SPD und Grüne fordern „Plan B“ NRW-Schulministerin Gebauer hält an Präsenzunterricht fest

Düsseldorf · Wenige Monate vor der Landtagswahl wird der Ton rauer in NRW. Die Parteien positionieren sich vor allem in der Schul- und Corona-Politik. Dabei legt sich die Schulministerin in vielen Bereichen fest - und nimmt den Oppositionsführer in die Zange.

 Homeschooling ist in NRW erstmal kein Thema. Gebauer hält an den Präsenzunterricht fest. (Archivbild)

Homeschooling ist in NRW erstmal kein Thema. Gebauer hält an den Präsenzunterricht fest. (Archivbild)

Foto: dpa/Bernd Wüstneck

Trotz steigender Corona-Infektionszahlen hält Nordrhein-Westfalens Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Unterricht im Klassenzimmer fest. „Präsenzunterricht bleibt oberstes Gebot“, bekräftigte sie am Mittwoch im Schulausschuss des Düsseldorfer Landtags. Alle Schutzmaßnahmen dienten dem Ziel, den für die Bildungsgerechtigkeit so wichtigen Präsenzunterricht zu erhalten.

SPD und Grüne mahnten dagegen - ebenso wie Bildungs- und Kommunalverbände - erneut einen „Plan B“ an, damit Schulen genau wüssten, was zu tun sei, wenn die Corona-Lage sich drastisch verschlimmere. Gebauer verkenne die Dynamik der Pandemie-Entwicklung ebenso wie den Druck und die Unsicherheit an den Schulen, kritisierte SPD-Vizefraktionschef Jochen Ott. „Es wird die Fiktion der absoluten Normalität aufrechterhalten. So kann man eine Pandemie nicht steuern.“

Vier Monate vor der Landtagswahl kristallisieren sich die Schulpolitik und das Corona-Management immer stärker als Kampffelder der Parteien heraus. Der Ton wird giftiger, die Anwürfe härter. Das zeigte sich auch im Schulausschuss.

Noch bevor sie zur aktuellen Corona-Lage in den Klassenzimmern berichtete, nahm die üblicherweise eher moderat auftretende Schulministerin den Oppositionsführer und SPD-Spitzenkandidaten Thomas Kutschaty kräftig in die Zange. Der ehemalige Landesjustizminister ziehe leichtfertig die Corona-Tests an den Schulen und die dahinter stehende Wissenschaft in Zweifel und gebe seine Unkenntnis über die Verfahren „vor jedem Mikrofon preis“, wetterte Gebauer. „Er verunsichert die Eltern von Porta Westfalica bis Aachen.“ Und weiter: „Von so jemandem“ brauche sie keine Ratschläge zur Bekämpfung der Pandemie.

Auslöser: Die SPD, aber auch die Grünen werfen der Landesregierung vor, dass neue Tests für die Schulen im Bereich geringerer Viruslasten weniger Infektionen erkennen als die bisherigen. Schulstaatssekretär Matthias Richter wies die Kritik zurück. Alle verwendeten Tests seien vom Paul-Ehrlich-Institut empfohlen und erfüllten ihren Zweck, infektiöse Schüler zu identifizieren und aus dem Unterricht herauszunehmen, um Ansteckungsketten zu durchbrechen. Die regelmäßigen Corona-Schnelltests an den NRW-Schulen seien bis zu den Weihnachtsferien 2022/23 vertraglich gesichert und die PCR-Tests an den Grund- und Förderschulen sogar bis Mitte 2023.

Tatsächlich gebe es in NRW trotz Pandemie „immer noch ordentlichen Unterricht“, bilanzierte die Vizevorsitzende der CDU-Fraktion, Petra Vogt. SPD und Grünen hielt sie vor, alles werde für „billige Geländegewinne hochstilisiert“. Immerhin gelang es den beiden Oppositionsfraktionen, der Schulministerin mit hartnäckigen Nachfragen einige Festlegungen zu entlocken.

Wechselunterricht: Eine coronabedingte Aufteilung in Lerngruppen schloss Gebauer aus. „Wechselunterricht ist für Nordrhein-Westfalen keine Alternative.“ Eine Sachverständigen-Anhörung des Landtags habe ergeben, dass er „die schlechteste aller Alternativen“ sei, weil die Aufteilung den höchsten Aufwand erfordere, den Kindern aber am wenigsten gerecht werde. Für sie komme nur Präsenz- oder Distanzunterricht infrage.

Empfehlungen: Die Ministerin kündigte an, den Schulen „schnellstens“ weitere Hinweise zukommen zu lassen, wie der Präsenzunterricht am besten an die Corona-Lage anzupassen sei. Der Städtetag, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie der Lehrerverband Bildung und Erziehung mahnten solche Klarstellungen dringend an. Bis jetzt seien die Regierungspläne „völlig im Nebel“, sagte die Schulpolitikerin der Grünen, Sigrid Beer.

Präsenzpflichten: Ein Aussetzen der Präsenzpflichten im Unterricht komme für sie nicht in Betracht, sagte Gebauer. Andernfalls blieben gerade diejenigen Schüler zu Hause, die den Unterricht im Klassenverbund am dringendsten bräuchten. „Kinder brauchen auch Kinder. Und Kinder brauchen auch Halt und Strukturen.“ In der ersten Woche nach den Weihnachtsferien haben in NRW nach Zahlen des Schulministeriums 865 Schülerinnen und Schüler die Teilnahme an Corona-Tests verweigert. Wer kein negatives Testergebnis nachweisen kann, ist vom Schulbesuch ausgeschlossen.

Skifreizeiten: Gebauer sieht keine Verpflichtung für Schulkinder, in der derzeitigen Corona-Lage an Skifreizeiten teilzunehmen. „Ich bin nicht der Meinung, dass man Kinder und Eltern zwingen kann.“ Sie halte es für „nicht förderlich, über zehn Stunden gemeinsam im Bus zu sitzen“, um möglicherweise „in ein Hochinzidenzgebiet zu fahren“. Wer das plane, müsse das zuvor mit der Schulkonferenz abgestimmt und entsprechende Storno-Regeln vereinbart haben, damit Eltern am Ende nicht auf den Kosten sitzen blieben. „Das erwarte ich.“

„Das derzeitige Infektionsgeschehen nimmt Fahrt auf“, bilanzierte Gebauer. Die Omikron-Variante stelle sich als deutlich infektiöser dar. Bislang sei die Lage an den Schulen aber noch stabil.

Ebenso wie in der Woche vor Weihnachten sei - laut Erfassung bis zum 12. Januar - weiterhin keine Schule in NRW vollständig wegen Corona geschlossen. Nur an einer Schule sei bis dahin ausschließlich in Distanz unterrichtet worden (vor Weihnachten an 11 Schulen). An 95 Schulen sei in Präsenz und Distanz unterrichtet worden (vor Weihnachten: 133 Schulen). Nur 3,1 Prozent der Lehrkräfte (zuvor: 1,8 Prozent) und 2,9 Prozent der Schüler (zuvor: 2,6 Prozent) könnten coronabedingt nicht in den Präsenzunterricht.

Aus Sicht des AfD-Abgeordneten Helmut Seifen macht der Bericht deutlich, „dass das Coronavirus an den Schulen völlig bedeutungslos ist“. Die FDP-Abgeodnete Franziska Müller-Rech nannte es hingegen „fahrlässig, das Coronavirus immer wieder zu verharmlosen“.

(ldi/dpa)
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