10,5 Prozent mehr Lohn NRW-Städte warnen Gewerkschaften vor Überforderung

Düsseldorf · Die Gewerkschaften pochen darauf, dass die Tarifentgelte der Staatsbediensteten im zweistelligen Prozentbereich steigen. Doch die Kommunen sind auch ohne Personalkostensteigerungen extrem klamm. Die Tarifrunde dürfte hitzig werden.

 Der Beamtenbund-Chef von NRW Roland Staude, verteidigt die Forderung von 10,5 Prozent für die Angestellten bei Bund und Kommunen.

Der Beamtenbund-Chef von NRW Roland Staude, verteidigt die Forderung von 10,5 Prozent für die Angestellten bei Bund und Kommunen.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben ablehnend auf die hohe Lohnforderung der Gewerkschaft Verdi und des Deutschen Beamtenbunds für die Tarifbeschäftigten bei Bund und Kommunen reagiert. Der Geschäftsführer des NRW-Städtetags, Helmut Dedy, forderte eine „faire Lösung“. Die Städte seien sich ihrer Verantwortung gegenüber ihren Beschäftigten bewusst, die im andauernden Krisenmodus Herausragendes leisteten. Zugleich verwies Dedy darauf, dass die Städte gleichzeitig für den Erhalt ihrer sozialen und kulturellen Einrichtungen und kommunalen Dienstleitungen, die das Leben in den Städten ausmachten, kämpften. „Die finanzielle Dimension für kommunale Lasten und steigende Energiepreise durch den Ukraine-Krieg, die Energiekrise und immer noch Corona sind bisher nicht absehbar: Aber es werden riesige Löcher in den Haushalten zu stopfen sein.“ Der kommunale Investitionsrückstand sei auf 159 Milliarden Euro angewachsen. „Deshalb ist der Handlungsspielraum für Tarifsteigerungen noch enger als sonst. Hier müssen die Tarifpartner zusammenstehen und maßvoll agieren. Zweistellige Tarifforderungen sind keine Lösung.“

Verdi und Beamtenbund hatten am Dienstag ihre Lohnforderung auf 10,5 Prozent, mindestens jedoch 500 Euro beziffert. Verhandelt wird ab Januar kommenden Jahres. Bei Bund und Kommunen gelten die Gewerkschaften als besonders schlagkräftig, weil die Bürger schnell merken, wenn im kommunalen Bereich die Belegschaften die Arbeit niederlegen.

Bernhard Langenbrinck, Hauptgeschäftsführer des Kommunalen Arbeitgeberverbands NRW, sagte unserer Redaktion: „Verständlicherweise haben die Tarifbeschäftigten Sorgen wegen der Inflation. Das haben die Kommunen aber wegen steigender Energie- und Sachkosten selbstverständlich auch.“ Man müsse zudem davon ausgehen, dass die Gewerbesteuereinnahmen rezessionsbedingt weiter sinken würden. Zugleich hätten die Städte und Gemeinden in den vergangenen Jahren immer mehr Aufgaben vom Bund und vom Land übernehmen müssen, die aber nicht auskömmlich gegenfinanziert waren. „Da fällt es dann auch schwer eine Tarifsteigerung, die in den unteren Entgeltgruppen zu Erhöhungen von 25 Prozent führen würden, nachzuvollziehen“, sagte Langenbrinck. „Ausgerechnet die Beschäftigten mit der höchsten Arbeitsplatzsicherheit stellen nun die höchste Lohnforderung, das passt einfach nicht in die Landschaft. Über alle Einkommensgruppe verteilt summiert sich die Forderung von Verdi und Beamtenbund im Übrigen nicht auf 10,5, sondern auf durchschnittlich 14 Prozent.“

Werde der Abschluss zu hoch ausfallen, würden dringend nötige Aufgaben, etwa die Finanzierung kommunaler Krankenhäuser, der riesige Investitionsbedarf beim Öffentlichen Personennahverkehr oder die Herausforderungen, vor denen die Stadtwerke und die Sparkassen stünden, schlicht nicht mehr zu bewältigen sein, warnte der Arbeitgebervertreter.

Der NRW-Landesvorsitzende des Beamtenbunds, Roland Staude, sagte unserer Redaktion, gerade in den Kommunen sind die Auswirkungen der Krise hautnah zu erleben. „Die Kollegen vor Ort leisten Übermenschliches als Krisen-Manager, insbesondere auch angesichts des dramatischen Andrangs von Flüchtenden.“ Aufgrund des Fachkräftemangels arbeiten die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes längst oberhalb der Belastungsgrenze. „Und sie leiden unter Inflation und Kostenexplosion genauso wie alle anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch“, so Staude. Die Forderung in Höhe von 10,5 Prozent sei deshalb absolut angemessen. „Da der öffentliche Dienst in vielen Bereichen auf Kante genäht ist, spielt jetzt auch die Personalbindung eine wesentliche Rolle. Ebenso geht es auch darum, dass die Attraktivität des öffentlichen Dienstes gesteigert wird. Denn letztendlich geht es darum, dauerhaft die Funktionsfähigkeit des Staates sicherzustellen“, so der NRW-Beamtenbundchef.

Christian Dahm, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, sagte,richtigerweise halte sich die Politik bei Tarifverhandlungen mit Kommentierungen zurück. „Ich gehe allerdings davon aus, dass bei den Verhandlungen auch eine Einmalzahlung zur Entlastung der Beschäftigten in der aktuellen Krise in den Focus genommen wird. Schließlich hat die Bundesregierung bereits angeboten, dass der Staat bei Zusatzzahlungen von bis zu 3000 Euro auf Steuern und Abgaben verzichtet.“ Tatsächlich ist das auch aus Sicht von Arbeitgebervertreter Langenbrinck ein gangbarer Weg: „Sollte der Bund tatsächlich seine Zusage umsetzen und würde einen Zuschuss von bis zu 3000 Euro brutto für netto zulassen, dann wäre das ein Element, auf das man aus meiner Sicht nicht verzichten sollte.“

Auch Robin Korte, kommunalpolitischer Sprecher der Grünen, sagte, die Sozialpartner stünden ohne Einmischung der Politik in der Verantwortung, eine Vereinbarung zu finden, welche einerseits die Attraktivität des öffentlichen Dienstes und andererseits die Belastbarkeit der öffentlichen Haushalte in den Blick nehme. „Klar ist aber, dass auch die kommunalen Arbeitgeber in der Lage sein müssen, attraktive Arbeitsplätze inklusive wettbewerbsfähiger Löhne und Gehälter zu finanzieren“, sagte Korte. „Auch im Hinblick auf den zunehmenden Wettbewerb um Fachkräfte bleibt die Frage einer adäquaten kommunalen Finanzausstattung daher eine gesamtstaatliche Daueraufgabe.“ Er verwies auf den den schwarz-grünen Koalitionsvertrag, in dem sich beide Parteien für die Einrichtung eines Altschuldenfonds für die Städte und Gemeinden ausgesprochen hätten. „Hier steht auch der Bund in der Pflicht, der eine Beteiligung angekündigt hat.“

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