Klassengröße sorgt für Streit im NRW-Landtag „Das ist eine Schande für unsere Bildungspolitik“
Düsseldorf · Die Grundschulklassen in NRW sind die größten in ganz Deutschland. Das hat eine Grundsatzdebatte über die Schulpolitik im Land ausgelöst. Ministerin Feller verteidigt ihr Handlungskonzept für mehr Lehrkräfte. Die Opposition teilt ordentlich aus.
Dass die Grundschulklassen in Nordrhein-Westfalen die größten in ganz Deutschland sind, hat eine Grundsatzdebatte über die Schulpolitik im einwohnerstärksten Bundesland ausgelöst. Zu entsprechenden Anträgen von FDP und AfD stritten die Schulpolitiker am Donnerstag im Landtag. Befeuert wurde die Diskussion noch durch aktuelle Daten der Kultusministerkonferenz, wonach die Zahl der Schüler in NRW in den kommenden zehn Jahren voraussichtlich um 300.000 auf 2,8 Millionen steigen wird.
FDP-Bildungsexpertin Franziska Müller-Rech hielt der Landesregierung eine maue Bilanz vor: „Sie haben ein Handlungskonzept Unterrichtsversorgung vorgestellt, das weder ein ordentliches Konzept ist, noch viel Handlung aufweist.“ Müller-Rech kritisiert das Teilzeitverbot, bei dem der Ministerin gar nicht klar sei, was die Maßnahme an mehr Stellen bringen solle. „Dann ordnen Sie Lehrkräfte ab. Davon ist nicht eine einzige Lehrerin, ein einziger Lehrer mehr im Schulsystem.“ Die Öffnung für den Seiteneinstieg sei zudem viel zu zögerlich. Zudem müssten Vertretungslehrer besser bezahlt werden, damit sie überhaupt ins Schulsystem kämen.
Mit Blick auf die Anhebung der Lehrergehälter an den Grundschulen und in der Sekundarstufe I auf die Besoldungsstufe A13 sagte Müller-Rech, dieser Schritt sei zwar richtig. „Aber von A13 haben wir keine einzige Lehrerin und keinen einzigen Lehrer mehr im Klassenraum.“ Wenn man jetzt nicht in den Schulen umsteuere, werde das eine schlechte Nachricht für die Grundschulen.
Ministerin Dorothee Feller (CDU) wies die scharfen Angriffe zurück und bat um Geduld. Das Problem könne nur Schritt für Schritt gelöst werden. „Wir brauchen zwingend mehr Lehrerinnen und Lehrer, das ist das oberste Ziel, an dem wir mit Hochdruck arbeiten“, sagte die CDU-Politikerin. Derzeit seien 6700 Lehrerstellen unbesetzt. Die Ministerin erläuterte, dass die aktuelle Situation auch eine Folge der Prognosen von 2012 sei, bei denen noch von sinkenden Schülerzahlen ausgegangen worden war. „Natürlich ist eine geringe Größe der Klassen wünschenswert“, räumte die Ministerin ein.
Rückendeckung bekam Feller von ihrem Parteifreund Jan Heinisch. Der CDU-Fraktionsvize sprang ihr bei, indem er darauf hinwies, dass 100.000 Flüchtlingskinder in den Schulen hervorragend betreut würden. Zu der Frage der Klassengröße, die laut den aktuellen Daten bei 23,5 Kindern liegt, sagte er, dass sich dieser Wert in der Mitte von dem Korridor von 15 bis 29 Kindern bewege, den die Landespolitik gemeinsam so festgelegt habe.
Die schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Dilek Engin, warnte, die Lehrer könnten angesichts großer Klassen kaum noch den Lehrplan erfüllen und alle Kinder mitnehmen. Die Chancengleichheit der Bildung werde dadurch unterhöhlt. Besonders benachteiligte Schulkinder litten unter vollen Klassen. Ihnen drohten die Zukunftschancen verbaut zu werden. „Das ist eine Schande für unsere Bildungspolitik“, sagte Engin. „NRW ist das Schlusslicht in der deutschen Bildungslandschaft.“
Auch die AfD forderte dauerhafte zusätzliche Maßnahmen zur Lehrergewinnung. „Es muss ein Ruck durch das Schulministerium gehen“, sagte der AfD-Abgeordnete Carlo Clemens. Er verwies auf vielfältige Zusatzbelastungen der Lehrerinnen und Lehrer, die sich auch auf die Bildungsgeschwindigkeit auswirkten.