Grenzverkehr nach Holland und Belgien NRW setzt beim Reiseverkehr auf Appelle statt Verbote

Düsseldorf · NRW erklärt, allein mit dem Aufruf, auf unnötige Shoppingtouren und Tasgesausflüge nach Belgien und in die Niederlande zu verzichten, habe man den Grenzverkehr um 60 Prozent gesenkt.

 Grenze zwischen den Niederlanden und Deutschland.

Grenze zwischen den Niederlanden und Deutschland.

Foto: dpa/Friso Gentsch

NRW lehnt Grenzschließungen oder schärfere Maßnahmen zur Unterbindung des Reiseverkehrs in den Osterferien nach Belgien oder in die Niederlande ab. Europa-Minister Stephan Holthoff-Pförtner sagte bei einer Pressekonferenz in Düsseldorf: „Seit einem Jahr werden offene Grenzen problematisiert.“ In vielen Regionen Europas seien diese geradezu instinktiv geschlossen worden. „Bilder von langen Lkw-Schlangen, Straßensperren und Polizeikontrollen an den Grenzen ließen leider nicht lange auf sich warten – genau die Bilder, die wir eigentlich nicht mehr sehen wollten.“

Man habe sich mit den beiden Nachbarländern bewusst gegen schärfere Einreiseauflagen wie etwa verpflichtende Tests entschieden. „Sie können die Grenze auch so schließen, dass Sie die Schranken so hoch legen, dass sie in Wahrheit nicht mehr geöffnet ist. Die Schäden, die dadurch angerichtet werden, sind jedoch größer.“ Der Minister verwies auf die Grenzschließungen von Polen und Tschechien. Diese hätten wirklich einen Schaden für die Beziehung der Länder mit sich gebracht.

Mit Blick auf mögliche Urlaubsreisen in den Oster- und Sommerferien hielt sich der niederländische Innenstaatssekretär Raymond Knops bedeckt. „Über den Frühling und Sommer kann man noch nichts sagen, weil die Zahlen und ihre Entwicklung nicht sicher sind.“ Blieben die Infektionszahlen jedoch in dem augenblicklichen Umfang, gebe es keine Möglichkeit zu reisen. „Wir haben immer gesagt, Tourismus ist keine notwendige Arbeit“, so Knops. „Wir versuchen durch eine hohe Zahl von Impfungen in den kommenden Monaten eine Situation zu bekommen, in der Reisen wieder möglich ist und auch die Ferien.“

Holthoff-Pförtner verwies auf die Erfolge durch Appelle. „Es hat Appelle von Herrn Rutte und Herrn Laschet gegeben, unnötige Reisen in die Nachbarländer zu Wanderungen oder Einkäufen zu unterlassen. Allein durch diese ist der Grenzverkehr um 60 Prozent zurückgegangen“, so der Minister. „Strenge Verbote stellen etwas Martialisches dar, bringen aber in Wahrheit keine Regelungen.“

In den Niederlanden lag die Sieben-Tage-Inzidenz am Montag bei 266,3. Belgien verzeichnete 247,8 Neuinfizierte je 100.000 Einwohner innerhalb von einer Woche. In diesem Zusammenhang wies Holthoff-Pförtner Vorwürfe zurück, NRW habe sich nicht wie andere Bundesländer mit einer Außengrenze um zusätzlichen Impfstoff für die grenznahen Städte und Kreise bemüht. Diese Möglichkeit war beim Impfgipfel am vergangenen Freitag verabredet worden.

„NRW verzichtet natürlich nicht. Wir haben aber gemeinsame Regulierungen getroffen, indem, wir Kriterien haben – Mutationen, Inzidenzien und Vorerkrankungen –, nach denen diese Mittel für die Grenzregionen zur Verfügung gestellt werden.“ Da NRW erfreulicherweise die katastrophalen Zahlen anderer Grenzsituationen nicht habe, habe man infolge auch keinen Anspruch.

Eine Sprecherin des Europaministers verwies später darauf, die an das französische Département Moselle angrenzenden Regionen würden zusätzliche Impfdosen erhalten aufgrund der Verbreitung der südafrikanischen Virusvariante im Département Moselle, deren Eintrag nach Deutschland begrenzt werden soll. „Außerdem erhalten die Regionen, die Pendlerströme aus Tschechien aufweisen, zusätzliche Impfdosen, da die Inzidenz in Tschechien derzeit die höchste aller Nachbarländer ist. Sie liegt oberhalb von 700 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner.“ Die Infektionslage in Belgien und den Niederlanden sei mit diesen beiden Situationen nicht vergleichbar. „Weder liegt in unseren beiden Nachbarländern eine derart starke Verbreitung der südafrikanischen Variante vor wie in Moselle noch ist die Anzahl der Infektionen pro 100.000 so hoch wie in Tschechien.“

Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Josef Neumann, forderte dennoch, die Zuteilung der Impfstoffe für die Impfzentren müsse insgesamt neu strukturiert werden. „Bisher funktioniert sie nur nach einem Bevölkerungsschlüssel. Das macht aber keinen Sinn. Denn regionale Unterschiede, wie zum Beispiel die Anzahl chronisch kranker Menschen, bleiben so völlig unberücksichtigt.“ Die Folge sei dass einzelne Impfzentren – zum Beispiel in Bonn – weniger Impfstoff verbrauchten als beispielsweise ein Impfzentrum in Gelsenkirchen, einer Stadt mit langjähriger industrieller Tradition und damit auch mit mehr Menschen, die eine Vorerkrankung haben. „Die Landesregierung ist deshalb jetzt aufgefordert, den Impfstoffaustausch zwischen den Impfzentren proaktiv zu organisieren. Dafür brauchen wir jetzt schnell einen Impfgipfel, um mit allen Beteiligten gemeinsam die besten Lösungen zu ermitteln“, so Neumann.

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