Untersuchungsausschuss zur Silvesternacht Jäger verwickelt sich in Widersprüche

Düsseldorf · Im Zeugenstand des Silvester-Untersuchungsausschusses konnte der NRW-Innenminister manche Ungereimtheiten nicht aus der Welt schaffen. Noch hält seine Verteidigungslinie. Aber es wird eng.

 Ralf Jäger steht als Innenminister nicht zum ersten Mal unter Beschuss.

Ralf Jäger steht als Innenminister nicht zum ersten Mal unter Beschuss.

Foto: dpa, fg

Der Versuch der Opposition, Ralf Jäger (SPD) als untragbaren NRW-Innenminister darzustellen, ist vorerst gescheitert. Der Versuch des Innenministers, alle Zweifel an seiner Amtsführung zu zerstreuen, allerdings auch.

Über acht Stunden nahm der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) zur Aufklärung der Übergriffe in der Kölner Silvesternacht gestern den wichtigsten Minister der rot-grünen Landesregierung ins Kreuzverhör. Welche persönliche Schuld hat Jäger an den Vorfällen, bei denen Hunderte Frauen von überwiegend nordafrikanischen Tätern in aller Öffentlichkeit drangsaliert, sexuell belästigt und bestohlen wurden? Und warum hat die Landesregierung sich öffentlich erst vier Tage später dazu geäußert?

Jäger brauchte mehrere Tage

Obwohl Jäger hart bedrängt und auf Widersprüche aufmerksam gemacht wurde, verteidigte er seine bisherige Position: "Ich bleibe dabei: Das war im Vorfeld nicht vorhersehbar." Deshalb habe es für ihn auch keinen Anlass gegeben, ein Auge auf die Einsatzplanung der Kölner Polizei zu werfen. Und nach den eklatanten Versäumnissen der Beamten, die Jäger schon früher eingeräumt hatte, habe es Tage gedauert, bis ihm die Dimension der Ereignisse bewusst geworden sei. Deshalb sei seine Reaktion erst am 4. Januar erfolgt.

Jäger blieb bei dieser Version, auch nachdem ihn PUA-Mitglieder mit mehreren Meldungen des Polizeiapparats aus dem Zeitraum vom 1. bis zum 4. Januar konfrontiert hatten, die an ihn und an ranghohe Beamte der Staatskanzlei gerichtet waren. In diesen "WE-Meldungen" war schon früh von einer Vergewaltigung, einer bis zu 50-köpfigen Tätergruppe nordafrikanischer Männer und mindestens elf Übergriffen die Rede. Jäger sagte dazu: "Ich erhalte jährlich Hunderte WE-Meldungen, und die meisten sind schlimm und handeln von Verbrechen." Wirklich wichtige Vorgänge würden ihm grundsätzlich entweder persönlich oder telefonisch mitgeteilt - was hier aber ausblieb.

Folgt man Jägers Ausführungen, wurde die urlaubende Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sogar noch vor ihm hellhörig. Angeblich sei sie durch eine vereinzelte Zeitungsmeldung zur Kölner Silvesternacht aufmerksam geworden, die sie in einem 68-seitigen Pressespiegel vom 4. Januar wahrgenommen habe. Jäger: "Dann rief sie mich an und fragte, was da los war. Danach habe ich mich erst mal selbst informieren müssen." Dieses Telefonat soll am 4. Januar um 13.41 Uhr stattgefunden haben. Was nach Ansicht etlicher Beobachter nicht passt: Keine 20 Minuten später gab der inzwischen entlassene Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers bereits eine Pressekonferenz zu dem Thema.

Und noch etwas blieb unklar: Früheren Zeugen zufolge wurde das Polizeipräsidium Köln am Neujahrstag von der Jäger unterstellten Landesleitstelle aufgefordert, den Begriff "Vergewaltigung" aus einer WE-Meldung zu streichen. Ein Vertuschungsversuch? Jäger ließ dazu am 6. April schriftlich erklären: "Die Landesleitstelle hat nicht mit der Kriminalwache des Polizeipräsidiums Köln telefoniert." Jäger berief sich damals auf einen entsprechenden Bericht der Kölner Polizeiführung, der angefordert wurde, um diesem Vorwurf nachzugehen. Gestern relativierte Jäger das: Er kenne den Bericht nicht und habe ihn nicht angefordert. "Ob tatsächlich jemand von dort angerufen hat, wissen wir nicht", so Jäger. Wenn doch, sei das aber "kein dienstliches Telefonat" gewesen, weil die Landesleitstelle für die Frage, ob ein Vorgang als Vergewaltigung einzuordnen ist, gar nicht zuständig sei.

(RP)
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