Machtpoker in NRW Röttgen steckt in der Neuwahl-Falle

Der Vorsitzende der NRW-CDU, Umweltminister Norbert Röttgen, will als Spitzenkandidat bei Neuwahlen in NRW antreten. Doch offensiv fordert Röttgen diese nicht. Stattdessen macht er den Grünen vorsichtig Avancen. In der Berliner CDU bemängeln Parteifreunde die zögerliche Taktik – aus durchsichtigen Motiven.

Röttgens erster Auftritt mit neuer Brille
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Der Vorsitzende der NRW-CDU, Umweltminister Norbert Röttgen, will als Spitzenkandidat bei Neuwahlen in NRW antreten. Doch offensiv fordert Röttgen diese nicht. Stattdessen macht er den Grünen vorsichtig Avancen. In der Berliner CDU bemängeln Parteifreunde die zögerliche Taktik — aus durchsichtigen Motiven.

An der Spitze der Bundes-CDU blicken einige gespannt auf den Sommer. "Dann sind wir Norbert Röttgen wohl los", sagt ein CDU-Politiker aus der Fraktionsführung und lächelt. Er meint die möglichen Neuwahlen in Nordrhein-Westfalen vor der parlamentarischen Sommerpause im Juli.

Danach, so die Berliner Lesart, werde der neue NRW-CDU-Vorsitzende Norbert Röttgen entweder als Ministerpräsident nach Düsseldorf gehen oder als CDU-Oppositionsführer im Landtag Platz nehmen müssen. "So hat er es versprochen."

Wer in den Aussagen von Röttgens Parteifreund Anflüge von Schadenfreude entdeckt, dürfte nicht ganz falsch liegen. Mit seinem dezidiert Grünen-freundlichen Regierungskurs und dem hartnäckigen Widerstand gegen die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke hat sich der neue NRW-CDU-Chef im wirtschaftsliberalen Flügel der Partei Feinde geschaffen.

Innerparteiliche Konkurrenten im Ringen um den Platz als Kronprinz der Kanzlerin, etwa Arbeitsministerin Ursula von der Leyen und CSU-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg, haben auch nichts dagegen, wenn der eloquente Rheinländer die Berliner Bühne verlässt. Mit Fraktionschef Volker Kauder, den Röttgen nach der Bundestagswahl 2009 gerne beerbt hätte, verbindet Röttgen seither eine innige Abneigung.

So werden parteiintern die Äußerungen Kauders als "Rache" gedeutet, der sich in einem Interview mit dem "Kölner Stadt-Anzeiger" für Neuwahlen in NRW ausgesprochen hatte. Dass sich Kauder als baden-württembergischer CDU-Politiker in einer nordrhein-westfälischen Zeitung zu den Neuwahlen in Röttgens Landesverband äußert, ist ungewöhnlich.

Vor allem, weil Röttgen selbst am liebsten gar nicht über Neuwahlen reden würde. Man müsse das endgültige Urteil der Landesverfassungsrichter zum rot-grünen Nachtragshaushalt abwarten, sagt Röttgen. Und selbst wenn die Richter in Münster — woran Juristen nicht zweifeln — ihrer einstweiligen Anordnung gegen den rot-grünen Haushalt ein inhaltlich entsprechendes Urteil folgen lassen, will Röttgen nicht sofort auf Neuwahlen drängen.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft habe ja noch die Möglichkeit, einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen, sagte Röttgen der "Bild am Sonntag". "Der zögert und laviert", kritisiert ein Unionsmann aus Berlin die Taktik. Röttgen habe Angst davor, als Oppositionschef in Düsseldorf zu landen.

In Umfragen hat Rot-Grün derzeit eine Mehrheit. Eine Wechselstimmung ist nicht auszumachen. Die Aussicht auf den Einzug in die Staatskanzlei ist für den Mann aus Meckenheim gering. Und dass sich der weltläufige, ehrgeizige Röttgen fünf Jahre als Oppositionsführer in die Niederungen der Landespolitik begibt, bewerten selbst ihm freundlich gesinnte Parteileute als "kaum vorstellbar".

Auch deswegen halten sich hartnäckig Gerüchte, wonach Röttgen eine große Koalition Neuwahlen vorziehen würde. Dann könne er demonstrieren, dass die CDU wieder regierungsfähig sei und müsse nicht nach Düsseldorf. Der Vize-Chef der NRW-CDU, Armin Laschet, könne ja stellvertretender Ministerpräsident werden.

Nur wird es so nicht kommen. SPD und Grüne lassen sich nicht auseinanderdividieren, heißt es bei der SPD. Auch Röttgens Avancen zu den Grünen ("Schwarz-Grün ist nicht tot") werten die Landes-Grünen eher als Taktik. Röttgen wird die Neuwahlen annehmen müssen.

Ein Thema präsentieren ihm ja möglicherweise die Richter: solide Finanzen. Nachdem die CDU in der Schulpolitik auf Annäherungskurs zu Rot-Grün gegangen ist und die emotionale Schärfe aus dem Thema genommen hat, bleibt die Finanzpolitik ein Thema, bei dem die CDU die Kernkompetenz hat, wie Wahlforscher sagen. "Das ist ein hervorragendes Thema, weil die Menschen zusehends sensibilisiert sind für den sorgsamen Umgang mit Geld", sagt auch CDU-Vize Armin Laschet.

Auf einer CDU-Veranstaltung in Herford ging Röttgen
Sonntag mit der Schuldenpolitik der Landesregierung scharf ins Gericht. Rot-Grün versündige sich an der nächsten Generation, sagte er. Statt wie andere Länder einen Sparkurs einzuschlagen, mache die Regierung von Hannelore Kraft "Schulden über Schulden".

Sie schrecke auch nicht davor zurück, das Schuldenmachen als alternativlose Zukunftsvorsorge zu bezeichnen. "Schuldenmachen ist Kredit auf Kosten der nächsten Generation. Damit muss Schluss sein", rief er. Da hörte sich Norbert Röttgen schon wie ein Wahlkämpfer an.

(RP)
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