NRW-Landestagung in Mönchengladbach Stoiber bei Junger Union umjubelt

Mönchengladbach · Edmund Stoiber ließ die CDU-Jugend auf sich warten. Doch nachdem der Gastredner aus Bayern mit 20-minütiger Verspätung beim NRW-Treffen der Jungen Union (JU) in der Stadthalle in Mönchengladbach-Rheydt eingetroffen war, brachte er seine Zuhörer rasch in Fahrt. Seine gut anderthalbstündige, leidenschaftliche Rede mit einem klaren Bekenntnis zu Europa wurde immer wieder mit prasselndem Beifall bedacht.

 90 Minuten redete der ehemalige Vorsitzende der CSU bei dem Treffen der Jungen Union.

90 Minuten redete der ehemalige Vorsitzende der CSU bei dem Treffen der Jungen Union.

Foto: dapd, Hermann J. Knippertz

Der 70-jährige Ehrenvorsitzende der CSU, der von 1993 bis 2007 bayerischer Ministerpräsident war, knöpfte sich - mit Blick auf die morgige Volksabstimmung in Baden-Württemberg über das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 - sogleich die "Wutbürger" vor. Aus eigener Erfahrung in Bayern wisse er, dass es sich "zu einem großen Teil um Egoisten handelt, die nichts verändern, sondern ihre Ruhe haben wollen". Eine solche Haltung, so schärfte Stoiber den gut 200 JU-Teilnehmern ein, dürfe "niemals die Mentalität Deutschlands werden".

Stoiber, der eine EU-Arbeitsgruppe zur Entbürokratisierung leitet, rief in Erinnerung, dass er seinerzeit der einzige Ministerpräsident gewesen sei, der den Beitritt Griechenlands in die Euro-Gemeinschaft abgelehnt habe. Der damalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder, sein grüner Außenminister Joschka Fischer und Finanzminister Hans Eichel (SPD) hätten sich jedoch durchgesetzt. Es sei übrigens derselbe Eichel, der jetzt wegen einer höheren Pension klage.

"Wir brauchen Europa"

Doch der Blick müsse sich jetzt nach vorn richten. "Wir brauchen Europa", betonte der Bayer. Für Unionspolitiker wie Franz-Josef Strauß und Helmut Kohl sei Europa die logische Konsequenz aus zwei Weltkriegen und mit der Hoffnung auf dauerhaften Frieden verbunden gewesen. Heute jedoch, da der Frieden in Europa selbstverständlich geworden sei, bedürfe es zusätzlicher Argumente, um der Europamündigkeit der Menschen entgegenzuwirken.

Als Beispiele nannte Stoiber den Klimaschutz und die Herausforderungen der Globalisierung, die nur gemeinsam gemeistert werden könnten. Europa habe - nicht zuletzt aufgrund der demografischen Entwicklung - weltweit an Bedeutung verloren. Nur gemeinsam würden sich seine Mitgliedsstaaten in einer Welt behaupten können, in der zunehmend asiatische Mächte wie China und Indien das (wirtschaftliche) Sagen bekämen.

Er selbst, so Stoiber, habe sich furchtbar darüber aufgeregt, als ihm ein ranghoher chinesischer Politiker vorgehalten habe, die westlichen Demokratien produzierten doch nur Schulden. "Aber", so fuhr der CSU-Politiker fort," ein Fünkchen Wahrheit ist ja daran." Und damit war Stoiber bei dem Thema, das, wie er sagte, die Menschen derzeit am meisten berührt: Wie geht es mit dem Euro weiter. Sein Fazit: "Es gibt keine Alternative zu einem ausgeglichenen Haushalt."

Kritik an Schuldenpolitik

Er vernehme zwar die guten Ratschläge der SPD-Politiker Helmut Schmidt und Peer Steinbrück, doch beide hätten sie, als sie noch Regierungsverantwortung besaßen, die Schulden in die Höhe getrieben. Allerdings gelte dies auch für die Union, räumte Stoiber ein, um sofort daran zu erinnern, dass er als bayerischer Regierungschef binnen acht Jahren einen ausgeglichenen Haushalt habe präsentieren können. "Das war nicht leicht", sagte er; vor der Staatskanzlei in München habe es damals massenhaft Demonstrationen gegeben.

Leider habe er bislang noch keine Demonstration gegen die verantwortungslose Schuldenpolitik erlebt, wobei Düsseldorf ein geeigneter Standort wäre. Auch im kommenden Jahr wolle NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) vier Milliarden Euro neue Schulden machen und meine, dies auch begründen zu könne. "Frau Kraft redet genauso daher wie Papandreou", rief Stoiber zum Gaudi seiner Zuhörer.

Der Attacke gegen den zurückgetretenen griechischen Ministerpräsidenten folgte eine weitere gegen den ebenfalls zurückgetretenen italienischen Regierungschef Berlusconi. Es sei Wahnsinn, dass sich "dieser Bunga-Bunga-Ministerpräsident" in einem kulturell so hoch entwickelten Land wie Italien derart lange habe halten können. Er verstehe sehr gut, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel es vermieden habe, sich mit ihm fotografieren zu lassen.

Lob für Angela Merkel

Überhaupt die Kanzlerin. Stoiber zollte ihr großes Lob für ihre Standhaftigkeit im europäischen Schuldenstreit. Zu Recht lehne Merkel Eurobonds ab, weil diese die Sparbemühungen in anderen Staaten bremsen und die Belastungen für Deutschland heraufschrauben würden. Auch die große Mehrheit der Deutschen lehnen einen solchen Weg ab. Dennoch wollten SPD und Grüne "gegen die deutschen Interessen Eurobonds einführen".

Auch dürfe es nicht so weit kommen, dass die Europäische Zentralbank mit dem Aufkauf von Ramschanleihen die Inflation in die Höhe treibt. Stoiber: "Merkel steht hier wie ein Fels in der Brandung." Der einzige Ausweg aus der Krise sei eine Fiskalunion der europäischen Staaten. Dazu müsse der Lissabon-Vertrag entsprechend geändert werden. "Wir brauchen mehr Europa", rief Stoiber; Europa sei "unverzichtbar".

Dass im Lauf seiner mit viel Verve vorgetragenen Rede ein Wasserglas vom Rednerpult fiel und später auch die Wasserflasche auslief, nahmen seine faszinierten Zuhörer ebenso schmunzelnd zur Kenntnis wie die wiederholte Ankündigung von Stoiber, er wolle "nur noch eine Bemerkung zum Schluss" machen. Nach 90 Minuten hielt es die jungen Leute nicht mehr auf ihren Stühlen. Stoiber, von JU-Landeschef Sven Volmering als "einer der großen Konservativen" begrüßt, hatte sich in die Herzen des Parteinachwuchses geredet.

(das)
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