm stellt in der aktuellen Version für den Kreis Euskirchen keine relevante Verbesserung dar“, teilte beispielsweise ein Kreissprecher mit. Im Duisburger Rathaus hieß es, man sehe eine Umstellung während der Hochphase der Pandemie äußerst kritisch. Auch in anderen Städten wird auf technische Einschränkungen sowie den aus Sicht der Gesundheitsämter ungünstigen Zeitpunkt verwiesen. 

Bund und Länder hatten Mitte Januar die flächendeckende Einführung des vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung entwickelten Surveillance Outbreak Response Management and Analysis System (Sormas) beschlossen. Bis Ende Februar, heißt es im Beschluss vom 19. Januar, soll Sormas in allen Gesundheitsämtern installiert sein.

Die Software soll für die Kontaktnachverfolgung eingesetzt werden. Momentan arbeiten die Gesundheitsämter mit einer Vielzahl von Programmen – von Excel-Tabellen bis hin zu eigens entwickelter Software. Viele dieser Lösungen sind allerdings auf einzelne Kommunen beschränkt, der automatische, grenzüberschreitende Austausch ist nicht möglich oder muss umständlich manuell erfolgen. Sormas soll dies erleichtern. Sollte sich eine Person beispielsweise in Stadt A beim Treffen mit Freunden infiziert haben, jedoch in Stadt B leben und in Stadt C arbeiten, würden künftig alle Gesundheitsämter sofort automatisch davon erfahren.

Die Sormas-Software wurde bereits 2014 federführend vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) als sogenannte Open-Source-Lösung zur Kontaktnachverfolgung entwickelt. Der Quellcode ist daher offen und kann von den Nutzern angepasst werden. Anlass der Entwicklung war der Ausbruch von Ebola in Westafrika. Im vergangenen Frühjahr wurde auch ein Coronavirus-Modul entwickelt und unter anderem in Nigeria eingeführt. Aktuell kommt Sormas auch in der Schweiz und in Frankreich zum Einsatz. Da Sormas vom Bundesgesundheitsministerium finanziell gefördert ist, steht die Software den Gesundheitsämtern kostenlos zur Verfügung. Sie müssen lediglich eine Lizenzvereinbarung mit dem HZI abschließen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte sich bereits im vergangenen Dezember in einem Schreiben an die Bürgermeister und Landrate gewandt und darum gebeten, die Software einzuführen. Mitte Januar war Sormas jedoch nur in knapp jedem vierten Gesundheitsamt betriebsbereit bzw. in Betrieb.

Viele Kommunen scheuen die Einführung, weil ihre Mitarbeiter erst für den Einsatz von Sormas geschult werden müssen – und sie die Software nicht im laufenden Betrieb umstellen wollen. Andere Städte wie Mönchengladbach haben sich dazu Unterstützung von IT-Soldaten der Bundeswehr organisiert. Diese kann mit Personal unterstützen, sofern sie angefragt wird.

Man habe auch schon vorher für Sormas geworben, heißt es im Ministerium, die Verantwortung für die Ausstattung der Gesundheitsämter obliege jedoch den Ländern und den Gesundheitsämtern selbst. „Die Bundesregierung kann in diesem Zusammenhang nur unterstützend agieren“, sagt ein Sprecher.

Ein weiteres Problem war jedoch offenbar, dass Sormas erst aufwendig an das deutsche föderale System angepasst werden musste, weil die Daten nicht zentral erfasst werden sollten, sondern entsprechend des deutschen Meldesystems dezentral.

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