Streik an Unikliniken geht weiter Verdi nennt Angebot der Arbeitgeber eine Mogelpackung

Düsseldorf · Im Streit um bessere Arbeitsbedingungen haben die Arbeitgeber einen ersten Vorschlag präsentiert. Entlastungen sollen aber nur für die Pflegekräfte gelten. Die Gewerkschafter sind entschlossen, trotz der laufenden Verhandlungen weiter zu streiken.

 Frank Werneke, Verdi-Bundesvorsitzender, zwischen den Demonstranten auf dem Weg zum Düsseldorfer Hofgarten.

Frank Werneke, Verdi-Bundesvorsitzender, zwischen den Demonstranten auf dem Weg zum Düsseldorfer Hofgarten.

Foto: dpa/Malte Krudewig

Neugierig hängen die Schüler des Görres-Gymnasiums an den Fenstern und schauen wie aus der Königsallee ein lauter Umzug in die Bastionstraße einbiegt. Vorneweg ein Lkw mit offener Ladefläche, auf dem eine laut wummernde Musikanlage steht. Dahinter Hunderte Verdi-Mitglieder in Warnwesten. Irgendjemand hat eine Seifenblasenmaschine mitgebracht. Ein bisschen Volksfeststimmung, auch wenn der Anlass ein ernster ist. Woche sechs der Streiks an den sechs Unikliniken des Landes. Die Beschäftigten fordern einen sogenannten Entlastungstarifvertrag – übersetzt bedeutet das: schichtscharfe Personaluntergrenzen und Entlastungstage. „Heute ist kein Arbeitstag, heute ist Streiktag“, skandiert die Menge.

In der Masse ein blonder Mann mitblauen Hemd: Verdi-Chef Frank Werneke ist aus Berlin angereist, um die Beschäftigten der Standorte Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen Köln und Münster zu unterstützen. Am Rande der Demo sagt er unserer Redaktion: „Der Arbeitsmarkt ist eng bei den Pflegekräften. Laut einer aktuellen Umfrage tragen sich 40 Prozent der Pflegekräfte mit dem Gedanken, den Beruf zu verlassen.“ An den Unikliniken sei die Fluktuation besonders hoch. „Ohne einen Tarifvertrag Entlastung wird es eine Abwanderung großen Ausmaßes aus der Pflege geben“, warnt der Verdi-Chef.

Den Vorwurf der Arbeitgeber, dass die Streiks die Patientensicherheit gefährdeten, lässt er nicht gelten: „Das sind Spielchen die wir jetzt schon 20 Mal mitgemacht haben. Es wird kein Patient gefährdet, weil es Notdienstvereinbarungen und Clearingstellen gibt.“ Aber natürlich fänden verschiebbare Eingriffe nicht statt. „Ansonsten würde der Streik keine Wirkung entfalten. Und natürlich ist der finanzielle Schaden für die Kliniken nicht unerheblich. Dass denen das nicht gefällt… Deswegen machen wir es ja“, sagt Werneke. „Je früher wir einen ordentlichen Abschluss haben, desto besser, aber es ist auch klar, wir hören nicht eher auf, bis es einen Tarifvertrag gibt.“

Die Arbeitgeber hatten auch beklagt, dass zeitgleich zu Verhandlungen gestreikt werde. Dazu meint der Kölner Gewerkschaftsexperte vom Institut der deutschen Wirtschaft, Hagen Lesch: „Nun ständig verhandlungsbegleitend weiter zu streiken, mag zwar aus organisationspolitischen Erwägungen Sinn machen und auch der aufgeheizten Stimmung Rechnung tragen.“ Die Gewerkschaft müsse sich nur fragen, ob dies nicht ab einem gewissen Punkt auch schädlich für das Verhandlungsklima sei und das womöglich noch Ergebnis schmälere. „Rechtlich sind die Streiks nicht zu beanstanden“, so Lesch. Es gehe ja um die Durchsetzung eines neuen Tarifvertrags. „Eine Friedenspflicht gäbe es ja nur, wenn sie in einem bestehenden Tarifwerk vereinbart worden wäre.

Als der Zug vor dem Finanzministerium zum Halten kommt, dauert es ein wenig, bis die Menge realisiert, wo sie sind. Der Hausherr, Lutz Lienenkämper (CDU), sitzt in Tarifverhandlungen für den Arbeitgeber Land am Verhandlungstisch. Ein Demonstrant schnappt sich eine Verdi-Fahne, spurtet die Stufen zum Haupteingang hoch und steckt sie in ein Gitter, Schnell formieren sich weitere Demonstranten mit Plakaten vor dem Gebäude. „Ihr VerWÜSTET unsere Zukunft. Das ist echt LAUmann“, steht in Anspielung auf den Ministerpräsidenten und seinen Gesundheitsminister auf den Spruchbändern.

Auf Laumann sind sie nicht mehr gut zu sprechen. Der hatte sich bei einer Kundgebung in Oberhausen noch dazu bekannt, alle Beschäftigten der Unikliniken zu entlasten. Inzwischen hat er den Verhandlern aber zu verstehen gegeben, dass Geld nur für pflegerische Berufe am Bett da sei – also jene, die von den Kassen refinanziert werden. Übersetzt heißt das: Das Land selbst will kein Geld in die Hand nehmen. „Entweder ist Herr Laumann senil oder ein Lügner und daran sollten wir ihn jeden Tag erinnern“, ruft einer der Redner vom Uniklinikum Essen.

Sie trauen dem Braten nicht. Kurz zuvor hatten sie schon vor der Landesparteizentrale der Grünen demonstriert. Pressesprecher Jan Miebach musste die Menge aber mit Verweis auf die laufenden Gespräche und die damit verbundene Abwesenheit politischer Vertreter vertröstet. „Es tut mir wirklich leid“, sagt er mehrmals. Ein Verdi-Mitglied klopft ihm auf die Schulter. „Sie sind rausgekommen. Das ist schon viel wert.“

Als die Menge zur Abschlusskundgebung im Hofgarten zusammenkommt, verkündet der zuständige Gewerkschaftssekretär Jan von Hagen, es gebe ein Angebot der Arbeitgeber. Das sehe fünf Entlastungstage vor – aber nur für die Pflege. „Das ist die Spaltung, die wir erwartet haben“, sagt er. Am Abend erklärt Werneke per Mitteilung es handele sich um eine Mogelpackung. Für kommenden Dienstag sind bereits weitere Kundgebungen in Münster angekündigt.

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