Wahl zum Parteivorsitz der NRW-SPD "Es wurde nichts ausgekungelt"

Düsseldorf · Sebastian Hartmann ist bisher der einzige Kandidat für den SPD-Landesvorsitz in NRW. Im Interview spricht er über Proporzdenken, seine Vorgängerin Hannelore Kraft und die Parteireform.

 Sebastian Hartmann.

Sebastian Hartmann.

Foto: RP/Krebs, Andreas (kan)

Sebastian Hartmann braucht keine Sonderbehandlung. Der bisher einzige Kandidat für den Parteivorsitz der Landes-SPD verzichtet bei seinem Besuch selbstverständlich auf sein Gastrecht, direkt vor dem Redaktionsgebäude zu parken. Es ist das erste Interview des Bundestagsabgeordneten aus Bornheim in seiner neuen Rolle.

Herr Hartmann, wie sicher sind Sie, dass Sie Ende Juni tatsächlich zum Landesvorsitzenden der SPD gewählt werden?

Sebastian Hartmann Am Ende entscheiden die Delegierten. Ich bin mir sicher, den Parteitag mit meinen Ideen zu überzeugen.

Rechnen Sie mit Gegenkandidaten?

Hartmann Mir ist kein Gegenkandidat bekannt.

Kritiker in der eigenen Partei sagen, dass Ihre Nominierung im Hinterzimmer ausgekungelt wurde.

Hartmann Es wurde nichts ausgekungelt. Der amtierende NRW-SPD-Chef Mike Groschek sprach mich im Umfeld der Findungskommission an.

Und Ihr Name wurde bekannt, bevor diese Kommission auch nur ein einziges Mal getagt hat.

Hartmann Es wurden zu dem Zeitpunkt viele Namen genannt. Die SPD will da jetzt Klarheit. Ich habe deutlich gemacht: Für diese Aufgabe brenne ich, und das will ich - ohne Rückfahrkarte.

Sind die rebellischen Genossen im Bezirk Westliches Westfalen nun zufriedengestellt mit dem Kompromiss, dass André Stinka als Schatzmeister antritt, Marc Herter als Parteivize und ein zusätzlicher Vizeposten an Veith Lemmen geht, einen Juso aus dem Westlichen Westfalen?

Hartmann Ich mache allen ein sehr gutes Personalangebot. Das wird ein Team sein, in dem die Gruppe der 40-Jährigen dominiert. Ich selbst bin auch 40 Jahre alt. Das ist die nächste Generation. Das wird ein sichtbarer Aufbruch für die NRW-SPD. Im Übrigen würde ich nicht von Rebellion sprechen. Die Abgeordneten haben bei der Wahl des Fraktionschefs einfach eine freie Entscheidung getroffen.

Wer sind die anderen Stellvertreter?

Hartmann Im Rheinland wurde Dörte Schall, 40, und in Ostwestfalen Elvan Korkmaz, 32, nominiert. Marc Herter ist 43, Veith Lemmen 34 Jahre alt. Vom Niederrhein könnte Sören Link, 41, dazukommen. Die deutliche Verjüngung des Teams ist ein gutes Signal.

Welche inhaltlichen Aussagen sind denn mit dieser Verjüngung verbunden?

Hartmann Die SPD hat die Antwort auf die drängenden Fragen unserer Zeit, wie zum Beispiel den digitalen Wandel. Wir können aus diesem technischen Wandel tatsächlich sozialen Fortschritt machen. Das heißt, wir müssen darüber streiten, wie wir das solidarische Miteinander in der Gesellschaft neu organisieren. Das gilt auch für Themen wie Wohnungsbau und Mobilität. Die SPD muss spannender werden.

Was meinen Sie damit konkret?

Hartmann Wir müssen zeigen, dass ein Auseinanderfliegen der Gesellschaft kein Automatismus ist. Wir müssen für den sozialen Zusammenhalt kämpfen - das ist vor allem eine Verteilungsfrage. Wir sind eine linke progressive Volkspartei.

Muss die SPD in der Flüchtlingsfrage eine neue Position einnehmen, mehr das Fordern statt das Fördern betonen?

Hartmann Wir dürfen keine Debatte auslassen und den Populisten überlassen. Auch nicht, wenn es darum geht, wie Zuwanderung sich auf Wohnen oder den Arbeitsmarkt auswirkt.

Welche Rolle spielt Hannelore Kraft noch in der nordrhein-westfälischen SPD?

Hartmann Sie ist die Ministerpräsidentin von NRW, die es geschafft hat, Projekte wie "Kein Kind zurücklassen" nach vorn zu bringen und die NRW-SPD in eine ganz erfolgreiche Phase zu bringen.

Und künftig?

Hartmann Sie ist Mitglied des Landtags.

Werden Sie als Spitzenkandidat bei der nächsten Landtagswahl antreten?

Hartmann Ein Parteivorsitzender ist immer ein möglicher Kandidat. Meine erste Aufgabe aber ist es, die Partei in die Lage zu versetzen, die Landtagswahl 2022 zu gewinnen.

Der neue Fraktionschef Kutschaty hat seinen Anspruch auf das Amt des Spitzenkandidaten schon formuliert.

Hartmann Thomas Kutschaty und ich werden ein schlagkräftiges Team bilden.

Thomas Kutschaty, sagte auf die Frage, wie er mit Ihnen künftig zusammenarbeiten werde, etwas lapidar: "Das wird schon gehen."

Hartmann Das ist doch positiv. Dann wird das schon gehen.

Welchen Vorteil hat es, dass die Ämter des Fraktionsvorsitzenden und des Parteichefs getrennt bleiben sollen?

Hartmann Es hat Vorteile. Wir haben ja auch eine doppelte Aufgabe - eine Oppositionsaufgabe im Landtag und auf der anderen Seite die organisatorische Neuordnung einer Partei, die Kommunen, Land, Bund und Europa mitdenkt.

Zwei Personen bergen immer das Risiko von Reibungsverlusten. Warum baut die SPD nicht eine starke Figur in NRW auf, so wie einst zu Zeiten von Johannes Rau?

Hartmann Jede Zeit braucht eine eigene Antwort. Das hat Willy Brandt gesagt.

Welche Antworten hat die nordrhein-westfälische SPD auf die Politik von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU)?

Hartmann Er macht keine ausreichende Strukturpolitik, weil er in Berlin nicht genug wahrgenommen wird. Zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit etwa braucht es einen sozialen Arbeitsmarkt. Energiewende, Digitalisierung, Globalisierung - das Land ändert sich. Da muss man gestalten wollen.

Müsste Armin Laschet seine Landwirtschafts- und Umweltministerin Christina Schulze Föcking jetzt entlassen?

Hartmann Laschet muss erklären, ob er noch hinter ihr steht. Ich halte sie nach den jüngsten Vorfällen nicht mehr für tragbar.

Kirsten Bialdiga und Michael Bröcker führten das Gespräch.

(RP)
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