A45-Brückendebakel Untersuchungsausschuss auch zu Wahlkampfzwecken
Düsseldorf · Hinter der Einsetzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Lüdenscheider Autobahnbrücke und der Rolle des damaligen Verkehrsministers und heutigen Ministerpräsidenten steckt neben dem Wunsch nach Aufklärung parteitaktisches Kalkül.
Die 18. Legislaturperiode des nordrhein-westfälischen Landtags ist noch nicht einmal ein Jahr alt und doch gibt es schon den dritten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (Pua). SPD und FDP stellten am Dienstag ihren Antrag für einen Pua vor, der sich mit den Vorkommnissen rund um die A45-Rahmedetalbrücke beschäftigen soll. Elf Landtagsabgeordnete werden sich in den kommenden Monaten durch Berge von Akten wühlen, zahlreiche Zeugen und Sachverständige vernehmen, die allesamt den Fall der seit Monaten komplett gesperrten Autobahnbrücke in Südwestfalen betreffen. Ein kostspieliges Unterfangen. Zum Vergleich: Der Pua zum „Fall Amri“ verschlang knapp vier Millionen Euro an Personalkosten, der zu einem vermeintlichen Hackerangriff auf die damalige Landwirtschaftsministerin Christina Schulze Föcking (CDU) knapp drei Millionen und der zum Tod eines Häftlings in der JVA Kleve 2,7 Millionen Euro.
Hinter vorgehaltener Hand wird im Politischen Raum zudem geraunt, die bei der Wahl abgestraften Fraktionen hätten durchaus ein finanzielles Interesse an den Puas, denn damit ließen sich praktischerweise Stellen finanzieren. Tatsächlich haben die fünf Fraktionen dank des Ausschusses Mittel für je zwei Stellen für Mitarbeiter des höheren Dienstes sowie eine Stelle zur Assistenz.
Die Strategie der Opposition wird sein, denn Ausschuss nach Möglichkeit soweit in die Länge zu ziehen, so dass er noch möglichst nah an den nächsten Wahltermin heranreicht. Das gelingt durch die schiere Themenfülle: Durch fünf Themenkomplexe müssen sich die Ausschussmitglieder durcharbeiten, der letzte ist dabei aber derjenige, der sich aus Sicht der Opposition im Wahlkampf am besten nutzen lassen dürfte: „Verhalten der NRW-Landesregierung seit Bekanntgabe der Sperrung der Talbrücke Rahmede im Dezember 2021, insbesondere Informationsdefizite zum Nachteil der Bevölkerung und des Parlamentes“. Dann wird Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) ins Kreuzverhör genommen werden. Im Raum steht der Vorwurf, er habe womöglich die Öffentlichkeit über seine Rolle bei der Aufschiebung des Brückenprojekts belogen.
Beispiel für eine solche Instrumentalisierung zu Wahlkampfzwecken gibt es reichlich: Insbesondere der Pua zur Flutkatastrophe. In einer politisch durch den Wahlkampf extrem aufgeheizten Situation hatte der Ausschuss mitunter eine Schärfe erreicht, die selbst für politische Auseinandersetzungen ungewöhnlich ist. Lange Zeit wirkte dabei insbesondere die CDU wie paralysiert, während SPD und Grüne immer mehr Druck aufbauten und am Ende die damalige Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) nach Bekanntwerden ihrer Abwesenheit auf Mallorca und einer dort veranstalteten Geburtstagsfeier für ihren Mann zurücktreten musste. Genützt hat es der Opposition am Ende im Übrigen nicht. Die CDU ging als klarer Gewinner vom Platz.
Dass es aber auch diesmal extrem konfrontativ zugehen wird, dafür gibt es schon jetzt erste Indizien. So wandten sich die Fraktionsspitzen von CDU und Grünen im Vorfeld der Beantragung an die Oppositionsparteien, um einen gemeinsamen Antrag anzubieten. In einem Brief, der unserer Redaktion vorliegt, bieten Thorsten Schick (CDU), Verena Schäffer und Wibke Brems (beide Grüne) ihren Kollegen von SPD und FDP „einen Austausch im Vorfeld des Einsetzungsbeschlusses an“. Jederzeit stehen man für einen persönlichen Austausch zur Verfügung, gerne auch kurzfristig. Doch eine Reaktion, so hieß es aus Koalitionskreisen, blieb offenbar aus.
Ein Grund dafür könnte ein Hinweis sein, den die drei am Ende ihres Schreibens geben: „Weil unsere vier Fraktionen in der Vergangenheit in unterschiedlichen Rollen und Funktionen die Verantwortung für die Verkehrsinfrastruktur unseres Landes getragen haben, laden wir Sie sehr herzlich ein, über den Einsetzungsbeschluss zu sprechen.“ Doch der nun von der Opposition vorgestellte eng begrenzten Untersuchungszeitraum zeigt, dass wohl insbesondere die SPD kein Interesse daran hat, dass die Rolle ihres eigenen damaligen Verkehrsministers Michael Groschek noch einmal näher betrachtet werden könnte.
In der Region hält sich die Begeisterung für den Pua indes in Grenzen. So sagte jüngst der Lüdenscheider Arbeitgeberpräsident Frank Hoffmeister unserer Redaktion, es sei ärgerlich, dass nun parteipolitische Spielchen von der Opposition im Landtag unternommen würden. „Den Menschen hier vor Ort sind solche Schuldzuweisungen und Nebenkriegsschauplätze völlig egal.“ Für sie stehe im Vordergrund, dass die Brücke schnell neugebaut werde. Die Sprengung der maroden Brücke ist für den 7. Mai geplant.