Reportage aus Berlin Trauertag für Schwarz-Gelb

Die Parteizentralen von CDU und FDP gleichen am Wahlabend Trauerzeremonien. Das Wahldesaster in Düsseldorf ist acht Monate nach dem überraschenden Wahlsieg bei der Bundestagswahl ein herber Rückschlag. Der Anfang vom Ende von Schwarz-Gelb?

Landtagswahl 2010: Die Bilder des Abends
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"Positiv in die Zukunft" lautet die Schlagzeile der CDU-Mitgliederzeitung, die im Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses ausliegt. Es klingt an diesem Wahlabend wie Hypnose. "Schwere Wochen für Angela Merkel", wäre das treffendere Motto. So kommentiert ein früherer CDU-Bundestagsabgeordneter die Lage, als die ersten Hochrechnungen auf den Flachbildschirmen in der Berliner Parteizentrale erscheinen. CDU: 34,5 Prozent. Noch unterhalb der Negativmarke aus dem Jahr 1985. Damals hatten die Konservativen an Rhein und Ruhr gegen SPD-Landesvater Johannes Rau eine herbe Niederlage erlitten und 36,5 Prozent erzielt. Der Beginn des Mythos von der sozialdemokratischen Hochburg NRW war geboren. Die Stimmung im CDU-Parteihaus ist entsprechend mies.

"NRW wird wohl nie unser Land"

Drohen jetzt wieder 39 Jahre SPD-Herrschaft? "NRW wird wohl nie unser Land", sagt ein junger CDU-Anhänger genervt und nimmt noch einen Nachschub von der Spargelsuppe. In der CDU-Führung hatte man die Klatsche wohl geahnt. Kein namhafter Christdemokrat lässt sich blicken. Die NRW-Prominenz in Berlin, Umweltminister Norbert Röttgen (Meckenheim), Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (Weeze) und Präsidiumsmitglied Philipp Mißfelder (Recklinghausen) etwa, tauchen ab. Kanzlerin Angela Merkel ist nach ihrer Rückkehr aus Moskau gestern Nachmittag direkt ins Kanzleramt gefahren.

Die Suche nach Schuldigen bleibt also an CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hängen. Er kann nicht weichen. Um 18.30 Uhr tritt der Neusser vor die Kameras. "Schmerzhafte Verluste" gesteht er ein und nennt gleich Gründe. "Zu viel Streit auf offener Bühne". Aber vor allem auch Griechenland und die Unsicherheiten in der Bevölkerung ob der Milliardenhilfen. Die Frage, ob der wackelige Krisen-Kurs von Kanzlerin Merkel Rüttgers' Wahlkampf geschadet habe, verneint Gröhe. Derweil lässt sich CDU-Fraktionsvize Michael Fuchs in einem Interview mit der Forderung nach einem "wirtschaftsfreundlicheren" Kurs vernehmen. Das Sägen an der sozialdemokratischen CDU-Politik à la Jürgen Rüttgers hat begonnen.

An den Stehtischen schaut man ohnehin in die Nach-Rüttgers-Ära. "Der Mann ist weg", sagt einer. Die Berliner CDU-Politikerin Monika Grütters lenkt die Schuld-Frage auf die FDP und ätzt: "Wenigstens stehen die Steuersenkungen jetzt nicht mehr auf der Tagesordnung."

FDP-Parteichef Westerwelle erklärt Niederlage selbst

Das sieht zur selben Zeit die FDP in ihrer Parteizentrale in Mitte völlig anders. Natürlich sei die Regierung in Berlin nicht gestärkt, aber es gebe "keinen Anlass zu wackeln", sagt FDP-Entwicklungsminister Dirk Niebel. Die Menschen wünschten sich offensichtlich eine Regierung, die geschlossen und handlungsfähig sei, erklärt Generalsekretär Christian Lindner ein paar Meter im kleinen Kreis.

Ihm ist es an diesem Abend erspart geblieben, nach seinem ersten Wahlkampf im neuen Amt gleich die erste Niederlage als Erster erklären zu müssen. Das übernimmt der Parteichef selbst. Mit bleichem Gesicht betritt Guido Westerwelle bereits 18 Minuten nach Schließen der Wahllokale die Bühne im Thomas-Dehler-Haus und gibt die Stichworte des Abends auch für die Koalitionspartner vor. "Ein Warnschuss" sei das gewesen, auch an die Regierungsparteien in Berlin, räumt er freimütig gleich zu Beginn ein. Jetzt gehe es darum, durch "gute Arbeit" verloren gegangenes Vertrauen zurück zu gewinnen. Auch wenn die FDP geringe Zuwächse zu verzeichnen habe, sei dies natürlich "kein schöner Abend für die Liberalen".

Natürlich weiß er, dass nun die Fragen nach Personaldebatten aufkommen. Ob er mit seiner Hartz-IV-Diskussion zu dem bescheidenen Ergebnis beigetragen oder besser die Kontroverse noch weiter hätte befeuern müssen. Und er versucht bereits von der Bühne aus, allen Personalspekulationen mit einer Umarmungsstrategie vorzubeugen. Er dankt NRW-Spitzenkandidat Andreas Pinkwart und versichert ihm: "Man gewinnt Wahlen zusammen und man verfehlt Wahlziele zusammen."

"Erst einmal eine Nacht drüber schlafen"

Die Vorstandsmitglieder schwärmen aus. Gemeinsam ist ihnen die Enttäuschung über das jähe Ende von Schwarz-Gelb. Diese Regierung habe NRW gut getan. Das Land werde nun "geordnet" übergeben. Jetzt kämen die Grünen wohl wieder ans Ruder, und das bedeute, das Bundesmittel wieder nicht abgerufen würden, um schöne Ortsumgehungen zu bauen, befürchtet Parlamentsgeschäftsführer Jörg van Essen. Seine Empfehlung für alle Konsequenzen: "Erst mal eine Nacht drüber schlafen."

Aber es stellen sich im Thomas-Dehler-Haus auch am Abend schon Fragen nach dem CDU-Wahlkampf, aus dem nun die CDU-Chefin lernen müsse. Die "asymmetrische Demobilisierung" habe sich als riskant herausgestellt, also der Verzicht auf zentrale, kontroverse Themen, womit man die eigenen Anhänger nicht ganz mobilisiert bekomme, die anderen ihre Anhänger aber noch weniger.

Was nach großen Koalitionen klappe, könne als Strategie für Frontstellungen genau falsch sein. Und es macht in der Parteizentrale ein sarkastischer Satz die Runde. Das Wahlergebnis für die FDP sei so wie ihr zentraler Slogan bei der Bundestagswahl: Einfach, niedrig und gerecht.

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