Lehren aus der Hamburg-Wahl NRW-SPD-Chef warnt Partei vor Enteignungsdebatten

Düsseldorf · Anders als in Hamburg soll die SPD-Bundesspitze in der NRW-Kommunalwahl durchaus eine Rolle spielen. CDU und FDP mahnen eine klare Haltung an. Grüne sehen starken Rückenwind für NRW.

 SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher (Mitte) am Tag nach der Hamburg-Wahl mit den beiden SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken. Foto: Wolfgang Kumm/dpa

SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher (Mitte) am Tag nach der Hamburg-Wahl mit den beiden SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken. Foto: Wolfgang Kumm/dpa

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Die Parteien in NRW haben erste Lehren aus der Hamburg-Wahl für die NRW-Kommunalwahlen im kommenden September gezogen. „Das Ergebnis der Hamburg-Wahl zeigt uns auch, dass die SPD keine abstrakt philosophischen Diskussionen über die Enteignung von Wohnungskonzernen führen sollte. Sondern darüber, wie konkret mehr Wohnungen gebaut werden“, sagte SPD-Landeschef Sebastian Hartmann unserer Redaktion. Er empfinde die Wahl als Bestätigung seiner linkspragmatischen Richtung. „Der Wähler erkennt es an, wenn sich Politiker um die realen Probleme realer Menschen kümmern und dabei auch Konflikte eingehen wie etwa beim Thema öffentlicher Wohnungsbau. Dafür machen wir uns auch in NRW stark“, so Hartmann.

Der SPD-Landesvorsitzende distanzierte sich damit vom linken Flügel der Partei um Juso-Chef Kevin Kühnert, der eine solche Enteignungsdebatte angestoßen hatte. Die Wahl in Hamburg haben die Sozialdemokraten am Sonntag klar gewonnen – mit Peter Tschentscher, einem Kandidaten, der eher der Mitte als dem linken Spektrum zuzuordnen ist. In Hamburg hatte die SPD explizit Wahlkampf ohne das neue Spitzenduo Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken gemacht.

Das soll nach dem Willen Hartmanns in NRW anders laufen: „Wir werden im Kommunalwahlkampf die Bundesspitze nicht außen vor lassen. Norbert Walter-Borjans wird das Thema Investitionen mit dem Altschuldenproblem der NRW-Kommunen gut kombinieren. Dieses Thema hat in Hamburg keine Rolle gespielt, weil die Stadt kein Altschuldenproblem hat“, so Hartmann. Alles in allem seien die Ergebnisse der Wahl auf NRW übertragbar: „Hamburg ist eine Stadt mit großen sozialen Unterschieden. Dies weisen das Land NRW und viele seiner Kommunen ebenfalls auf.“

Ähnlich sieht es die andere Gewinnerpartei der Hamburg-Wahl, die Grünen: „Die Hamburg-Wahl gibt uns einen starken Rückenwind für NRW. Sie hat gezeigt, dass die grünen Themen beim Wähler ankommen“, sagte die NRW-Co-Vorsitzende der Grünen, Mona Neubaur, unserer Redaktion. Auch in NRW gebe es Kommunen, die bereits Klimaneutralität bis 2035 im Blick hätten. Ganz so forsch wie in Hamburg, wo die grüne Kandidatin den Bürgermeister ablösen wollte, gibt sich Neubaur mit Blick auf die Kommunalwahl aber nicht: „Wir wollen in NRW möglichst viele Grüne in die Stadt- und Kreisräte bringen, um Politik vor Ort zu gestalten.“ Dazu gehörten auch (Ober-)Bürgermeister, es sei aber immer eine große Herausforderung, Amtsinhaber zu schlagen. Den Grünen werde hoffentlich auch zugutekommen, dass junge Leute ab 16 Jahren wählen dürften.

Die CDU in NRW sieht die Vorgänge in Thüringen als Ursache für ihre hohen Stimmenverluste: „Die Ereignisse in Thüringen haben sich in Hamburg für die CDU negativ ausgewirkt“, sagte CDU-Generalsekretär Josef Hovenjürgen unserer Redaktion und grenzte sich zugleich von der Thüringer CDU ab, die den FDP-Politiker Thomas Kemmerich mithilfe der AfD ins Amt gehoben hatte. „Wir in NRW haben eine ganz klare Haltung: nie mit den Rechten, nie mit den Linken“, so Hovenjürgen. Dabei betonte er, dass AfD und Linkspartei nicht vergleichbar seien: „Die AfD verharmlost den Holocaust, hetzt gegen Minderheiten und ist in ihrer ganzen Diktion indiskutabel. Eine Zusammenarbeit mit dieser Partei ist ausgeschlossen. Die Linken sind nicht bereit, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen und verhöhnen damit die Toten an der Mauer und jene, die großes Leid durch den Überwachungsapparat erfahren haben. Deswegen kann es auch mit ihnen keine Zusammenarbeit geben.“

Für die Kommunalwahl bedeutet das Hamburger Ergebnis Hovenjürgen zufolge: „Wir müssen der Mitte wieder wahrnehmbar mehr Raum geben.“ Es gelte, einige Themen noch konsequenter anzugehen, dabei müssten aber auch die anderen Parteien mitziehen. „Wenn zum Beispiel weniger Fläche verbraucht werden soll, dann darf man sich nicht gegen Innenverdichtung in den Städten wehren, wie es Grüne und SPD tun“, so Hovenjürgen.

Auch die FDP in NRW wertet das schlechte Ergebnis in Hamburg als Folge der Vorgänge in Thüringen: „Thüringen war ein harter Nackenschlag für die FDP. Es war nicht der einzige Faktor für unser schlechtes Ergebnis, aber ein sehr relevanter“, sagte Generalsekretär Johannes Vogel unserer Redaktion. Gerade bei den Fragen, die die Grundfesten unseres Landes betreffen, dürfe niemand wackeln. Da müssten alle immer klare Haltung zeigen: „Die Hamburg-Wahl zeigt aber auch, dass es nicht das eine wahlentscheidende Thema gibt. Wir werden daher mit vielen Themen in die Kommunalwahl gehen: Bildung, Wirtschaft, Digitales - aber auch Verkehr, Sicherheit, bezahlbarer Wohnraum und Klima. Überall müssen wir unsere liberalen Lösungen zeigen können.“ Dass der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner im NRW-Wahlkampf eine Rolle spielt, steht für Vogel außer Frage: „Christian Lindner wird natürlich im NRW-Kommunalwahlkampf auftreten.“ Lindner war wegen seines Umgangs mit der Thüringen-Krise in der Partei scharf kritisiert worden.

Die AfD in NRW äußerte sich auf Anfrage nicht zu den Lehren aus der Hamburg-Wahl. In einem allgemeinen Statement des Fraktionschefs Markus Wagner hieß es: „Es ist nun eine mehr als herausfordernde Aufgabe für meine Hamburger Kollegen, sich in einem zu 80 Prozent linksgrünen Milieu durchzusetzen.“ Die AfD hatte in Hamburg Stimmenanteile verloren und knapp den Wiedereinzug in die Bürgerschaft erreicht.

(kib)
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