Geschrumpfte Gebietskulisse Umweltschützer kritisieren Nitrat-Karte

Düsseldorf · Das NRW-Umweltministerium weist deutlich weniger Gebiete mit einer besonders hohen Nitrat-Belastung aus. Für elf statt zuvor 20 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen gelten nun besonders strenge Dünge-Auflagen.

 Ein Landwirt bringt Dünger auf einem Feld aus

Ein Landwirt bringt Dünger auf einem Feld aus

Foto: dpa/Philipp Schulze

In wenigen Wochen beginnen die Landwirte mit der Düngung ihrer Felder. Einmal mehr rückt damit der Streit um die Nitratbelastung des Bodens in den Fokus. Landwirte sind sauer, weil sie bei der Ausbringung von Gülle von Spaziergängern angegangen werden, Naturschützer sind sauer, weil in vielen Gebieten an den Messstationen die Grenzwerte von 50 Milligramm Nitrat je Liter Grundwasser überschritten werden.

In dieser aufgeladenen Situation hat das NRW-Umweltministerium nun eine neue „Gebietskulisse“ vorgelegt. Hinter dem sperrigen Verwaltungsbegriff verbirgt sich eine Ausweisung all jener Gebiete, die besonders hohe Nitratbelastungen aufweisen und in denen schärfere Vorgaben für die Landwirte gelten. „Wie angekündigt schaffen wir damit vor Beginn der Düngesaison Klarheit für die Landwirtinnen und Landwirte“, erklärte Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser (CDU). 165.000 Hektar umfassen die besonders betroffenen Gebiete – elf Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche.

Umweltschützer und Oppositionspolitiker beklagen nun, dass in den vergangenen Monaten die ausgewiesenen Flächen geschrumpft sind. Norwich Rüße, selbst Landwirt und zugleich umweltpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, wirft der Landesregierung bei der Ausweisung der rot gekennzeichneten Gebiete vor, ein Stück aus dem Tollhaus aufzuführen: „Erst reduziert sich die Fläche der nitratgefährdeten Gebiete im Laufe des vergangenen Jahres von 850.000 Hektar auf 280.000 Hektar. Dann wiederum war angeblich eine Verwaltungsvorschrift verantwortlich dafür, dass Endes des Jahres 70.000 Hektar zusätzlich in die Gebietskulisse aufgenommen wurden.“ Dann habe sich – wie durch ein Wunder – die Gebietskulisse von 350.000 auf nun nur noch 165.000 Hektar Fläche innerhalb weniger Wochen reduziert. „Das mag den einzelnen Landwirt zwar freuen, insgesamt aber verliert eine derartige Umweltpolitik des Hü und Hott jegliche Glaubwürdigkeit.“

Auch Dirk Jansen vom BUND NRW wundert sich über die Verringerung der Fläche. Dabei stütze sich die vorgenommene und strittige Modellierung auf teils unveröffentlichte Daten – etwa den Nährstoffbericht der Landwirtschaftskammern. „Für den BUND sind die Grundlagen nicht nachvollziehbar und nicht offen kommuniziert. Es entsteht der Eindruck, dass die Landesregierung auf Kosten der Umwelt schönrechnen will.“ Tatsache sei, dass die zu hohen Tierzahlen stagnierten und die Menge organischer Düngemittel nicht abgenommen habe, so Janssen. Damit bleibe die Ursache für das Nährstoffproblem ungelöst. „Einige Grundwasserkörper zeigen bereits Ermüdungserscheinungen hinsichtlich des Abbaupotenzials von Stickstoffverbindungen. Das führt zu Versauerung dieser Grundwasserkörper und in der Folge zum Beispiel zur Freisetzung von giftigen Schwer­metallen“, so Jansen.

Der Rheinische Landwirtschaftsverband (RLV) begrüßte die weiteren Anpassungen der Gebietskulisse. „Das Landwirtschaftsministerium hat Wort gehalten und nunmehr den angekündigten letzten Schritt zur Ermittlung der nitratbelasteten Gebiete vollzogen“, sagte RLV-Präsident Bernhard Conzen. Es komme nun in vielen Regionen „zu einer sachgerechteren Einstufung der Grundwasserkörpersituation“. Anhand von Messstellenergebnissen und Modellrechnungen werde deutlich, dass die rückläufigen Bilanzüberschüsse der Landwirtschaft dazu beitrügen, die Gewässersituation zu verbessern. Am Ende verblieben aber Sonderfälle, auf die mit der neuen Einstufung noch keine befriedigende Antwort gegeben sei. Dort bedürfe es einer weiteren Nachbearbeitung, so Conzen.

Die Ministerin appellierte bei der Veröffentlichung nochmals an alle Landwirte – nicht nur an diejenigen in den roten Regionen: „Allerorts gilt, dass nur so viele Nährstoffe ausgebracht werden, dass Pflanzen und Böden optimal mit Nährstoffen versorgt werden, ohne dass es zu unerwünschten Austrägen in die Umwelt und das Grundwasser kommt. Sauberes Grundwasser ist unser höchstes Gut.“

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