Ukraine-Flüchtlinge können Hartz IV beantragen Kraftakt für die Jobcenter

Düsseldorf · Bis zu 150.000 aus der Ukraine Geflüchtete wechseln an diesem Mittwoch auf einen Schlag ins Sozialgesetzbuch II. Sie können somit Hartz IV beantragen.

 Torsten Withake, der Chef der NRW-Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit.

Torsten Withake, der Chef der NRW-Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit.

Foto: Anne Orthen (ort)

Heute wechseln die Zuständigkeiten für Geflüchtete aus der Ukraine. Bekamen sie bislang Hilfen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, wechseln sie nun in die Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch II, sie können also Hartz IV beantragen. Damit sind ab sofort die Jobcenter für sie zuständig. Ein Kraftakt, auf den die Behörden aber nach Meinung des Chefs der NRW-Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, Torsten Withake, vorbereitet sind. „Wir gehen davon aus, dass wir in NRW über rund 150.000 Geflüchtete aus der Ukraine sprechen, wie viele davon exakt ins SGB II kommen, ist noch offen. Wir schauen jetzt erst einmal, wie viele Menschen wirklich zu uns kommen. Wenn wir dann einen klaren Befund haben – auch regional - , können wir entsprechend reagieren und die Jobcenter dann unterstützen.“ Intern habe man zudem verabredet, dass die Jobcenter untereinander Kooperationen schließen könnten. „Wenn es in einem Bezirk sehr viele Anträge gibt, kann das durch freie Kapazitäten eines kooperierenden Jobcenters aufgefangen werden.“

Neben einer bundesweit geschalteteten Hotline läuft vieles über persönliche Termine. „In Köln zum Beispiel hat das Jobcenter schon vor mehreren Wochen Tausende Termine rausgegeben, um gemeinsam mit den Menschen die Anträge zu stellen“, so Withake. Dann können die Berater zum Gespräch bei einer Hotline eines externen Anbieters einen Dolmetscher zuschalten, der beim Ausfüllen der Anträge unterstützt. Sehr viele Ukrainerinnen sprechen Withake zufolge auch Englisch, zudem kämen viele aus der Ostukraine, wo Russisch gesprochen wird.

Die Jobcenter profitieren von ihren Erfahrungen in der Fluchtwelle 2014/15 in der Zusammenarbeit mit den Kommunen. „Die Netzwerke von damals funktionieren und wurden auch in der Zwischenzeit genutzt. Darüber hinaus sind wir mit dem Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration und dem Arbeits- und Sozialministerium in enger Abstimmung. Zudem haben wir gemeinsam alle Oberbürgermeister und Landräte noch einmal angeschrieben. Uns ist wichtig, dass wir das gemeinsam lösen“, sagt der Chef der Regionaldirektion.

Der große Vorteil sei, dass man über die Jobcenter die Leistungsgewährung und die Jobvermittlung aus einer Hand bekomme. „Dreiviertel der geflüchteten Ukrainerinnen haben einen Hochschulabschluss – überwiegend aus dem kaufmännischen Bereich. Wir wollen versuchen, sie ausbildungsadäquat in Beschäftigung zu bringen.“ Auch wenn sich derzeit viele Unternehmen meldeten und Interesse bekundeten, Geflüchtete einzustellen, mahnt Withake zu realistischen Erwartungen: „Eine Lösung der Fachkräfteproblematik ist damit nicht zu erreichen. Zumal wir nicht wissen, wie viele Menschen am Ende auch wieder zurückkehren werden.“ Er ermutigt Unternehmen, Stellen zu melden – sich dann aber nicht einseitig auf die Ukrainer zu konzentrieren.

Die größte Hürde bei der Jobvermittlung? Die Kinderbetreuung. „Wenn die Großeltern mitgeflohen sind, können sie das zum Teil auffangen. Aber die Nachfrage nach Kita- und Ganztagsplätzen wird steigen.“ Ein weiteres Problem bleibe der knappe Wohnraum. „Wir rechnen damit, dass Köln, Düsseldorf, Duisburg, Dortmund und Essen die Hauptanlaufstellen sind, in denen die meisten Ukrainerinnen in die Betreuung der Jobcenter übergehen“, sagt Withake. Ausgerechnet dort ist aber die Wohnungssituation angespannt. „Diese Probleme können die Jobcenter nicht lösen, da sind weiter die Kommunen gefragt, die schon seit Februar engagierte gute Arbeit bei der Aufnahme und Unterbringung der Geflüchteten leisten“, so Withake. Eines ist ihm besonders wichtig: „Alle Menschen mit Fluchterfahrung erhalten die gleiche Aufmerksamkeit und Unterstützung. Es gibt in den Jobcentern kein Zwei-Klassen-System. Und wir werde es auch mit den Kunden, die wir jetzt schon haben, gut austarieren.“

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