Nach der NRW-Wahl SPD hofft auf die FDP

Auch am Tag nach dem Wahlsieg ließ SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft offen, ob sie mit der Linkspartei regieren will oder nicht. In der Bundes-SPD ist die Marschroute klar: Koalition mit Grünen und FDP versuchen, aber notfalls mit der Linken zusammen regieren.

Landtagswahl 2010: Gabriel gratuliert Kraft in Berlin
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Hannelore Kraft sieht müde aus. Montagabend um kurz vor acht ist sie seit 36 Stunden auf den Beinen — in der Nacht nach dem Wahlsieg hatte sie kein Auge zu getan. Jetzt beantwortet sie in der Düsseldorfer SPD-Zentrale die Fragen der Journalisten. Ja, die Situation sei schwierig, sagt die SPD-Spitzenkandidatin. "Aber wir stellen uns der Verantwortung." Aber wie? Nach der Sitzung des SPD-Landesvorstands heißt es lediglich, man werde mit allen Parteien Gespräche führen.

Zunächst will man mit den Grünen reden, die SPD schlägt vor, dann zunächst mit der FDP zu sprechen. Die Erklärung von FDP-Chef Guido Westerwelle, die NRW-Liberalen müssten selbst über Koalitionsfragen entscheiden, wird als Signal an die Landes-FDP gewertet, ernsthaft über eine Ampel-Koalition nachzudenken. Die Frage, mit wem man das Land regieren könne, werde "strikt nach Inhalten beantwortet", erklärt Hannelore Kraft. Die Verhandlungen seien "ergebnisoffen". Man wolle eine "tragfähige Regierung" bilden, bekräftigt die Spitzenkandidatin.

"Regierungsbildung nur mit der SPD"

Die CDU hat landesweit 6200 Stimmen mehr bekommen als die SPD. Aber beide Parteien haben 67 Mandate, liegen also gleichauf. Kraft reklamiert deshalb den Führungsanspruch. "Eine Regierungsbildung ist nur mit der SPD möglich", betont sie. "Wir wollen die Regierung bilden, Ich will Ministerpräsidentin werden." Sie sei "verwundert", dass Jürgen Rüttgers wieder "ins Spiel zurückkommen" wolle. Am Sonntag sei er ja "schon zum Duschen gegangen". Damit spielt die SPD-Frau auf die abgesagten TV-Auftritte des Noch-Ministerpräsidenten an.

Linksparteichef Wolfgang Zimmermann vernahm Montag dagegen keine Gesprächsangebote von der SPD. Bei den Sozialdemokraten tobe ein Richtungskampf, hieß es bei den Linken. Im Wahlkampf sei es Kraft gelungen, die unterschiedlichen Strömungen zu integrieren. Nun müsse sie Farbe bekennen. Anders als im Bund, wo es "Linke", "Seeheimer" und "Netzwerker" gibt, existieren in der NRW-SPD keine organisierten Flügel. Hier spielen die Regionen eine wichtigere Rolle.

Der Bezirk Niederrhein gilt als eher offen für Rot-Rot-Grün. Der Bezirk Westliches Westfalen steht traditionell für den konservativen Flügel. Ihm gehören die Gewerkschafter Norbert Römer und Guntram Schneider, DGB-Chef in NRW, an. "Die sind deshalb so skeptisch, was die Linke angeht, weil sie die Akteure schon seit Jahren kennen", sagt ein Vorstandsmitglied.

Ein Mandat fehlt zur Mehrheit

Ein Mandat fehlt SPD und Grünen zur Mehrheit im Landtag. Bei der Linkspartei sorgte kurzzeitig das Gerücht für Unruhe, ein Fraktionsmitglied plane den Übertritt zur SPD. In der bierseligen Wahlnacht war der Plan, "einen bei den Linken rauszukaufen", scherzhaft an einem Stehtisch entwickelt worden.

Im Willy-Brandt-Haus, der Parteizentrale der SPD ist die Freude am Montagfrüh groß. Im Präsidium wird Hannelore Kraft mit Applaus begrüßt. Das gab es lange nicht mehr. Parteichef Sigmar Gabriel lobt die Genossin überschwänglich, betont, dass sie alleine den Auftrag zur Regierungsbildung habe. Es sei eine Entscheidung des Landesverbands. Offiziell spricht keiner über Koalitionen. Am Rande der Sitzung wird indes deutlich, wie die Taktik der SPD aussieht. "Es gibt ein abgestuftes Verfahren", erläutert ein Spitzengenosse. Weil unter allen Umständen eine große Koalition unter Führung der CDU ("Das werden die sich nicht abverhandeln lassen") vermieden werden soll, will die SPD zunächst für die Ampel-Koalition werben.

"Kraft muss Ministerpräsidentin werden — egal wie"

Sollten die Liberalen hart bleiben, ist Rot-Rot-Grün realistisch. "Von 19 Präsidiumsmitgliedern sind mindestens 15 dafür, dass am Ende Kraft Ministerpräsidentin sein muss. Egal wie", sagt ein Mitglied des Gremiums. SPD-Chef Sigmar Gabriel ist unentschieden. In seinem Umfeld bedrängt man ihn, das Linksbündnis zuzulassen. "Die Entscheidung muss nur gut begründet werden", sagt einer. Und dass Hannelore Kraft nicht Andrea Ypsilanti sei, wisse doch jeder.

Die hessische Spitzenkandidatin hatte bei der Landtagswahl 2008 im Endspurt knapp gegen die CDU verloren und daraufhin ihr Wahlversprechen, nicht mit der Linken zu koalieren, gebrochen. Das geplante Linksbündnis scheiterte später wegen Abweichler aus den eigenen Reihen. Kraft hat die Koalition mit der Linken nie völlig ausgeschlossen. Die Unterstützung der Grünen hätte Kraft jedenfalls. Im Parteirat, dem Bundesgremium, gab es am Montagmorgen eine regelrechte Aufbruchstimmung in Richtung eines Linksbündnisses. "An uns wird der Politikwechsel in NRW nicht scheitern", so Parteichefin Claudia Roth.

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