Bilanz der TV-Wahlarena Sieben Kandidaten, zwei Moderatoren, ein lila Hoodie

Köln · Zehn Tage vor der NRW-Landtagswahl ging es bei der TV-Debatte bisweilen hitzig zu. Wie sich die sieben Spitzenkandidaten in der Wahlarena schlugen, haben wir hier zusammengefasst.

Die Spitzenkandidaten von CDU, SPD, Grünen, FDP, Linkspartei, Piraten und AfD lieferten sich am Donnerstagabend im WDR-Fernsehen einen heftigen Schlagabtausch. Es war das erste Mal, dass so viele Spitzenkandidaten gleichzeitig und live in der Wahlarena zusammenkamen.

Die beiden Moderatorinnen Ellen Ehni und Sabine Scholt mussten immer wieder für Ruhe sorgen. Besonders heftig gestritten wurde vor 150 Zuschauern im Kölner WDR-Studio "BS4" beim Thema Schule und Bildung. Aber auch bei Innerer Sicherheit, Wirtschaft und sozialer Gerechtigkeit gingen die Meinungen zum Teil weit auseinander.

Wahlarena - TV-Duell zwischen Hannelore Kraft, Armin Laschet und Co.
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NRW-Spitzenkandidaten debattieren im Fernsehen

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Foto: dpa, obe gfh

So gaben sich die Kontrahenten in der Runde:

  • Hannelore Kraft (SPD) betonte gleich in ihrer ersten Antwort eine Gemeinsamkeit mit der FDP: Sie sei gegen ein Dieselfahrverbot, sagte die 55-Jährige Mülheimerin, "das sehe ich ähnlich wie Herr Lindner". Kraft kehrte in der Debatte mehrfach die erfahrene Ministerpräsidentin hervor, indem sie erklärte, dass Vorschläge auch gegenfinanziert werden müssen. In die Defensive geriet sie, als Lindner darauf hinwies, dass in der nächsten mittelfristigen Finanzplanung 7000 Lehrer-Stellen weniger vorgesehen seien. Es gehe nur um zunächst zeitlich befristete Stellen wegen des Flüchtlingszuzugs, sagte Kraft und ergänzte: "Wir werden die notwendigen Stellen aufrechterhalten." Lindner forderte: "Faktencheck."
  • Armin Laschet (CDU) gab sich kämpferisch — vor allem in der Bildungspolitik. Merklich erregt warf er SPD und Grünen vor, nach der Wahl mit unterschiedlichen Modellen die Gymnasialreform vornehmen zu wollen. Das könne nicht funktionieren. Er räumte zwar ein, dass der Klimawandel "nicht erledigt" sei, warf aber den Grünen ideologisches Vorgehen vor: Es müssten nicht immer Verbote verhängt werden, mahnte er. Vielmehr müsse es weitere technische Verbesserungen geben. Dann habe auch der Diesel-Pkw wieder eine Chance. Wie im TV-Duell mit Kraft am vergangenen Dienstag zeigte er sich auch am Donnerstag beim Thema innere Sicherheit wieder überaus angriffsfreudig. Das erste, was er machen würde? "Innenminister Ralf Jäger absetzen."
  • Christian Lindner (FDP) kam als bekennender PS-Fan mit dem Auftaktthema "Dieselverbote" gut zurecht. Die Politik solle den privaten Autokäufern nicht so viele Vorschriften machen. Die Betroffenen wüssten "das meistens besser als Politiker, die Dienstautos fahren", landete er erstmal eine typische Lindner-Pointe. Auffallend war sein subtiler Machtkampf mit den tatsächlich nicht immer souveränen Moderatorinnen. Teilweise nahm er ihnen die Führung ab. Etwa als er mitten in der Gymnasialdebatte sagte: "Ich hoffe, wir reden auch noch über die berufliche Bildung", um selbst einen Themenwechsel einzuleiten. Oder als er die Debatte als "zu wolkig" bewertete und anbot, sie zu ordnen. An anderer Stelle übernahm Lindner es, AfD-Politiker Pretzell um konkretere Antworten zu bitten — eigentlich auch eine Aufgabe der Moderatorinnen.
  • Sylvia Löhrmann (Grüne) wirkte durchgehend angespannt. Mit einer halbwegs schlagfertigen Replik auf Laschet, der ihr ideologische Verbohrtheit beim Thema Fahrverbote für Diesel vorwarf, kam die 60-Jährige auch mal in die Offensive: "Herr Laschet, es hat nichts mit Ideologie zu tun, wenn man Grenzwerte einhält." Ihre umstrittene Gymnasial-Reform verteidigte die Ex-Lehrerin mit auswendig gelernt wirkenden Phrasen und verlor sich im Deklamieren schwer nachvollziehbarer Statistiken. Starker Moment: Sie nagelte AfD-Spitzenmann Marcus Pretzell fest, der nach dem Attentat auf den Dortmunder BVB-Bus der Landesregierung vorschnell Versagen vorwarf. Löhrmann: "Damit haben die Politiker nichts zu tun und bekommen trotzdem Galgen geschickt. Das ist das Ergebnis solcher Hetze."
  • Michele Marsching (Piraten) blieb wohl von allen Politikern am sachlichsten. Allerdings wurde der 38-Jährige im lila Hoodie mit der Aufschrift "Piraten" nach einer Stunde doch einmal unwirsch, weil er sich von den beiden Moderatorinnen übergangen fühlte und beim Thema Kita nicht zu Wort kam. In der Bildungspolitik mahnte er, auch auf die Schüler zu hören. Im Streit ums Gymnasium sprach er sich für das Abitur nach neun Jahren aus. Zum Schluss sagte Marsching, der Computerspezialist ist: "Wir brauchen weit in die Zukunft gerichtete Fragen. Wir waren klein, aber wir waren die Zecke im Nacken, und die wollen wir weiter sein."
  • Özlem Alev Demirel (Linke) wollte sich nicht lange beim Einstiegsthema Diesel aufhalten. Sie trat dafür ein, vor allem den öffentlichen Nahverkehr auszubauen und ein Sozialticket für Niedrigverdiener einzuführen. Dies solle in einem Umlageverfahren finanziert werden, ähnlich wie an den Unis der Semesterbeitrag. Für diesen Vorschlag erntete die Spitzenkandidatin der Linken, die um den Wiedereinzug ihrer Partei in den Landtag kämpft, von verschiedenen Seiten Widerspruch. Auch ihre Forderung nach einer Abschaffung des Verfassungsschutzes fand in der Runde keinen Anklang. Die 33-Jährige, die sich in der Diskussion wacker schlug, aber gelegentlich verzettelte, äußerte sich dezidiert zur Schulpolitik: "Wir müssen zurück zu G9."
  • Marcus Pretzell (AfD) gab sich anfangs betont locker — und sprach eigentlich auch nur, wenn er gefragt wurde. Mit Verlauf der Debatte wurde er aber zunehmend fahrig. Insbesondere als die Moderatorinnen von ihm wissen wollten, wieso er der Landesregierung beim Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund Versagen vorgeworfen habe, reagierte er ausweichend und wirkte nervös. Von den anderen Politikern in der Runde wurde er deshalb in die Zange genommen. Als er dann noch sagte, er hoffe, dass am Sonntag Marine Le Pen die Präsidentschaftswahlen in Frankreich gewinnen werde, gab es Buh-Rufe aus dem Publikum. Ansonsten erhob er seine Stimme vor allem gegen Sylvia Löhrmann. Ihr warf er vor, dass sie und ihre Partei sich in Angelegenheiten der Industrie einmische. Damit solle sie aufhören.
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