Flutkatastrophe 2021 Streit um Warnungen für Kiesgrube Blessem

Düsseldorf · Während das Ministerium dementiert, dass die Behörden im Vorfeld gewarnt waren, gibt es neu Fragen zu einem Gutachter. Dessen Büro soll selbst bei der Erstellung des Hochwasserschutzes beteiligt gewesen sein.

Erftstadt nach der Flutkatastrophe:  Leben an der Abbruchkante
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Leben an der Abbruchkante - Erftstadt nach der Flutkatastrophe

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Foto: dpa/Rhein-Erft-Kreis

Das NRW-Wirtschaftsministerium hat Vorwürfe zurückgewiesen, die Behörden seien frühzeitig über einen unzureichenden Hochwasserschutz am Kiestagebau in Erftstadt Blessem hingewiesen worden. In dem Fall ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft Köln.

Zuvor hatte der WDR über ein Schreiben des Geologischen Dienstes NRW an die Bergbehörde bei der Bezirksregierung Arnsberg aus dem Februar 2021 berichtet, in dem es hieß, es bestünden „starke Bedenken gegen die Standsicherheit des mit Datum 21. Januar 1998 planfestgestellten Aufbaus des Böschungssystems“. Die Standsicherheit sei durch keins der bisher eingereichten Gutachten nachgewiesen wirden. Vielmehr seien alle Gutachten lücken- beziehungsweise fehlerhaft, schrieben die Fachleute.

Minister Andreas Pinkwart (FDP) hatte am Vormittag bei seiner Zeugenvernehmung im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (Pua) erklärt, aus dem Schreiben gehe nicht eindeutig hervor, ob es sich dabei um Einschätzungen zu dem betroffenen Böschungsbereich im Süden handele. „Das müsste weiter geprüft werden“, so der Minister. Am Nachmittag erklärte sein Haus dann, es gehe in besagtem Schreiben nicht um die bestehende, sondern geplante Böschungen am Rande des Tagebaus, die jedoch erst nach dem Auslaufen des Kiesabbaus im Jahr 2038 und dem darauf folgenden Anstieg des Grundwassers bis zum Vollaufen zu einem Restsee „vermutlich um 2080“ von Bedeutung seien.

Flutkatastrophe in NRW: So sieht es in den Orten einen Monat danach aus
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So sieht es einen Monat nach der Flutkatastrophe in NRW aus

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Foto: dpa/Roberto Pfeil

Ausräumen konnte Pinkwart indes nicht die Vorwürfe der Opposition, dass er nach dem Flutereignis den Landtag in einem Bericht zunächst nur selektiv über mögliche Mängel am Hochwasserschutz in Blessem informiert hatte. So geht aus einer Vorlage seines des zuständigen Referatsleiters vom 24. August hervor, dass es Zweifel gab, „ob die Hochwasserschutzeinrichtung den Anforderungen entsprach“.  Pinkwart argumentierte damit, aus seiner Sicht habe es sich nicht um gesicherte Erkenntnisse gehandelt, deshalb seien sie nicht in den Bericht an den Bergbauausschuss des Landtags aufgenommen worden.

„Da hat jemand Nachrichten gefiltert und nur die, die ihm angenehm waren dem Landtag zur Verfügung gestellt“, sagte der SPD-Obmann im Pua Flut, Stefan Kämmerling. Auch der Obmann der Grünen, Johannes Remmel, kritisierte: „Er hat nicht viel vollständige Wahrheit gesagt. Sein Haus hat entschieden, was weggelassen wird.“

Neue Fragen wirft zudem ein interner Vermerk der Stadt Erfstadt an dem von der Bezirksregierung selbst in Auftrag gegebenen Gutachten zur Aufarbeitung der Havarie auf. „In diesem Zusammenhang wird es auch für notwendig erachtet, die Neutralität des von der Bezirksregierung Arnsberg eingesetzten Gutachters zu hinterfragen“, heißt es in dem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt. Der Gutachter sei Miteigentümer des Büros gewesen, das im Jahr 2015 beauftragt war, für den Kiesgrubenbetreiber die Hochwasserschutzplanungen zu entwickeln und das Verfahren zu begleiten, heißt es dort.

 Die Überschwemmungen in Erftstadt-Blessem.

Die Überschwemmungen in Erftstadt-Blessem.

Foto: dpa/Rhein-Erft-Kreis

Auch wenn der Gutachter versichere, zu keinem Zeitpunkt in das operative Geschäft eingebunden gewesen zu sein, so bleibe die Bestellung letztendlich doch fragwürdig, schreibt die Stadt. „Dies erscheint insbesondere auch vor dem Hintergrund bedenklich zu ein, als die Bezirksregierung Arnsberg der maßgebliche Auftraggeber für das Büro (...) ist.“

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