Schulministerin zum Bildungsprotest „Verschließen nicht die Augen vor den Problemen“

Meinung | Düsseldorf · NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) äußert in einem Gastbeitrag Verständnis für die Bildungsproteste in deutschen Städten. Sie kündigt an: Was personell und finanziell umsetzbar ist, um die Schulen in unserem Bundesland besser zu machen, das wird getan.

NRW Schul- und Bildungsministerin Dorothee Feller (CDU) beim Besuch einer Gesamtschule in Duisburg.

NRW Schul- und Bildungsministerin Dorothee Feller (CDU) beim Besuch einer Gesamtschule in Duisburg.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Ich habe in den vergangenen Monaten viele Schulen in Nordrhein-Westfalen besucht, um mir einen unmittelbaren Eindruck von der Situation vor Ort zu verschaffen. Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer sowie viele engagierte schulische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berichteten mir von spannenden schulischen Projekten, ihren Gedanken, ihren Wünschen und ihrem Blick auf die Zukunft. Sie alle nahmen kein Blatt vor den Mund, schilderten mir Probleme an ihren Schulen. Das ist gut so, denn es gibt viele Herausforderungen, die wir - oft gleichzeitig - zu bewältigen haben.

Wenn wir von unserem Schulsystem sprechen, geht es oft um nüchterne Fakten. Um Geld. Um Lehrpläne. Um Stellen und Statistiken. Auch deshalb sind diese Begegnungen und Besuche so wichtig. Der direkte Austausch zeigt die Wirklichkeit.

Selbstverständlich werde ich auch mit großem Interesse verfolgen, was die Demonstrantinnen und Demonstranten zu sagen haben, die heute in Köln und anderen Städten Deutschlands auf die Straßen gehen, um eine bessere Bildung zu fordern. Ich bin sicher, dass auf ihren Transparenten und in ihren Reden zahlreiche Themen angesprochen werden, die auch mich als Schul- und Bildungsministerin umtreiben: Wir haben zu wenig Lehrerinnen und Lehrer. Zu viele junge Leute verlassen unsere Schulen ohne Abschluss. Zu viele Mädchen und Jungen können nicht gut genug lesen und schreiben. Auch die seit einiger Zeit wieder deutlich gestiegene Zuwanderung, insbesondere nach dem russischen Angriffskrieg, stellt unsere Schulen vor große Herausforderungen. Und: Wir müssen mehr Tempo bei der Digitalisierung machen. Diese Liste ließe sich fortsetzen.

Kurzum: Viele Forderungen – egal ob an den Schulen oder bei den Protesten artikuliert – sind berechtigt. Und deswegen arbeiten wir intensiv daran, dass es besser wird. Das wird nicht von heute auf morgen gelingen, sondern Zeit brauchen. Zu viel hat sich in den vergangenen Jahren aufgetürmt. Aber wir packen es jetzt beherzt an.

Der Schulhaushalt für das Jahr 2024 umfasst 22,2 Milliarden Euro und ist im nordrhein-westfälischen Gesamthaushalt der größte Einzeletat. Trotz der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Lage soll der Schulhaushalt im nächsten Jahr wachsen - um 354 Millionen Euro. Das ist ein starkes Signal.

Eine der größten Herausforderungen für die Schulen ist der Lehrkräftemangel. Unser Hauptziel ist es daher, mehr Personal in unsere Schulen zu bekommen. Dazu werden wir unser Handlungskonzept zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung, das bereits an vielen Stellen greift, analysieren und weiterentwickeln, denn eine bessere Unterrichtsversorgung bleibt eine Daueraufgabe.

Die Besoldung der Lehrkräfte in der Primarstufe und in der Sekundarstufe I haben wir bereits erhöht. 900 Millionen Euro sind dafür vorgesehen. Wir führen zurzeit Gespräche mit den Hochschulen, um die Zahl der Plätze für das Lehramtsstudium zu steigern. Die Türen für Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger an unseren Grundschulen haben wir weiter geöffnet. Alltagshelferinnen und Alltagshelfer entlasten die Lehrerinnen und Lehrer in ihrer täglichen Arbeit. Zudem nutzen wir das Instrument der Abordnungen von Lehrkräften, um Schulen mit großer Personalnot gezielt zu unterstützen. Und wir haben ein Stipendienprogramm ins Leben gerufen, gemeinsam mit drei Ruhrgebietsuniversitäten, der RAG-Stiftung und der Wübben-Siftung. Das alles wird dazu beitragen, dass es Schritt für Schritt besser wird.

Dass laut Studien viele Schülerinnen und Schüler an Grundschulen große Schwächen beim Lesen und Schreiben haben, treibt mich um. Fehlen wichtige Grundvoraussetzungen für den schulischen Start ins Leben, werden Lebenschancen verhindert. Deshalb sieht der Haushaltsentwurf für das nächste Jahr auch mehr als acht Millionen Euro vor, um die Basiskompetenzen der Grundschülerinnen und Grundschüler zu stärken. Das Geld wird beispielsweise für die Entwicklung von standardisierten Screenings (Überprüfung von Leistungen) eingesetzt, die künftig bei der Schulanmeldung flächendeckend zum Einsatz kommen sollen. Zudem ganz wichtig: Seit Beginn des neuen Schuljahrs gilt an unseren Schulen eine verbindliche Lesezeit von 3 mal 20 Minuten pro Woche. Dahinter verbirgt sich ein umfangreiches Konzept zur Leseförderung.

Alles, was personell und finanziell umsetzbar ist, das machen wir bereits. Und das werden wir weiterhin machen. Wir wollen den Schulentwicklungskonferenzen mehr Freiräume bieten und Schulleitungen noch gezielter unterstützen und von Bürokratie entlasten. Ende des Jahres wird die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz ein Gutachten zur Lehrkräfteausbildung vorlegen. Dann werden wir uns genau anschauen, ob und wenn ja wie wir die Lehrkräfteausbildung weiterentwickeln.

Wichtig ist aber auch, dass der Bund seiner Verantwortung fürs Bildungssystem noch stärker nachkommen muss. Beim Startchancenprogramm, das insbesondere Schulen in sozial schwierigeren Lagen fördern soll, haben wir schon mal eine gute Lösung gefunden. Bis zum Jahresende müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen stehen, damit wir zum Schuljahr 2024/ 2025 auch durchstarten können.

Auch beim Digitalpakt 2.0 muss der Bund sich zu einer klaren Finanzierung bekennen, damit die Länder und ihre Schulen eine verlässliche und dauerhafte Unterstützung erhalten.

Hier gilt ebenfalls der Grundsatz: Nur gemeinsam können wir die Probleme angehen. Zugunsten unserer Schulen. Zugunsten all der besonderen und engagierten Menschen, die in ihnen wirken. Zugunsten der jungen Menschen, denen Lebensperspektiven ermöglicht werden müssen. Im Interesse der ganzen Gesellschaft.

Die Autorin ist seit dem 29. Juni 2022 Ministerin für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen.

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