Kampf gegen Corona Städte ringen um Ausgangssperren

Düsseldorf · In manchen Corona-Hotspots in NRW gibt es nächtliche Ausgangssperren, in anderen nicht. Die Zurückhaltung hat auch damit zu tun, dass die Kontrolle der strengen Regeln schwierig ist.

 Polizeikontrolle zu Ausgangsbeschränkungen – wie hier in Stuttgart.

Polizeikontrolle zu Ausgangsbeschränkungen – wie hier in Stuttgart.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Nicht alle Städte in Nordrhein-Westfalen, die stark von der Pandemie betroffen sind, halten Ausgangssperren für sinnvoll. „Wir versprechen uns davon keine zusätzliche positive Wirkung“, sagte eine Sprecherin der Stadt Bonn. Die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche lag dort am Mittwoch bei 214,5, während der Landesschnitt mit 172,5 deutlich niedriger war. Unter anderem habe ein Ausbruch in einer Flüchtlingsunterkunft die Zahlen in die Höhe getrieben, sagte die Sprecherin in Bonn. „Wir testen aber auch viel mehr als im Frühjahr, also gibt es auch mehr positive Testergebnisse“, fügte sie hinzu.

Auch in Duisburg (Inzidenz 214) gilt noch keine Ausgangssperre. „Es ist eine mögliche Maßnahme, die vielleicht noch ins Spiel kommt, im Moment aber noch nicht“, sagte ein Sprecher der Stadt.

Bund und Länder haben sich darauf verständigt, dass in Hotspot-Regionen mit einer Inzidenz über 200 besonders scharfe Corona-Maßnahmen möglich sind – darunter Ausgangssperren. 16 der 53 Kreise und kreisfreien Städte des Landes lagen am Mittwoch laut Landeszentrum für Gesundheit über dieser Schwelle.

Verhängt eine Stadt oder ein Kreis eine Ausgangssperre, darf die eigene Wohnung in einem vorgegebenen Zeitraum nur mit triftigem Grund verlassen werden – etwa wenn der Hund rausmuss oder die Spätschicht ansteht. Doch die Definition eines zwingenden Grundes fällt sehr individuell aus. „Wir werden gefragt, ob man morgens um fünf joggen oder nach 22 Uhr noch umziehen kann“, sagte eine Sprecherin des Kreises Lippe. Dort lag der Inzidenz­wert am Mittwoch mit 297 landesweit am höchsten; zwischen 22 und 6 Uhr gilt die Ausgangssperre.

In Nordrhein-Westfalen gibt es keine landesweiten Ausgangsbeschränkungen wie etwa in Bayern. Hotspots mit einer Inzidenz von mehr als 200 können sie in Abstimmung mit dem Land anordnen. Ausgangssperren gibt es nach Angaben des NRW-Gesundheitsministeriums außer in den Kreisen Düren und Lippe in Solingen und in einzelnen Gemeinden des Kreises Minden-Lübbecke.

Der Städte- und Gemeindebund NRW versteht die Zurückhaltung. „Eine Ausgangssperre ist für viele das letzte Mittel, weil sie ein erheblicher Eingriff in die Grundrechte ist und das Ganze kontrolliert werden muss“, sagte ein Sprecher. Das sieht Mehrdad Mostofizadeh, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, genauso. Wichtiger sei eine Hotspot-Strategie für die Städte mit Inzidenzen über 200 mit klaren Maßnahmen. „Bislang verweigert sich die Landesregierung einer solchen Strategie und wälzt damit die Verantwortung auf die Kommunen ab“, kritisierte er. Konkret nannte Mostofizadeh die Durchsetzung von Abstandsregeln im öffentlichen Raum und den Schutz gefährdeter Gruppen in Pflegeheimen oder häuslicher Pflege. „Dafür muss sichergestellt werden, dass die Tests in den Einrichtungen durchgeführt sowie Schutzmasken an die Mitarbeiter und Bewohner verteilt werden.“

SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty sagte, es gebe in den Hotspots immer noch Unbelehrbare, die nachts auf Straßen und Plätzen Alkohol tränken: „Da helfen nur noch Ausgangssperren. Leicht fällt mir das nicht.“ Aber bei 952 Toten deutschlandweit am Mittwoch – einem neuen Höchststand – sei die Zeit der Bitten und Appelle vorbei.

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