Gleichberechtigung im Beamtenwesen So kompliziert ist der Streit um die Frauenförderung in NRW

Düsseldorf · Das neue Gesetz, das mehr Beamtinnen in NRW in Spitzenpositionen bringen soll, ist in erster Instanz in verschiedenen Eilverfahren durchgefallen. Ex-Verfassungsgerichts-Präsident Papier ist dabei anderer Auffassung.

 NRW will mehr Frauen in Führungspositionen.

NRW will mehr Frauen in Führungspositionen.

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Eigentlich hätte der Düsseldorfer Finanzbeamte, nennen wir ihn Andreas P., schon im September 2016 befördert werden sollen. So stand es auf seiner Beförderungsliste — und darauf war bisher immer Verlass. Doch dann kam die Dienstrechtsnovelle der rot-grünen Landesregierung dazwischen, die dazu beitragen soll, den Frauenanteil in Führungspositionen der Landesverwaltung zu erhöhen. Auf einmal sollte eine Kollegin den höheren Posten bekommen, die aufgrund ihrer Beurteilung "im Wesentlichen gleich" gut geeignet war. Bis dahin mussten Frauen die "gleiche Eignung" vorweisen. Andreas P. wartet nun vergeblich auf seine Beförderung.

Noch im Februar entscheidet das Oberverwaltungsgericht in Münster

NRW: So kompliziert ist der Streit um die Frauenförderung
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Viele Beamte in Nordrhein-Westfalen machen zurzeit dieselbe Erfahrung. Mehr als 60 von ihnen haben gegen das neue Gesetz geklagt, weil sie sich benachteiligt sehen. Sechs dieser Klagen wurden bisher nach Angaben der Landesregierung bis Anfang Januar von Gerichten entschieden, die Kläger bekamen Recht. Allerdings nur vorläufig: Im Eilverfahren und auch nur in erster Instanz. In den nächsten Tagen könnte es spannend werden. Noch im Februar wird im Eilverfahren erstmals die Entscheidung einer höheren Instanz erwartet, und zwar des Oberverwaltungsgerichts in Münster. Die Entscheidung in der Sache steht aber aus und könnte noch länger auf sich warten lassen.

Für ihr neues Gesetz zur Frauenförderung musste die Landesregierung viel Kritik einstecken. FDP-Fraktionschef Christian Lindner kritisierte, mit der Formulierung "bei im Wesentlichen gleicher Eignung" werde der Leistungsgrundsatz durchbrochen. "Im Wesentlichen gleich" meint Folgendes: Mitarbeiter etwa in der Finanzverwaltung werden nach Noten und Punkten beurteilt. Für die Note "sehr gut" gibt es Punkte zwischen 41 und 44. Nach altem Recht wurden Frauen bei Punktgleichheit bevorzugt befördert. Nach neuem Recht werden Frauen bevorzugt, die die Note "sehr gut" erreichen, auch wenn der Mann ein oder zwei Punkte mehr hat.

FDP will klagen

Die FDP will eine Klage vor dem Landesverfassungsgericht anstrengen. Dafür bräuchte sie aber die Unterstützung anderer Fraktionen. Doch CDU-Fraktionschef Armin Laschet will sich auf einen solch langwierigen Weg nicht einlassen. Dagegen ist die Landesregierung entschlossen, das Gesetz zu verteidigen, wenn nötig bis zum Europäischen Gerichtshof.

Tatsächlich ist die Lage rechtlich nicht so eindeutig, wie es die ersten Gerichtsurteile der unteren Instanzen vermuten lassen. Die Landesregierung kann sich auf ein umfassendes Rechtsgutachten des früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, stützen, das sie zuvor in Auftrag gegeben hatte.

Grundlage für jegliche Form der Frauenförderung in Deutschland ist das Grundgesetz. In Artikel 3 heißt es nämlich nicht nur: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Sondern auch: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin." Dieser Auftrag dient Papier zufolge "in erster Linie der Herstellung gleicher Erwerbschancen".

Statistiken zeigen Ungleichheit

Dass die Berufschancen in der Landesverwaltung noch immer recht ungleich verteilt sind, belegen Statistiken, mit denen auch Papier argumentiert. Dem Gleichstellungsbericht der Landesregierung zufolge (Stichtag 31.12. 2012) arbeiten zwar mit 58,7 Prozent insgesamt überdurchschnittlich viele Frauen im Landesdienst. Im höheren Dienst aber sind demnach Frauen in allen Teilbereichen der Landesverwaltung bis auf Schulen in der Minderzahl. Für den Bereich der Polizei inklusive ihrer inneren Verwaltung gilt das schon für den gehobenen Dienst.

Und gerade in den Spitzenpositionen der Ministerien war die Entwicklung zuletzt zum Teil sogar rückläufig. Das ist ein Indiz dafür, dass die bisherige Frauenförderung nicht greift. Oder wie es in dem Rechtsgutachten des Ex-Verfassungsrichters heißt: Da Frauen in höheren Positionen unterrepräsentiert seien, "ist eine solche faktische Benachteiligung anzunehmen". Dabei spielt es nach Papiers Auffassung keine Rolle, ob sie wegen diskriminierender Beförderungsentscheidungen unterrepräsentiert sind oder wegen einer stärkeren familiären Belastung.

Dem Streben nach Gleichstellung von Mann und Frau sind aber Grenzen gesetzt durch andere Verfassungsgrundsätze. In Konkurrenz hierzu steht nach verbreiteter juristischer Meinung in diesem Fall Artikel 33 des Grundgesetzes, auch bekannt als Leistungsgrundsatz: "Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung Zugang zu jedem öffentlichen Amte". Einzelne Gerichte sehen diesen Grundsatz durch das neue Gesetz der Landesregierung verletzt.

Männer werden bevorzugt

Doch Ex-Verfassungsrichter Papier führt Gegenbeispiele an: So würden ehemalige Soldaten bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst bevorzugt. Ähnlich habe es sich mit Spätheimkehrern verhalten. Papier merkt dazu an, es sei auffällig, dass von diesen Ausnahmen des Gesetzgebers praktisch ausschließlich Männer profitierten: "Offensichtlich wird es weniger hinterfragt, wenn Männern ein Ausgleich dafür gewährt wird, dass sie aus letztlich gesamtgesellschaftlich zu verantwortenden Gründen am beruflichen Fortkommen gehindert werden."

Doch das NRW-Gesetz könnte am Ende aus einem anderen Grund scheitern. Die Verwaltungsgerichte, die sich damit bisher beschäftigten, sind der Auffassung, dass das Land hierfür nicht die Gesetzgebungskompetenz hat. Die liege beim Bund, die Frage sei im Beamtenstatusgesetz geregelt. Doch Ex-Verfassungsrichter Papier widerspricht auch hier: Die Regelung des Bundes sei nicht abschließend und lasse Raum für landesrechtliche Frauenförderung.

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