Nach Rizin-Fund in Köln Händler in NRW sollen Giftkäufe melden

Düsseldorf · In Köln wurde ein Bombenanschlag mit hochgiftigem Rizin verhindert, der Tausende hätte töten können. NRW-Innenminister Reul will jetzt den Handel in die Pflicht nehmen.

 Ein Feuerwehrmann trägt nach dem Fund von hochgiftigem Rizin in Köln-Chorweiler eine Tonne aus dem Haus (Archivbild).

Ein Feuerwehrmann trägt nach dem Fund von hochgiftigem Rizin in Köln-Chorweiler eine Tonne aus dem Haus (Archivbild).

Foto: dpa/Oliver Berg

Der Rizin-Fund vor gut zwei Wochen in Köln war brisanter als bislang bekannt. Laut NRW-Innenminister Herbert Reul haben die Sicherheitsbehörden den wahrscheinlich schlimmsten Anschlag in Europa verhindert. „Das war wirklich sehr knapp. Der Mann war fertig mit seinen Vorbereitungen. Und er hätte relativ schnell einen Anschlag verüben können“, sagte Reul im Gespräch mit unserer Redaktion.

Das Bundeskriminalamt geht davon aus, dass der im Stadtteil Chorweiler festgenommene Tunesier Sief H. aus den bei ihm sichergestellten 3150 Rizinussamen eine Bombe bauen wollte. Er produzierte aus den Samen das tödlich wirkende Rizin, das als biologischer Kampfstoff wirkt. Offenbar stand Sief H. kurz vor der Fertigstellung einer Massenvernichtungswaffe, vor deren Einsatz selbst kriegführende Staaten zurückschrecken. „Es hätte der größte Anschlag in Europa werden können, im schlimmsten Fall mit Tausenden Todesopfern“, so Reul.

Die Polizei hatte den Tunesier schon länger auf dem Radar. „Er war polizeibekannt als sogenannter ,Prüffall Islamismus“ und überdies wegen häuslicher Gewalt aufgefallen“, so Reul. Weitere Verdachtsmomente habe es nicht gegeben. Inzwischen wurde bekannt, dass der Mann Kontakt zu Personen aus dem radikal-islamistischen Spektrum gehabt haben soll. Laut Reul handelte er wahrscheinlich auf eigene Faust: „Er fiel nicht in Moscheen oder entsprechenden Vereinen der salafistischen Szene auf. Er ist auch noch gar nicht so lange in Deutschland gewesen.“ Sief H. sei erst im November 2016 eingereist. Den Tipp für die mutmaßlichen Anschlagspläne hätten ausländische Nachrichtendienste gegeben.

Reul fordert Konsequenzen aus dem Fall, unter anderem die systematische Beschäftigung der Sicherheitsbehörden mit bislang noch nicht überwachten Gefahrstoffen. „Wir müssen nachsteuern“, sagte Reul, „zum Beispiel unsere Warnlisten erweitern. Es reicht nicht, wenn da nur Explosivstoffe drinstehen.“ Im Internet sind Rizinussamen problemlos zu bestellen. 100 Samen werden dort für weniger als zehn Euro angeboten. Auf die Frage, ob der Vertrieb verboten werden muss, sagte der NRW-Innenminister: „Wir brauchen auch eine Art Frühwarnsystem. Wir müssen dafür sorgen, dass Händler aufgeklärt werden. Sie müssen sich bei den Behörden melden, wenn bestimmte Stoffe in auffälliger Menge bei ihnen bestellt werden.“

Köln: Feuerwehr untersucht Haus in Köln auf gefährliche Substanzen
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Feuerwehr untersucht Haus in Köln auf gefährliche Substanzen

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Foto: Claudia Hauser

Rizinussamen sind nicht die einzige Substanz, die sich problemlos im Internet bestellen lässt, und aus der extrem gefährliche Stoffe hergestellt werden können. „Auch die Samen der Paternosterbohnen sind mit dem hochtoxischen Wirkstoff Abrin schon in Kleinstmengen tödlich“, erläutert der Mainzer Toxikologe Thomas Hofmann. Er kritisiert, dass die Ausgangssubstanzen für tödliche Gifte wie Rizin in derart großen Packungseinheiten online frei erhältlich sind: „Wofür braucht ein normaler Mensch 100 Rizinussamen?“

Michael Mertens, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in NRW, sagte unserer Redaktion: „Terroranschläge werden heute mit ganz normalen, handelsüblichen Artikeln verübt. Deshalb ist es richtig, die Händler dazu verpflichten, die Polizei zu informieren, wenn eine Person plötzliche riesigen Mengen von einem Produkt bestellt. Hier geht Sicherheit vor. Auch wenn das für die Händler lästig ist.“

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