„Rückführung wäre unverantwortlich“ NRW will Abschiebestopp in den Iran verlängern

Update | Düsseldorf · Nach Kritik des Oppositionsführers Kutschaty kündigt Ministerin Josefine Paul an, das Land werde auch nach dem 7. Januar auf Abschiebungen in den Iran verzichten.

Eine Frau steht während einer Demonstration nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini vor einem brennenden Autoreifen und zeigt das Victory-Zeichen.

Eine Frau steht während einer Demonstration nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini vor einem brennenden Autoreifen und zeigt das Victory-Zeichen.

Foto: dpa/Uncredited

Die nordrhein-westfälische Landesregierung will ihren bis zum 7. Januar befristeten Abschiebestopp in den Iran verlängern. Die Ministerin für Flucht und Integration von NRW, Josefine Paul (Grüne), sagte unserer Redaktion: „Mehr als drei Monate nach Beginn der Proteste im Iran geht das Regime weiter mit äußerster Härte gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten vor, die sich dennoch weiterhin gegen die massiven Einschränkungen der Frauenrechte, die Verletzung der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit, die Todesstrafe und gegen Unrecht und Folter einsetzen.“ Die Exekutionen von zwei Demonstranten im Dezember zeigten deutlich, dass das Regime in Teheran vor nichts zurückschrecke, um die Menschen einzuschüchtern. „In der aktuellen Situation wäre es daher auch weiterhin unverantwortlich, Menschen in den Iran zurückzuführen“, so Paul. „Im Einklang mit den Beschlüssen der Innenministerkonferenz werden wir daher sicherstellen, dass der Abschiebestopp über den 7. Januar hinaus verlängert wird. Wir setzen uns weiterhin für eine bundeseinheitliche Regelung ein.“

Am Morgen hatte Oppositionsführer Thomas Kutschaty (SPD) verlangt, die Regelung müsse verlängert werden. Der SPD-Fraktionsvorsitzende sagte unserer Redaktion: „Die Situation im Iran spitzt sich zum Jahresende scheinbar zu. Seit Oktober gibt es auch keine Verbesserungen für Frauen im Iran.“ Es gebe also keinen Grund, den Abschiebestopp auslaufen zu lassen.

Mahsa Amini: So reagiert die Welt auf die Proteste im Iran
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Ministerin Paul erklärte: „Wir stehen auch weiterhin solidarisch an der Seite der mutigen Iranerinnen und Iraner, der vielen Frauen in ihrem Kampf für Selbstbestimmung, Freiheit und Leben. Die internationale Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit darf im Kampf der Menschen im Iran für Freiheit nicht nachlassen.“

Das Land NRW hat seit 2017 insgesamt 32 Menschen in den Iran zurückgeführt – gut 40 Prozent von ihnen allein in diesem Jahr. Das Ministerium verwies allerdings darauf, dass diese Rückführungen allesamt vor dem 16. September stattgefunden hätten. In NRW leben laut Ausländerstatistik etwa 36.000 Menschen mit iranischer Staatsangehörigkeit.

Irans Präsident Ebrahim Raisi hatte zuletzt den unnachgiebigen Kurs im Umgang mit Gegnern des islamischen Herrschaftssystems noch einmal bekräftigt: „Unsere Arme sind offen für diejenigen (Demonstranten), die von ausländischer Propaganda nur geblendet worden sind, mit den Uneinsichtigen jedoch haben wir keine Gnade,“ sagte Raisi bei einer religiösen Zeremonie in der Teheraner Universität am Dienstag.

Seine Drohung konkretisierte Raisi nicht weiter. Allerdings stehen mehr als 20 Demonstranten auf einer Todesliste der Justizbehörde. Vorgeworfen wird ihnen „Kriegsführung gegen Gott“, worauf gemäß islamischer Rechtsauffassung das Todesurteil steht. Zwei Demonstranten wurden in diesem Zusammenhang bereits hingerichtet.

Seit mehr als drei Monaten protestieren im Iran landesweit Menschen gegen das islamische System. Zwar zogen in den vergangenen Wochen weniger Menschen auf die Straßen, die Proteste wurden aber in anderer Form fortgesetzt. Immer mehr Frauen ignorieren etwa das obligatorische Kopftuch und zeigen auch keinerlei Angst mehr vor der berüchtigten Sittenpolizei. Aus Protest wird Klerikern immer wieder der Turban vom Kopf gestoßen.

Im Zusammenhang mit den Protesten gab es laut iranischen Aktivisten und Menschenrechtsgruppen im Ausland mehr als 500 Tote. Hauptsächlich kamen demnach Demonstranten ums Leben, aber auch Polizei- und Sicherheitskräfte. (mit dpa)

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