Kann die Sicherheit von Unterkünften gewährleistet werden? Die Sorge vor Übergriffen auf Flüchtlinge in NRW wächst

Exklusiv | Düsseldorf · Noch konzentrieren sich hiesige Neonazis laut Behörden auf den Ukrainekrieg selbst. Das könnte sich schnell ändern. Die Sorge vor Nachahmern der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte wächst. Landespolitiker mahnen Wachsamkeit und mehr Mittel für die Kommunen an.

Die ukrainische Fahne weht auf dem Dach eines Nebengebäudes vor den Resten des abgebrannten Hotelgebäudes im mecklenburg-vorpommerschen Groß Strömkendorf.

Die ukrainische Fahne weht auf dem Dach eines Nebengebäudes vor den Resten des abgebrannten Hotelgebäudes im mecklenburg-vorpommerschen Groß Strömkendorf.

Foto: dpa/Jens Büttner

Nach dem Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Mecklenburg-Vorpommern wächst die Sorge vor Nachahmern auch im Westen der Republik. Für das laufende Jahr haben die Sicherheitsbehörden jedoch bislang keine Gewaltdelikte mit Flüchtlingsunterkünften registriert. „Derzeit liegt der Fokus der Angehörigen der rechten Szene noch auf dem Themenfeld des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine“, erklärte ein Sprecher von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Hierbei lasse die Agitation des politisch rechten Lagers eine mehrheitlich prorussische Ausrichtung erkennen.“ Vereinzelt ließen sich aber auch proukrainische Ausrichtungen erkennen. „Die Flüchtlingsthematik und hierbei das vorherrschende Thema Fremdenfeindlichkeit stellt jedoch durchaus ein verbindendes Element dar, welches dazu geeignet ist, innerhalb kurzer Zeit zum dominierenden Thema zu werden“, so der Sprecher weiter. „Menschenverachtende Hassbotschaften, Narrative und Provokationen von Rechtsextremisten finden im virtuellen Raum Verbreitung, um Stimmung gegen Flüchtlinge oder die Ausländer- und Asylpolitik zu machen.“ Derzeit lägen den Sicherheitsbehörden in NRW zwar keine konkreten Gefährdungshinweise aus dem rechtsextremistischen Spektrum gegen Flüchtlingsunterkünfte vor. „Die Sicherheitsbehörden beziehen aber die abstrakte Gefährdung von Flüchtlingsunterkünften kontinuierlich in die Lagebeurteilung ein und stimmen sich untereinander über konkrete Maßnahmen ab.“

Bei der Frage nach der Gefährdungslage für die Geflüchteten spielt in den Überlegungen der hiesigen Behörden auch der russische Geheimdienst eine Rolle: „Mit Blick auf die künftigen Aufklärungsinteressen russischer Nachrichten- und Sicherheitsdienste ist denkbar, dass Oppositionelle, Dissidenten oder sonstige als Staatsfeinde definierte Personen verstärkt in den Fokus geraten“, sagte der Ministeriumssprecher. Bezogen auf die potenziellen Opfer hieß es, dabei könnte es sich sowohl um ukrainische, als auch russische Staatsangehörige – etwa Kriegsdienstverweigerer – handeln, die als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen seien. „Konkrete Hinweise auf ein entsprechendes Vorgehen russischer Stellen liegen derzeit allerdings nicht vor.“

In der Flüchtlingswelle 2015 und 2016 hatte es mehrere Gewaltakte gegen Flüchtlingsunterkünfte gegeben. Im seinerzeit geführten Lagebild wurden unter „Asyl und Zuwanderung“ insgesamt 31 Gewaltstraftaten für das Jahr 2015 und 42 für das Jahr 2016 im Zusammenhang mit Asylunterkünften ausgewiesen.

 „Bereits jetzt ist die Zahl der Menschen, die zu uns fliehen, so hoch wie lange nicht“, sagte Marc Lürbke, FDP-Fraktionsvize. „In den kommenden Winterwochen ist ein weiterer Anstieg zu befürchten, nicht nur durch Geflüchtete aus der Ukraine.“ Viele Kommunen seien bei der Unterbringung bereits jetzt überfordert und schlügen laut Alarm. „Erste Sporthallen werden bereits zur Unterbringung genutzt. Ich habe die große Sorge, dass genau diese prekäre Entwicklung von Rechten gekapert wird, um weiter Hass und Hetze in unserer freiheitlichen Gesellschaft zu säen.“ Man dürfe nicht zulassen, dass die Solidarität umschlägt. „Gerade aus der Ukraine haben besonders viele Frauen und Kinder in NRW Schutz gesucht. Dieser Schutz vor Angriffen und Übergriffen – auch in den Unterbringungseinrichtungen – muss mit aller Kraft stets gewährleistet sein.“ Lürbke forderte ausreichend professionell geschultes Sicherheitspersonal vor Ort sowie auch die bestmögliche Unterstützung durch die Sicherheitsbehörden des Landes. „Das ist keine leichte Aufgabe, wir dürfen die Kommunen damit nicht alleine lassen. Schwarz-Grün muss den Schutz der Einrichtungen in NRW gewährleisten.“

Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) sagte unserer Redaktion, es sei gut, dass der Bund sich an den stark steigenden Kosten der Länder und Kommunen für die Unterbringung der Menschen beteilige. Zugleich verwies die Ministerin auf den Nachtragshaushalt, mit dem das Land den Kommunen über das Flüchtlingsaufnahmegesetz noch einmal zusätzlich 570 Millionen Euro zur Verfügung stelle. „Gleichzeitig wissen wir, dass die Kommunen insbesondere bei der Unterbringung der Geflüchteten Entlastung brauchen. Daher baut das Land mit Hochdruck die Kapazitäten in Landesunterkünften aus.“

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