Verfassungsfeindlicher türkischer Verein SPD-Landtagsabgeordneter besucht Veranstaltung der Grauen Wölfe in Remscheid

Remscheid · Ein verfassungsfeindlicher Remscheider Verein lädt mit drei weiteren Organisationen des türkischen nationalistischen Spektrums zum Tag der offenen Moschee - und mehrere Politiker gehen hin.

 Sven Wolf sitzt für die SPD im NRW-Landtag.

Sven Wolf sitzt für die SPD im NRW-Landtag.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Reden, Häppchen, Sekt und Selters. Nach dem Tag der deutschen Einheit im Remscheider Rathaus zogen der Landtagsabgeordnete Sven Wolf (SPD), Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz (SPD), sein Sozialdezernent Thomas Neuhaus (Grüne), die Integrationsratsvorsitzende Erden Ankay-Nachtwein (SPD), Fritz Beinersdorf (Linke) und andere weiter zum Tag der offenen Moschee. Gastgeber waren die Grauen Wölfe des Türkischen Kultur- und Sportzentrums.

Der Verein organisiert den Tag seit Jahren zusammen mit drei weiteren Gemeinden des nationalistisch-islamistischen Remscheider Milieus: Eine Moschee der von Experten ebenfalls als rechtsradikal eingestuften türkischen Dachorganisation Türkisch-Islamische Union Europa (ATIB), je eine Moschee der Milli Görüs (Nationale Sicht, IGMG) und des türkischen Dachverbandes Ditib. Die auf Facebook gezeigten Bilder zeigen das Rednerpult mit dem Schriftzug „Remscheid Ülkü Ocagi“ (Idealistenheim), dahinter steht Oberbürgermeister Mast-Weisz. Neben ihm, auf einem großen Plakatständer rechts vom Pult, prangen Moschee-Logo und Schriftzug der Türk Federasyon in Rot, Weiß, Blau. Mit dem Namen „Ülkü Ocagi“ und Türk Federasyon ordnet sich der Kultur- und Sportverein für sein türkisches Umfeld eindeutig der Grauen-Wölfe-Bewegung zu. Der Vorsitzende des Vereins, Mesut Sezen, sitzt zudem als Vertreter im Integrationsbeirat. Auch Osman Aydin, der der ATIB nahe steht. Für lokale Politiker aller Parteien und den Landtagsabgeordneten Wolf offenbar kein Problem.

Dabei hat der Verfassungsschutz die Türk Federasyon seit Jahren im Blick. Als Auslandsvereinigung der rechtsextremen türkischen Partei MHP wird sie als Kernorganisation des Ülkücü-Netzwerks in Deutschland eingestuft. Sie ist verfassungsfeindlich, bemüht nach außen rechtskonformes Verhalten, agitiert jedoch nach innen verbal und mit Gewalt vor allem gegen Kurden. So vermerkt der Verfassungsschutz für 2015 einen Solidaritätsmarsch kurdischer Jugendlicher, der von 80 Grauen Wölfen der Remscheider Ülkücü-Szene überfallen wurde.

Von dieser Szene gehe in Deutschland erhebliche Gefahr aus, erklärt Kemal Bozay, Professor an der Internationalen Hochschule Düsseldorf, der seit Jahren zum türkischen Rechtsextremismus forscht. „Auch in Nordrhein-Westfalen haben Anhänger der Grauen Wölfe Morde verübt. Sie schwören vor allem bei militärischen Angriffen der Türkei ihr Umfeld mit Helden- und Märtyrermythen auf einen Krieg ein. Ziel der Hetze sind meist Kurden“, warnt der Politikwissenschaftler.

Wolf muss sich seit seinem Auftritt einem Shitstorm und erheblicher Kritik stellen, die auch aus den eigenen Reihen kommt: Ali Dogan (SPD), Sozialdezernent der Stadt Sankt Augustin, ist empört. Er verweist auf einen Grundsatzbeschluss des SPD-Bundesvorstands zur Unvereinbarkeit von Kooperationen mit den Grauen Wölfen, zu denen nicht nur der Ülkücü-Verein, sondern auch die mitveranstaltende Moschee des ATIB zählt. „Von dem ehemaligen Leiter des NSU-Untersuchungsausschusses erwarte ich eine klare Haltung auch gegen türkische Rassisten und Antisemiten“, erklärt Dogan unserer Redaktion.

Wolf schreibt auf Facebook, er sorge dafür, dass „radikale Kräfte und Scharfmacher“ keinen Raum erhielten. Zudem hätten die betroffenen Vereine im letzten Jahr eine Deklaration unterschrieben. Zählt ein offensichtliches Lippenbekenntnis zum Grundgesetz mehr als eine bereits offiziell attestierte Verfassungsfeindlichkeit? Für Wolf, den Oberbürgermeister und seinen Sozialdezernenten offenbar schon. „Ich spreche mit allen“, sagt Mast-Weisz. Das sei seine Aufgabe.

Das Integrations-Ministerium erklärt auf mehrfaches Nachhaken zum Umgang mit türkischen, bereits als verfassungsfeindlich eingestuften Organisationen, man gebe keine Kooperationsempfehlungen, Grundlage bilde das Grundgesetz. Die Landtagsabgeordnete Berivan Aymaz (Grüne) ist empört, dass deutsche Politiker Rechtsradikale aus dem Einwanderermilieu noch immer nicht auf dem Radar haben. „Die Grauen Wölfe sind klar rechtsextrem, offen rassistisch und antisemitisch. Politiker müssen hier endlich zu einer ablehnenden Haltung finden, es kann keine Kooperationen geben“, erklärt die Politikerin.

Die Online-Aktivitäten des Türkischen Kultur- und Sportvereins bestätigen diese Einschätzungen. So veröffentlichte er schon kurz nach dem hohen Besuch in Erinnerung eines unter Grauen Wölfen verehrten „Märtyrers“: „Die Mustafas sterben, der Kampf Allahs niemals. Der Sieg ist nah auf dem Weg, der Sieg ist mit denen, die an Gott glauben.“ Und zum Angriff der türkischen Armee auf die kurdischen Gebiete Syriens teilt er auf Facebook eine Solidaritätserklärung des Dachverbandes Türk Federasyon. Sie verteidigt den Einmarsch als legitime Antiterrormaßnahme zur Sicherung der nationalen Sicherheit. Die Türkei werde die „kurdischen Brüder“ aus der Gewalt der Terrororganisation YPG befreien. „Verfechter solcher militaristischen und antidemokratischen Einstellungen können zu keinem Anlass Kooperationspartner deutscher Politik sein“, sagt Kemal Bozay.

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