NRW-Studie "Appsolutely smart!" Unsere Jugendlichen sind die Konservativen von morgen

Gießen · Sie werden immer früher erwachsen, streben nach Stabilität und Ordnung und tragen die Familie auf Händen: Unsere Jugendlichen sind moderne Konservative. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der Uni Gießen unter Kindern und Jugendlichen in NRW.

Diese elf Jugendlichen wollen die Welt besser machen
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Rund 6.000 Schüler zwischen 10 und 18 Jahren wurden von dem Team um die Kinder- und Jugendforscherin Sabine Maschke befragt. Die Ergebnisse zu den Themenbereichen wie Familie, Freundschaft, Schule und Zukunft werden heute in dem Buch "Appsolutely smart!" veröffentlicht.

Wenn Maschke die Ergebnisse der Panoramastudie zusammenfasst, klingen Jugendliche wie Maschinen, die nach guten Noten, Abitur und einer sicheren Zukunft gieren. Endgültig vorbei sind die Zeiten von jungen Rebellen, die auf der Straße für ihre Ideologioen gekämpft haben. Im Vergleich zur Vorgängerstudie aus dem Jahr 2001 sind Werte wie Ordnung, Vertrauen, Sicherheit und Stabilität den Jugendlichen heute noch wichtiger. Auch Karriere und Auffstieg spielen eine große Rolle. "Die Jugendlichen haben die deutsche Bildungs- und Leistungsmaxime verinnerlicht", resümiert Maschke im Interview mit RP Online. Drei Viertel der Befragten gaben das große Ziel "Abitur" an.

Der Preis, den die Schüler dafür zahlen? "Die Angst zu scheitern", sagt Maschke. Auch die junge Generation spürt, dass das Armutsrisiko in Deutschland immer größer wird. Der ständige Druck, zu funktionieren, äußere sich in psychosomatischen Krankheiten wie Kopfschmerzen und Schlafstörungen.

Das Smartphone als Ticket zum Erwachsenwerden

Was noch auffällt: Das Kindsein hört im Alter von zehn heute rund ein Jahr früher auf als noch vor zehn Jahren. Die Wissenschaftler richten sich dabei normalerweise nach dem Alter, wann die Kinder aufhören, mit Spielzeug zu spielen. Für die neue Studie haben sie aber ein anderes Indiz gewählt — das erste Smartphone. "Das erste Handy ist heute das Ticket in die Jugendphase", so Maschke. Das junge Leben mit Hunderten von Möglichkeiten sei für die Kids ein Appstore, aus dem sie sich das herauspicken, was für sie als richtig erscheint.

Auch bei der Annahme, Sex spiele in Beziehungen weiter eine große Rolle, wurden die Wissenschaftler aus Gießen überrascht. Heute gilt Treue und Vertrauen bei den Jugendlichen noch stärker als Basis jeder Beziehung. Sexualität sei laut Maschke nur für ein Drittel der Befragten entscheidend.

Treue, Vertrauen, Ordnung und Stabilität — kopieren die Jugendlichen von heute also die konservativen Werte ihrer Eltern und Großeltern? Tatsächlich ist bei der Suche nach Vorbildern das Ansehen des Bundeskanzlers, der 2001 noch von der SPD und heute von der Union gestellt wird, unter den 10 bis 18-Jährigen gestiegen. Trotzdem interpretierten Jugendliche den Begriff konservativ für sich ganz neu, erklärt Maschke. Familie könne zum Beispiel heute vieles sein: der Stiefvater, die Patchwork-Gemeinschaft, der beste Freund. Und auch den Spaß haben die Jugendlichen von heute trotz allen Wahns nach Karriere und Sicherheit noch nicht ganz von der To-Do-Liste verbannt.

(met)
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