Zinswetten Städte sollen nicht mehr zocken

Düsseldorf · Mit hochriskanten Wetten auf den Schweizer Franken und auf Zinskurven haben NRW-Kommunen Millionenverluste gemacht. Das Innenministerium rät ihnen nun, Schadenersatzansprüche zu prüfen.

NRW: Städte sollen nicht mehr bei Zinswetten zocken
Foto: dpa, Bernd Thissen

Nachdem mehr als 100 Kommunen in NRW mit riskanten Zins- und Währungswetten Steuergelder in dreistelliger Millionenhöhe verloren haben, fordern CDU und FDP den Landtag zum Handeln auf. Ihr Gesetzentwurf, der am 24. April im Innenausschuss diskutiert werden soll, sieht "ein förmliches Verbot von spekulativen Finanzgeschäften für Kommunen" vor. Zusätzlich fordert die CDU eine neue "Kommunalfinanzagentur", die Kommunen beim Schuldenmanagement unterstützen soll. Dies könne "einen höheren Grad an Professionalität" gewährleisten, heißt es in der Begründung des Antrags.

Um ihre Zinslast zu verringern, haben die NRW-Kommunen massenhaft über sogenannte Swap-Geschäfte auf bestimmte Zinsverläufe gewettet. Die entwickelten sich aber völlig anders, weshalb den Kommunen je nach weiterem Zinsverlauf nun Verluste zwischen 100 Millionen und einer Milliarde Euro drohen. Zusätzlich nahmen 28 NRW-Kommunen Kredite in Schweizer Franken auf. "Nachdem die Schweiz den Euro zu Jahresanfang gegenüber dem Schweizer Franken drastisch abgewertet hat, bedeuten diese Währungskredite für die NRW-Kommunen ein weiteres Problem", erklärt der Kommunalexperte und Fraktionsvize der CDU im Landtag, André Kuper. "Sie müssen nun wesentlich mehr Euros aufwenden, um ihre Schweizer-Franken-Kredite zu tilgen." Kuper schätzt den Schaden der NRW-Kommunen auf 400 bis 900 Millionen Euro.

"Fährlässig bis zum Geht-nicht-mehr"

Wirtschaftsexperten schütteln über derart riskante Geschäfte schon lange den Kopf. Eine Verschuldung in Auslandswährung sei "fahrlässig bis zum Geht-nicht-mehr", sagt zum Beispiel Finanzprofessor Hans-Werner Sinn. Die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen hat in dieser Woche ein Spekulationsverbot für Kommunen auf den Weg gebracht. In Sachsen gilt ein solches Verbot seit 2012, andere Bundesländer wollen nach dem Franken-Desaster zumindest Fremdwährungskredite verbieten. Rot-Grün lehnt das in NRW bislang ab. Das für die Kommunalaufsicht zuständige Innenministerium hat derzeit auch keinen Überblick über die kommunalen Schäden durch entsprechende Geschäfte und will erst in zwei Wochen informieren.

Unangenehme Folgen haben die Zockergeschäfte der Kommunen auch für die Rechtsnachfolger der WestLB, die EAA und Portigon. Die frühere Landesbank hat die Spekulationspapiere besonders intensiv vertrieben. Die EAA trägt aktuell mit knapp 50 Kommunen Rechtsstreitigkeiten aus.

Immer mehr NRW-Kommunen verlangen Schadenersatz, weil sie sich von der WestLB schlecht beraten fühlen. "Im Zusammenhang mit den Zinswetten ist dieser Nachweis bereits mehrfach vor Gericht gelungen", sagt der auf dieses Gebiet spezialisierte Rechtsanwalt Jochen Weck. Er geht davon aus, dass die Kommunen auch für Schäden durch Schweizer-Franken-Kredite gute Aussichten auf Schadenersatz haben. In Summe drohen den WestLB-Rechtsnachfolgern Weck zufolge "Schadenersatz-Zahlungen von bis zu einer Milliarde Euro".

Das Innenministerium rät den Kommunen, "mögliche Ansprüche gegen Vertragspartner zu prüfen, auch Schadenersatzansprüche". Der Städte- und Gemeindebund NRW sieht darin sogar eine kommunale Pflicht. Für FDP-Fraktionsvize Ralf Witzel zeigt sich "einmal mehr, dass der Staat nicht der bessere Unternehmer ist". Der Steuerzahler dürfe nicht weiter für waghalsige Finanzexperimente haften.

(tor)
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