Landtag streitet über Thyssenkrupp Von Grillhähnchen, Aufsichtsratspöstchen und Sonntagspredigten
Düsseldorf · Koalition und Opposition liefern sich einen hoch emotionalen Schlagabtausch zur Krise beim angeschlagenen Stahlriesen. Vor allem die Frage nach einem Aufsichtsratsposten im Gegenzug für die Rekordförderung erhitzt die Gemüter.
Auch zwei Wochen nach dem turbulenten Rauswurf mehrerer Vorstände und dem Abgang von Aufsichtsratsmitgliedern bei der Stahlsparte von Thyssenkrupp kochen weiter die Emotionen hoch. Am Donnerstagmorgen debattierte der Düsseldorfer Landtag bei einer aktuellen Stunde über die Konsequenzen aus dem Streit zwischen Konzernchef Miguel Lopez und der Stahl-Belegschaft.
SPD-Fraktionsvize Alexander Vogt arbeitete sich erst einmal an NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) ab. Vielsagend sei ja, dass Laumann zu einer symbolisch auf fünf vor zwölf angesetzten Protestkundgebung in Duisburg erst einmal zu spät erschienen sei und dann außer ein paar Grillhähnchen keine Zusagen oder Hilfen für die Beschäftigten dabeigehabt habe, woraufhin ihm der arbeitspolitische Sprecher der CDU, Marco Schmitz entgegnete: „Besser der Onkel, der was mitbringt, als die Tante, die nur Klavier spielt.“ Sozialdemokrat Vogt verlangte in seinem Redebeitrag neben einem Sitz im Aufsichtsrat für das Land einmal mehr Garantien für die Belegschaft.
Als Klamaukdebatte wies das der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Untrieser, zurück. Weder bei Salzgitter oder Saarstahl noch bei ArcelorMittal, allesamt in SPD-regierten Ländern beheimatet, gebe es entsprechende Beschäftigungs- oder Standortgarantien. CDU-Fraktionsvize Jan Heinisch karikierte die SPD-Forderung nach mehr Mitsprache der Politik. Es gehe nicht um „Pöstchen in einem Aufsichtsrat“. Der Staat setze Impulse und Rahmenbedingungen. Die Zukunft werde aber von anderen Menschen gestaltet.
Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) unterstrich ebenfalls erneut, dass das Land kein Mandat im Kontrollgremium anstreben werde. An die Adresse der SPD sagte sie, die einfache Rechnung, dass ein Sitz im Aufsichtsrat gleichbedeutend sei mit Arbeitsplatz- und Standortsicherung, gehe nicht auf. „Dass gerade nicht der richtige Zeitpunkt ist für Politikerinnen und Politiker in Aufsichtsräten in der Stahlbranche, zeigt doch Sigmar Gabriel. Der hat seinen Aufsichtsratsposten als Politiker hingeschmissen.“ Neubaur bilanzierte mit Blick auf die SPD-Forderungen: „Was Sie fordern ist eine Planwirtschaft light. Wo ist eigentlich Ihr ordnungspolitisches Gewissen geblieben? Und, liebe SPD, von mir aus können Sie uns als Landesregierung und mir als zuständiger Ministerin alles vorwerfen. Aber eins ist wirklich Bullshit: Keine Landesregierung NRW hat jemals so viel für Thyssenkrupp Stahl an Unterstützung mobilisiert, sich so eindeutig zu diesem Standort bekannt.“
Die SPD-Landesvorsitzende Sarah Philipp hielt Neubaur vor, sie habe viele Worte darüber verloren, was alles nicht gehe. Konzernchef Lopez und Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm zerstörten mit ihrem Führungsversagen und ihrer Arroganz das Vertrauen der Belegschaft. Das Management habe Milliarden eingestrichen und verkünde dann einen Kahlschlag. „Das ist und bleibt eine Riesensauerei“, sagte Philipp. Noch nie habe die Stahlsparte derart nah am Abgrund gestanden. „Wir müssen die Pumpen anwerfen. Denn der Preis, Thyssenkrupp absaufen zu lassen, wäre viel zu hoch.“ Und wenn der Staat Milliardenbeträge in ein Unternehmen stecke, müsse er eben auch eine Stimme haben. „Das ist doch gar nicht zu diskutieren.“
Kritik am Thyssenkrupp-Konzernvorstand und der Kapitalseite übte Arbeitsminister Laumann, schloss sich aber trotzdem der Haltung seiner Kabinettskollegin Neubaur an. „Was da vor 14 Tagen bei Thyssenkrupp passiert ist, lässt sich mit dem Gedanken der Sozialpartnerschaft nicht in Einklang bringen.“ Er glaube aber auch, dass die Mitbestimmung die einzige Möglichkeit sei, um die anstehenden schwierigen Entscheidungen so zu gestalten, dass sie auch breit getragen würden. Er sei der festen Überzeugung, dass auch die Kapitalseite sehen müsse, dass sie die Probleme nur sozialpartnerschaftlich lösen könne. „Es gibt kaum ein Unternehmen, dass eine so starke rechtlich verankerte Mitbestimmung hat wie Thyssenkrupp.“ Und natürlich werde man den Prozess auch politisch begleiten.
André Stinka (SPD) warf ihm daraufhin vor, salbungsvolle Worte wie in einer Sonntagspredigt zu verwenden. „Damit ist den Menschen nicht geholfen.“ Scheitere die Direktreduktionsanlage in Duisburg, dann sei das Projekt Wasserstoff in ganz NRW gescheitert.
Der AfD-Politiker Christian Loosen arbeitete sich einmal mehr an den schlechten Rahmenbedingungen für die Industrie insgesamt ab. „Die Planwirtschaft von Habeck und Wüst beschleunigt den Mord an unserer Industrie“, sagte er mit Blick auf Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). CDU-Fraktionsvize Heinisch warf Loosen deshalb auch Rückwärtsgewandtheit vor: „Sie versuchen, sich am Lagerfeuer von gestern zu wärmen, greifen immer hinter sich, schmeißen den nächsten Scheit ins Feuer und merken nicht, wie es brennt und das Brennholz hinter Ihnen schwindet.“