Grünen-Landeschef Tim Achtermeyer zu AfD-Wählern „Ihr habt euch verrannt, bitte kehrt um“

Interview | Düsseldorf · Der Landesparteivorsitzende der Grünen in NRW sagt: Nicht später, sondern jetzt brauche es eine Debatte über ein Partei-Verbotsverfahren gegen die AfD. Warum er dafür ist, das „schärfste Schwert“ zu ziehen, wenn es Erfolg verspreche.

Tim Achtermeyer, Landesparteichef der Grünen.

Foto: dpa/David Inderlied

Derzeit gibt es viele Proteste unter anderem gegen die AfD. Was schlussfolgern Sie daraus?

Achtermeyer Die Menschen gehen gegen die AfD auf die Straße, weil es dringend notwendig ist. Laut Umfragen gibt es derzeit in Teilen Deutschlands mehr als 30 Prozent Zuspruch für die AfD in Landesparlamenten. Diese Partei hält damit ein enormes Potenzial in der Hand, unsere Demokratie zu sabotieren, und wir dürfen keinen Zweifel haben, dass sie es nutzen wird. Deswegen sind wir gefordert, alle Mittel zu ergreifen, die erfolgversprechend sind, um unsere freiheitlich demokratische Grundordnung zu verteidigen.

Das heißt, Sie wollen ein Verbotsverfahren?

Achtermeyer Wir sollten dieses schärfste Schwert ziehen, sobald es Erfolg verspricht. Zum Beispiel, wenn der Verfassungsschutz die gesamte Partei als gesichert rechtsextrem einstuft. Ob wir dann ein Verbotsverfahren einleiten, ist aber eine politische Entscheidung. Deshalb brauchen wir nicht später, sondern jetzt eine gesellschaftliche Debatte: Sollten wir eine Partei verbieten, wenn sie in Gänze als gesichert rechtsextrem gilt? Meine Antwort ist: ja. Wir müssen aufhören, darüber zu reden, welche Instrumente wir nicht nutzen sollten. Wir müssen entscheiden, wann wir welche Instrumente nutzen werden.

Politische Einstellungen verschwinden aber nicht, indem man sie verbietet.

Achtermeyer Das behauptet auch niemand. Das müssen wir auch zivilgesellschaftlich angehen, die Demonstrationen auf den Straßen tragen dazu ihren großartigen Teil bei. Den Menschen, die aus Protest die AfD wählen, müssen wir zurufen: Ihr habt euch verrannt. Bitte kehrt um. Kritik an konkreter Politik rechtfertigt nie die Wahl einer Nazi-Partei. Gleichzeitig müssen wir handeln, wenn die Demokratie bedroht wird. Ein Parteiverbot ist ein Instrument, das uns das Grundgesetz dafür an die Hand gibt. Wir müssen wehrhaft sein. Das ist ein Auftrag der Verfassung an jeden Demokraten.

Ein Verbotsverfahren würde Jahre dauern, und derweil würden andere rechte Strukturen aufgebaut, oder nicht?

Achtermeyer Das kann sein, muss aber nicht so kommen. Und es ist für mich kein Argument, als Demokratie keine Grenzen zu setzen. Denn nur mit klaren Grenzen können wir unsere Demokratie schützen.

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang das Verfassungsurteil, das der Partei „Die Heimat“, ehemals NPD, die staatliche Finanzierung entzieht?

Achtermeyer Das Urteil zeigt, dass die Demokratie wehrhaft ist. Das ist erstmal ein sehr gutes Signal. Zur AfD: Der Finanzierungsausschluss wäre eine Option, doch dafür müsste das Verfassungsgericht, genau wie bei einem Verbot, auch erstmal feststellen, dass die AfD verfassungsfeindlich ist. Und trotzdem könnte die AfD dann weiter an Wahlen teilnehmen.