Laschet rudert zurück NRW rückt von harter Corona-Notbremse ab

Düsseldorf · Die neue Schutzverordnung ermöglicht es Kreisen und Städten, trotz Inzidenzen über 100 auf scharfe Maßnahmen zu verzichten. Die Opposition ist verärgert und spricht angesichts steigender Infektionszahlen von einem „fatalen Signal“.

 NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) bei der Vorstellung der neuen Coronaschutzverordnung.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) bei der Vorstellung der neuen Coronaschutzverordnung.

Foto: dpa/Marcel Kusch

Die Landesregierung hat am Freitag die neue Corona-Schutzverordnung veröffentlicht. Darin enthalten ist ein Abrücken von der Notbremse. Bund und Länder hatten sich darauf verständigt, dass Lockerungsmaßnahmen in Regionen, deren Inzidenz mindestens drei Tage lang über 100 liegt, zurückgenommen werden. Noch am Freitagmorgen hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Länder aufgefordert, die Notbremse konsequent umzusetzen.

In Nordrhein-Westfalen dürfen jedoch ab Montag Kreise und kreisfreie Städte, die „über ein ausreichendes, flächendeckendes und ortsnahes Angebot zur Vornahme kostenloser Bürgertestungen“ verfügen, in Absprache mit dem Gesundheitsministerium bestimmen, dass Bürger mit einem tagesaktuellen bestätigten negativen Ergebnis eines Schnell- oder Selbsttests trotzdem Museen, Zoos oder Geschäfte aufsuchen dürfen.

In Hotspot-Kommunen, in denen es kein ausreichendes Testangebot gibt, werden dagegen die Kontakte beschränkt, der Bibliotheksbetrieb muss zurückgefahren werden, Museen, Galerien, Schlösser, Burgen, Gedenkstätten und ähnliche Einrichtungen müssen schließen. Gleiches gilt für Zoos, botanische Gärten und Landschaftsparks. Einzelhandelsgeschäfte und Reisebüros müssen schließen. Lediglich das Abholen bestellter Ware (Click and Collect) ist zulässig. Körpernahe Dienstleister müssen den Betrieb einstellen, dagegen bleiben Friseurtermine, nicht-medizinische Fußpflege und gewerbsmäßige Personenbeförderung erlaubt. Die Notbremse gelte grundsätzlich in 31 Kreisen und kreisfreien Städten, teilte die Landesregierung mit, darunter Köln, Dortmund, die Städteregion Aachen und der Kreis Siegen-Wittgenstein. Der Kreis Mettmann hat bereits erklärt, per Allgemeinverfügung von diesen Regeln abweichen zu wollen.

Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) erklärte, man wolle mit der Regelung die Akzeptanz für das Testen erhöhen. Er erklärte, auch Kommunen mit einer Inzidenz von mehr als 200 dürften bei entsprechenden Testmöglichkeiten auf die Notbremse verzichten. „Ich schätze das so ein, dass die Testzentren so übers Land verteilt sind, dass das jede Kommune machen kann.“

Die Entscheidung zog Kritik der Opposition nach sich. SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty sagte unserer Redaktion: „Noch am frühen Dienstagmorgen hat Ministerpräsident Laschet angekündigt, die sogenannte Notbremse ,eins zu eins‘ umzusetzen. Nur drei Tage später rudert seine Landesregierung zurück.“ Auch in der Plenardebatte am Mittwoch habe Laschet kein Wort über die am Freitag vorgestellten Pläne verloren. „Was ist das Wort des Ministerpräsidenten dann eigentlich noch wert?“ Die SPD-Fraktion fordere seit Monaten den Aufbau einer flächendeckenden Test-Infrastruktur. „Die Landesregierung hat hierfür wertvolle Zeit verschlafen.“ Grünen-Co-Fraktionschefin Verena Schäffer nannte es „absolut unverständlich und ein fatales Signal, dass trotz stark steigender Zahlen die Regierung die Notbremse landesweit nicht ziehen wird“.

Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds NRW, Christof Sommer, äußerte sich dagegen positiv: „Wir müssen in der Lage sein, kontrolliert zu bremsen, sobald wir von der Spur abkommen. Mit mehr Tests sollte das meines Erachtens möglich sein. Für die Umsetzung wird wichtig sein, dass ein negativer Selbsttest sicher und schnell zu überprüfen ist.“

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