Kinderlähmung Warum Polio weltweit wieder auf dem Vormarsch ist
Düsseldorf · Dank entsprechender Impfungen galt Kinderlähmung gemeinhin als ausgerottet. Doch weltweit treten immer mehr Fälle auf. Seit Jahren wird in NRW die empfohlene Zielmarke bei der Impfquote unterschritten. Das sorgt für Kritik.
Nach Daten des NRW-Gesundheitsministerium bleibt die Zahl der gegen Kinderlähmung Geimpften im beölkerungsreichsten Bundesland hinter der angestrebten Quote zurück. Das geht aus einer Antwort von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) auf eine Anfrage der SPD hervor, die unserer Redaktion vorab vorliegt. „Idealerweise soll eine Polio-Impfquote von mindestens 95 Prozent in einer Bevölkerung erreicht werden, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern.“ Abgefragt wird der Impfstatus bei der Schuleingangsuntersuchung. Dabei waren nach den letzten vorliegenden Daten aus dem Jahr 2019 jedoch nur 92,3 Prozent der Kinder geimpft. Die Zielmarke wurde laut Landeszentrum Gesundheit zuletzt zehn Jahre zuvor, nämlich 2009, mit damals 97,6 Prozent erreicht. In einer Fachpublikation des Robert-Koch-Instituts aus dem Oktober heißt es dazu: „Wenn diese Quote nicht erreicht wird, besteht auch in als poliofrei zertifizierten Ländern das Risiko eines erneuten Auftretens von Erkrankungsfällen.“
„Wir haben gerade erst festgestellt, dass während Corona viele Schuleingangsuntersuchungen nicht stattgefunden haben. Insofern stellt sich die Frage, wie viele ungeimpfte Kinder es zurzeit tatsächlich gibt“, sagte SPD-Fraktionsvize Lisa-Kristin Kapteinat. „Die Landesregierung ist in der Pflicht, alles zu tun, um die Untersuchungen nachzuholen und zielgerichtete Aufklärungs- und Impfkampagnen durchzuführen – nicht nur für Polio, sondern auch für andere Krankheiten wie Masern.“
Eigentlich galt Poliomyelitis lange Zeit als ausgerottet. Doch zuletzt gab es weltweit wieder gehäuft Meldungen. Auch die Landesregierung beschäftigte sich nach eigenen Angaben seit Mai vergangenen Jahres insgesamt sechsmal bei der sogenannten Epidemiologischen Lagekonferenz mit dem RKI mit der Thematik. Dabei ging es neben der Einschätzung der WHO zur Lage in Malawi, Pakistan und Afghanistan auch um einen Polioviren-Nachweis im März in Hamburg, den Ausbruch von Poliomyelitis unter Kindern in der Ukraine sowie die Impfung von Asylsuchenden.

Die gefährlichsten Kinderkrankheiten
Zudem war ein Pilotprojekt zur Abwasseruntersuchung in Berlin Thema. NRW selbst will allerdings Laumann zufolge erst dessen Ergebnisse abwarten. Das sorgt für Kritik: „Abwassermonitoring ist eine wichtige Ergänzung wenn es darum geht, Krankheitsausbrüche zu erkennen und zu überwachen. Bei Corona funktioniert es ja. Darum sollten wir es auch schnellstmöglich für andere Krankheiten nutzen, nicht nur für Polio“, forderte Kapteinat. „Leider führt die Landesregierung zum jetzigen Zeitpunkt keine Polioüberwachung durch, sondern wartet auf die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie des RKI. Sobald die Ergebnisse vorliegen, brauchen wir eine schnellstmögliche Umsetzung.“ Kapteinat forderte, dafür mehr Messstellen, insbesondere in Ballungszentren. „Alles, was wir an Frühwarnsystemen jetzt nicht aufbauen oder nutzen, kommt uns doppelt und dreifach teuer zu stehen, wenn es zu einem Ausbruch kommt.“