Wenn die Kita unterbesetzt ist Zu wenig Personal für zu viele Kinder – was passiert, wenn dann etwas passiert?

Düsseldorf · Gibt es Geld zurück, wenn die Kita wegen Personalnot ausfällt? Warum wird man darüber nicht früher informiert? Wie reagieren, wenn zu wenige Erzieher auf zu viele Kinder aufpassen sollen? Was Eltern tun können, wenn sie finden, dass es mit der Kita nicht rund läuft.

Mehr als 70 Prozent der befragten NRW-Kitas gaben bei einer Studie an, dass sie nenneswerte Zeiten mit viel zu wenig Personal arbeiten müssen.

Mehr als 70 Prozent der befragten NRW-Kitas gaben bei einer Studie an, dass sie nenneswerte Zeiten mit viel zu wenig Personal arbeiten müssen.

Foto: dpa/Peter Kneffel

Nach eigener Einschätzung arbeiten hochgerechnet mehr als zwei Drittel der Kitas in NRW regelmäßig in „Personalunterdeckung“. Also mit weniger Personal, als eigentlich nötig wäre; vor allem, um der Aufsichtspflicht zu genügen. Mehr als 70 Prozent der Kitaleitungen nehmen an, dass das binnen zwölf Monaten in 20 Prozent der gesamten Zeit der Fall gewesen sei. Mehr als ein Viertel der Leitungen schätzen das sogar für über 60 Prozent der gesamten Zeit ein. Das ergab die jüngste Befragung des Deutschen Kitaleitungskongresses.

Eltern macht das Sorge, für Kita-Beschäftigte bedeuten solche Situationen Ängste und Überarbeitung. Fällt die Betreuung aber komplett aus, kommt in Familien enormer Stress auf. Welche Rechte und Pflichten haben alle Beteiligten?

Wie müssen Kitas die Aufsichtspflicht sicherstellen?

Kita-Träger sind grundsätzlich verpflichtet, sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten. Klappt das nicht, weil beispielsweise objektiv betrachtet zu wenig Personal da ist, müssen sie das ans zuständige Landesjugendamt melden. Das geschieht in NRW derzeit jeden Monat in Hunderten Fällen. Meist werden dann Betreuungszeiten vorläufig gekappt und Gruppen geschlossen, mitunter auch ganze Einrichtungen. Gelegentlich dürfen Kitas aber trotzdem normal öffnen.

Darüber hinaus gibt es bei Fragen der Aufsichtspflicht Interpretations- und Ermessensspielräume. Die Fachkräfte in den Einrichtungen müssen jederzeit selbst beurteilen, ob sie einer Situation und Gruppengröße gerade noch gewachsen sind – je nach Alter, Eigenart und Beschäftigung der Kinder oder den besonderen Bedingungen vor Ort. Das kann natürlich schwierig sein, wenn die Personaldecke knapp ist und besondere Situationen die Routinen aushebeln, etwa die Zusammenlegung von Gruppen.

Was passiert, wenn etwas passiert?

Wenn festgestellt wird, dass ein Kind dadurch zu Schaden kam, dass die Aufsichtspflicht verletzt wurde, drohen – je nach Verantwortlichkeit – den Mitarbeitenden oder Trägern arbeitsrechtliche, zivil- und auch strafrechtliche Konsequenzen. Das können Abmahnungen oder Kündigungen sein, auch Ansprüche auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz sind denkbar. Für mögliche Folgen für das betroffene Kind ist in der Regel die gesetzlichen Unfallversicherung zuständig.

Wenn die Kita ausfällt – können Eltern dann Beiträge zurückfordern?

Nein. Elternbeiträge werden pauschal erhoben, es gibt keinen Anspruch auf eine festgelegte Gegenleistung – das ist gesetzlich geregelt. „Die Elternbeitragspflicht hängt somit nicht von der tatsächlichen und vollumfänglichen Möglichkeit der Inanspruchnahme von Angeboten der Kindertagesbetreuung ab“, stellt das Landesfamilienministerium klar. Der Landeselternbeirat der Kitas beklagt dieses System und rät Familien, wenigstens an ihre Kommunen heranzutreten und um freiwillige Erstattung zu bitten – auch, wenn das in aller Regel abgelehnt wird. Die Gemeinden argumentieren, dass die laufenden Kosten für Räume und Personal ja trotzdem anfallen, auch, wenn die Betreuung nicht stattfinden kann.

Können Eltern Geld für Verpflegung zurückfordern?

Es kann sich lohnen, sich mit dieser Frage an die Kita zu wenden. Das Entgelt für Mahlzeiten darf nämlich grundsätzlich nur die Kosten abdecken, die tatsächlich anfallen. Die Kalkulation müssen die Einrichtungsträger offenlegen. Allerdings bestehen häufig Verträge mit Caterern.

Muss es für Absagen des Betreuungsangebotes einen bestimmten Vorlauf geben, damit Eltern planen können?

Nicht unbedingt. Anne Deimel, die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Verband Bildung und Erziehung, sieht die Einrichtungen selbst in einer Zwangslage, wenn sie kurzfristig feststellen, dass sich Betreuung nicht gewährleisten lässt. „Kita-Leitungen müssen in so einer Situation sofort tätig werden und überlegen: Was mache ich jetzt für meine Kita, um die Aufsichtspflicht abzudecken?“, beschreibt sie. Sie hat zugleich vor Augen, wie schwierig gerade spontane Absagen für die Eltern sind. „Man muss sich mal vorstellen, was das für einen Stress in die Familien bringt. Und für die Kinder gibt es dann keinen konstanten Tagesablauf mehr. Für die Entwicklung der Kinder ist das eine Katastrophe.“

Was können Eltern tun, wenn sie glauben, dass in „ihrer“ Kita der Betreuungsschlüssel häufiger nicht reicht?

Sie können ihre Bedenken auf verschiedenen Ebenen vorbringen. „Eltern sollten sich in einem ersten Schritt an die Leitung und den Träger wenden“, rät das NRW-Familienministerium. Auch über Elternbeiräte können sie ihre Sorgen oder Beschwerden an den Träger übermitteln. Sollten sie mit der Reaktion nicht zufrieden sein, können sie sich ans örtliche Jugendamt oder – noch eine Ebene höher – ans zuständige Landesjugendamt wenden.

Was können Kita-Beschäftigte tun, wenn sie sich mit Gruppen überfordert fühlen?

Im Prinzip das gleiche wie die Eltern: Sie können sich an ihre Einrichtungsleitung und den Träger wenden und, sollten sie sich dort nicht ernstgenommen fühlen, ebenfalls an das zuständige Landesjugendamt.

Was bedeutet Personalunterdeckung für die pädagogische Arbeit?

Die bleibt zwangsläufig auf der Strecke: Vorrang hat dann das Ziel, für die Sicherheit der Kinder zu sorgen. Das stellen die Landesjugendämter in einem Leitfaden zu den gesetzlichen Vorgaben klar. „Der mögliche Umstand, dass bei Personalausfall eine Gruppe unter pädagogischen Gesichtspunkten zu groß ist und dieses für das verbleibende Personal keine qualitativ gute pädagogische Arbeit erlaubt, befreit die Fachkräfte nicht von der Aufgabe, jedes Kind in ihrem Zuständigkeitsbereich ausreichend zu beaufsichtigen und für seinen Schutz zu sorgen“, heißt es darin. Sie hätten „die Aufsichtsführung soweit möglich sicherzustellen“; pädagogische Ziele stehen hintenan. In dem Papier heißt es aber auch: „Eine solche Situation ist jedoch nur übergangsweise vertretbar und sollte als Notlösung gelten.“

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