Nach Terror von Paris Jäger warnt vor deutschsprachigen Dschihadisten
Düsseldorf · Die Angst wächst nach den Anschlägen von Paris und der Absage des Länderspiels in Hannover. NRW-Innenminister Ralf Jäger erläutert neue Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, warnt vor falschen Verdächtigungen und rät zu einem normalem Leben.

Das ist Ralf Jäger
Nach den blutigen Terrorschlägen in Paris rufen deutschsprachige Dschihadisten aus Syrien und dem Irak nach Beobachtungen des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes vermehrt zu Anschlägen in Deutschland auf. Videobotschaften diesen Inhalts an die salafistischen Glaubensbrüder hätten im Internet "auf einem sehr hohem Niveau zugenommen", erklärte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Solche Aufrufe würden von den Sicherheitsbehörden "sehr ernst genommen". Das erkläre auch die gegenwärtig angespannte Sicherheitslage.
Bei den zum Teil professionellen Internetauftritten des "Islamischen Staates" (IS) würden neben verfilmten Monologen auch tatsächliche Hinrichtungen "hochdramatisch und sehr widerlich" gezeigt, berichtete Jäger. Das diene erkennbar dazu, gewaltbereite Salafisten in Deutschland zu aktivieren und mit ihrer Hilfe terroristische Anschläge zu verüben.
Bei den am Dienstag in Alsdorf nahe Aachen als islamistische Gewalttäter verdächtigten sieben Personen handelt es sich laut Jäger um völlig unbescholtene Bürger. Die vorübergehend Festgenommenen stünden weder in irgendeinem Zusammenhang mit den Anschlägen in Paris noch gehörten sie der salafistischen Szene an.
Eine Bürgerin aus Saarlouis habe am Wochenende die Polizei alarmiert, weil sie den mutmaßlichen Drahtzieher der Paris-Attentäter, Abdelhamid Abaaoud, in einem Auto mit Aachener Kennzeichen erkannt haben wollte. Dieser Hinweis habe schließlich zu der Fahndung und Festnahme in Alsdorf geführt. Der dortige Einsatzleiter wiederum habe geglaubt, dass es sich bei einer der männlichen Personen wegen der verblüffenden Ähnlichkeit um den noch flüchtigen neunten Attentäter von Paris, Salah Abdeslam, handeln könnte. Nach mehrstündigen Verhören und Wohnungsdurchsuchungen seien die sieben Alsdorfer wieder frei.
Jäger wies Medienberichte zurück, einige der Pariser Attentäter hätten vor ihren Anschlägen Moscheen in Aachen und Detmold besucht: Dieser Verdacht habe sich nicht bestätigt, für solche Mutmaßungen gebe es gegenwärtig keinerlei Hinweise. Bisher hätten die Sicherheitsbehörden keine Anhaltspunkte dafür, dass es irgendwelche Kontakte der Paris-Attentäter nach NRW gegeben habe. Weiterhin in Untersuchungshaft befinde sich aber ein Algerier aus Arnsberg, dem von syrischen Mitbewohnern eines Flüchtlingsheims konkrete Kenntnisse über die Anschlagsplanungen in Frankreich vorgeworfen würden. Gegen den Algerier werde derzeit wegen Mitwissenschaft und Mittäterschaft einer möglichen Straftat ermittelt.
Jäger warnte vor zunehmenden Denunziationen gegen Flüchtlinge, die ungerechtfertigt als islamistische Terroristen verdächtig würden. Bundesweit seien inzwischen über 100 Strafanzeigen gegen Asylsuchende gestellt worden, weil sie angeblich Dschihadisten und Mitglieder des IS seien. Die Anzeigen kämen häufig aus dem Umfeld von Flüchtlingsunterkünften und erwiesen sich meistens als völlig haltlos. In 16 Fällen seien formelle Strafermittlungen eingeleitet worden. Aber auch diese seien in der Mehrheit zwischenzeitlich bereits wieder eingestellt.
Angesichts der derzeit 253.000 Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen rechtfertige der unbewiesene Verdacht gegen einige wenige keinerlei Forderungen nach einer grundlegenden Kurskorrektur in der Flüchtlingspolitik, betonte Jäger. Er halte es für unverantwortlich, einen Bogen zwischen den Pariser Attentaten und den Flüchtlingen zu schlagen. Dies spiele den Attentätern in die Hände, die bei ihren blutigen Taten mit einem offenbar fingierten Ausweis gezielt den Eindruck erweckt hätten, dass diese von syrischen Flüchtlingen begangen wurden.
Jäger rief die Bevölkerung auf, sich von den Terroristen nicht einschüchtern zu lassen, sondern weiterhin aktiv am öffentlichen Leben teilzunehmen und Weihnachtsmärkte und Fußballspiele zu besuchen. Es gebe derzeit keinerlei konkrete Hinweise auf drohende Anschläge. Die stark frequentierten Weihnachtsmärkte in NRW würden angesichts der angespannten Sicherheitslage polizeilich besonders geschützt.