Grüne strafen Spitzenkandidatin ab Löhrmanns Schlingerkurs beim Turbo-Abi sorgt für Unmut

"" · Grünen-Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann schrammt beim Landesparteitag der Grünen nur knapp am Eklat vorbei: Mit 80,6 Prozent wählten die knapp 270 Delegierten sie zwar erneut auf den ersten Listenplatz. Aber Löhrmanns Wahlergebnis ist denkbar blamabel.

 Sylvia Löhrmann auf dem Parteitag der NRW-Grünen.

Sylvia Löhrmann auf dem Parteitag der NRW-Grünen.

Foto: dpa, rwe sab

Mit 80,6 Prozent wählten die knapp 270 Delegierten sie zwar erneut auf den ersten Listenplatz. Zum Vergleich: Bei der Listenaufstellung für die Landtagswahl 2012 bekam Löhrmann noch 98,5 Prozent der Stimmen, CDU-Chef Laschet wurde vor wenigen Wochen in Aachen mit demonstrativen 93,4 Prozent im Amt des Landesparteichefs bestätigt und FDP-Chef Christian Lindner sogar mit 98 Prozent. Der Schlingerkurs Löhrmanns als NRW-Schulministerin beim Turbo-Abi sorgt an der Basis erkennbar für Unmut.

Viele Delegierte sind es offenbar leid, in ihren Kreis- und Ortsverbänden den aufgebrachten Eltern ständig neu erklären zu müssen, welche Schulpolitik Löhrmann nun eigentlich will. Nach der Einführung des Abiturs nach acht Schuljahren als Regelfall und den anfangs von Löhrmann unterschätzten Protesten dagegen redet sie seit einigen Tagen nun plötzlich einer "individualisierten Schulzeit” das Wort, bei der die Lerndauer für jedes Kind einzeln festgelegt werden soll. Ihr Abstimmungsergebnis in Oberhausen dokumentiert: Löhrmanns Versuch, in der G8-Debatte wieder in die Initiative zu kommen, ist wohl selbst den Grünen zu ungenau buchstabiert.

Fehlender Glaube an eigene Idee?

Bei ihrer Rede auf dem Landesparteitag hatte man den Eindruck, dass Löhrmann selbst nicht an die Durchschlagskraft ihrer neuen Idee glaubt. Obwohl die Rot-Grüne Landesregierung seit Tagen mit keinem Thema mehr Schlagzeilen macht als mit ihrer Schulpolitik, beschränkte Löhrmann sich bei diesem Thema fast nur auf das Aufzählen ihrer politischen Erfolge: Eine Erhöhung des Schuletats um drei Milliarden Euro plus weitere zwei Milliarde für die Sanierung maroder Gebäude etwa oder die Etablierung der Ganztagsschule. "Und wir werden auch die individuelle Lernzeit für jedes Kind mehrheitsfähig machen” - was genau sie darunter versteht, verriet Löhrmann auch ihren Parteifreunden beim Landesparteitag nicht.

Bemerkenswert waren allerdings die zahlreichen Spitzen gegen den sozialdemokratischen Koalitionspartner, mit denen Löhrmann ihre Rede gespickt hatte. Insbesondere mit NRW-Bauminister Michael Groschek (SPD) wurde von Löhrmann scharf attackiert. Angesichts der zahlreichen Bürgerinitativen, die in NRW immer mehr wichtige Bauvorhaben kippen oder verzögern, warnte Groschek kürzlich vor den Gefahren einer "druchgrünten Gesellschaft". Löhrmann dazu: "Basta-Politik ist in Wahrheit Verhinderungspolitik. Wer das nach dem Metrorapid-Desaster von Herrn Clement nicht gelerntz hat, dem ist nicht zu helfen, lieber Mike Groschek." Bürgerbeteilung sei "nicht durchgrünt - das ist Demokratie", schrieb Löhrmann ihrem Kabinettskollegen ins Stammbuch.

NRW-Umweltminister Johannes Remmel, der in dieselbe Kerbe schlug, wurde in Oberhausen mit überraschend guten 89,51 Prozent auf Listenplatz zwei gewählt. Knapp zwei Prozent mehr als 2012. Überraschend ist das aus Sicht diverser Partei-Insider deshalb, weil die wichtigsten von Remmels ambitionierten Umweltschutz-Versprechen im Alltag der rot-grünen Koalition zerrieben wurden. Das NRW-Klimaschutzgesetz zum Beispiel, das ein grüner Leuchtturm werden sollte, und aus dem ein zahnloser Papiertieger wurde.

Starkes Ergebnis für Düker

Die Skepsis, mit der die Parteibasis die Arbeit von Grünen-Fraktionschef Mehrdas Mostofizadeh im Landtag von Anfang an begleitet hat, wurde auch beim Parteitag sichtbar. Mostofizadeh, der sich Anfang 2015 in einer überfallartigen Kampfabstimmung sehr knapp gegen die Favoritin Monika Düker als neuer Fraktionschef durchsetzte, wurde gestern nur mit 81,7 Prozent auf Listenplatz vier gewählt. Das ist zwar etwas mehr Rückhalt als Mostofizadeh (79,7 Prozent), aber relativ wenig für jemanden, der zum Spitzenpersonal einer Landespartei gehört. Monika Düker fuhr mit über 90 Prozent eines der besten Ergebnisse des Landesparteitags ein.

(tor)
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