Aufarbeitung der Flutkatastrophe „Ausschuss darf nicht zum Schlachtfeld werden“

Interview | Düsseldorf · Der SPD-Innenexperte Sven Wolf übernimmt den Vorsitz im Untersuchungsausschuss zur Hochwasserkatastrophe. Im Interview verrät er, was er am Tag der Flut erlebte, welche Rolle „Mallorca-Gate“ in den kommenden Monaten spielen könnte und welche prominenten Zeugen noch einmal gehört werden könnten.

Für den Innenexperten der SPD-Landtagsfraktion, Sven Wolf, hier im Plenum, ist es bereits der vierte Vorsitz eines Untersuchungsausschusses.

Für den Innenexperten der SPD-Landtagsfraktion, Sven Wolf, hier im Plenum, ist es bereits der vierte Vorsitz eines Untersuchungsausschusses.

Foto: picture alliance / SvenSimon/Malte Ossowski/SVEN SIMON

Herr Wolf, waren Sie selbst vom Sturm „Bernd“ im Juli 2021 betroffen?

Wolf Ich stamme ja aus dem Bergischen Land, aus der Region Remscheid/Radevormwald. Auch bei uns war das Unwetter sehr stark zu spüren. Ich war an dem Tag in der Region unterwegs und habe gesehen, wie unfassbar stark Morsbach und Eschbach über die Ufer getreten sind. Im Vergleich zur Eifel und zum Ahrtal sind wir glimpflich davongekommen, haben keine Todesopfer zu beklagen. Doch auch bei uns gab es schwere Schäden. Die Aufräumarbeiten laufen teilweise immer noch. Das zerrt sehr stark an den Betroffenen. Man merkt sehr, wie tief der Schmerz bei ihnen sitzt. Diese Menschen erwarten von uns zu Recht Antworten darauf, wieso die Behörden sie nicht besser vorgewarnt haben.

Die SPD hat sich zu Beginn der neuen Legislaturperiode allerdings schwer damit getan, den Untersuchungsausschuss fortzuführen. Man hatte den Eindruck, alles sei schon gesagt, aber noch nicht von jedem. Dann gab es eine Kehrtwende. Wieso?

Wolf Da hat tatsächlich bei uns ein Umdenkprozess stattgefunden. Wir haben uns nach Gesprächen in der Fraktion, aber auch innerhalb der Opposition davon überzeugen lassen, dass mit dem Zwischenbericht noch kein würdiger Abschluss gefunden worden ist. Das ist ein dickes Dokument, das jedoch keinerlei Bewertung enthält, aus der sich Schlüsse für die Zukunft ziehen lassen. Natürlich hat der vorangegangene Pua schon sehr fleißig und akribisch herausgearbeitet, wie das Warnsystem, aber auch das Krisenmanagement gearbeitet haben und wo die Schwachstellen lagen. Das müssen wir jetzt aber alles geschickt zusammenführen und dann einen echten Abschlussbericht vorlegen.

Die Auseinandersetzung im letzten Pua wurden recht scharf geführt. Das dürfte dem Landtagswahlkampf geschuldet sein. Erwarten Sie, dass es jetzt sachlicher zugeht?

Wolf Das ist ja kein Phänomen, dass der Pua Flut exklusiv hatte. Ich war Vorsitzender im Pua zum Fall Amri, das war ebenfalls hochpolitisch und emotional aufgeladen. Auch der Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen in der Silvesternacht in Köln unter der Leitung von Peter Biesenbach (CDU) fand kurz vor einer Wahl statt. Entsprechend kochte auch dort die Stimmung regelmäßig hoch. Ein Untersuchungsausschuss ist ein sehr starkes Instrument des Parlamentes. Es ist klug, dass es diese Möglichkeit gibt. Aber ich werde schon Wert darauf legen, dass der Pua nicht zu einem politischen Schlachtfeld ausartet. Im Mittelpunkt sollten die Aufklärung und ein echter Erkenntnisgewinn stehen.

Was können Sie als Vorsitzender dafür tun, dass es nicht wieder zu nächtelang Sitzungen kommt?

Wolf Ich bringe da viel Erfahrung mit. Das ist mittlerweile der vierte Untersuchungsausschuss, den ich leiten darf. Man kann ansetzen über die Verfahrensregeln. Bislang haben die Fraktionen ja jeweils reihum drei Fragen an die Zeugen richten können. Das hat die Diskussion teils zerfasern lassen. Ich könnte mir vorstellen, dass ich stattdessen klar definierte Zeitfenster an die Fraktionen vergeben werde. Dann haben die Abgeordneten auch mehr Ruhe einzelne Zeugen am Stück zu befragen. Ich bin auch in einer Verantwortung gegenüber den Abgeordneten, deren Referenten und den Mitarbeitern der Landtagsverwaltung sowie den Zeugen. Es darf nicht sein, dass wir 14 bis 16 Stunden am Stück tagen. Dann doch lieber mehrere Einzelsitzungen über Tage verteilt.

Ihr Fraktionsvorsitzender Thomas Kutschaty hat schon die Erwartung geäußert, dass sie in einem guten Jahr fertig sein müssen. Setzt Sie das nicht unter enormen Druck?

Wolf Ich finde es grundsätzlich begrüßenswert, dass wir motiviert werden, diesen Pua nicht zu unserer einzigen Lebensaufgabe zu machen. Wir sollten zügig und konzentriert zu Ergebnissen kommen. Ich halte diesen Zeitansatz für realistisch. Auch die Menschen in den betroffenen Gebieten erwarten von uns zu Recht, dass wir die Arbeit nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag hinziehen.

Sie haben bereits einmal getagt. Wie ging es dabei zu?

Wolf Wir waren nach zehn Minuten fertig. Danach kam der Obmann der FDP, Werner Pfeil, auf mich zu und sagte: „Wir haben jetzt schon drei Tagesordnungspunkte abgehandelt und uns noch kein einziges Mal gestritten.“

In der Vergangenheit hat der Ausschuss auch mehrmals die Flutgebiete besucht. Halten Sie das für erneut erforderlich?

Wolf Die Entscheidung darüber müssen die Ausschussmitglieder treffen. Ich halte das aber für angezeigt, auch als Symbol für die Menschen vor Ort. Wir sollten uns noch mal einzelne Orte anschauen und den Fragen nachgehen, wie die Aufräumarbeiten gelaufen sind und was sich beim Hochwasserschutz geändert hat. Sie müssen zudem bedenken, dass auch neue Kollegen mit dabei sind. Solche Ortstermine sind besonders für sie hilfreich.

In der zurückliegenden Legislaturperiode gab es Streit mit der Landesregierung über unvollständige Akten-Lieferungen. Sind Sie zuversichtlich, dass Ihnen nun alle Akten vorliegen?

Wolf Wir haben ja mit einem ersten Beweisbeschluss erreicht, dass wir alle Dokumente der alten Legislaturperiode weiterverwenden dürfen. Mein Eindruck ist, dass diesbezüglich auch keine Widerstände aus den Ministerien kommen. Das macht mich optimistisch, dass grundsätzlich jedem in diesem Prozess klar ist, dass der Ausschuss nur auf Grundlage vollständiger Akten ordentlich arbeiten kann.

Großen Raum nahm beim letzten Untersuchungsausschuss „Mallorca-Gate“ ein. Glauben Sie, dass das Thema noch mal auf den Tisch kommt?

Wolf Dass das Thema so breiten Raum eingenommen hat, war verständlich. Viele Menschen standen in den Flutgebieten noch bis zur Hüfte im Schlamm, als ein Großteil des Kabinetts meinte, auf Mallorca Geburtstag feiern zu müssen. Dass so ein Vorgang sauber aufgearbeitet werden muss, liegt doch auf der Hand. Ob der Ausschuss das noch einmal vertiefen will, muss er selbst entscheiden. Ich kann nicht ausschließen, dass das nochmal Thema wird.

Können Sie schon absehen, ob prominente Zeugen der Landesregierung noch einmal vorgeladen werden?

Wolf Das lässt sich schwer vorhersagen. Denn auch das liegt in der Entscheidungshoheit der Ausschussmitglieder. Ich könnte mir aber vorstellen, dass wir noch einmal den Innenminister und die frühere Umweltministerin zu ihren vorgelegten 10- beziehungsweise 15-Punkte-Plänen anhören werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort