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NRW-Gesundheitsminister Laumann „Wenig, was wir jetzt noch schließen könnten“

Interview | Düsseldorf · Der NRW-Gesundheitsminister spricht im Interview mit unserer Redaktion über die Verhängung von Ausgangssperren, Schnelltests für Altenheimbesucher und einen Kanzlerkandidaten namens Markus Söder.

 Karl-Josef Laumann.

Karl-Josef Laumann.

Foto: Stefan Finger/laif

Kann man angesichts der aktuellen Covid-Zahlen noch von einer Seitwärtsbewegung sprechen?

Laumann Nein. Der leichte Lockdown hat zwar gewirkt – aber leider nicht nachhaltig. Aus der Seitwärtsbewegung sind wir seit rund zwei Wochen wieder raus. Der harte Lockdown war deshalb unumgänglich. Wir müssen die Kontakte massiv reduzieren, und niemand sollte jetzt nach Schlupflöchern in den Verordnungen suchen.

Die Geschäfte haben erst am Mittwoch geschlossen. Der Schulbetrieb war schon Montag eingeschränkt. Warum dieses vermeidbare Risiko im Handel?

Laumann Wir wollten keinen Shoppingverkehr zwischen den Bundesländern. Deshalb war bundesweite Einheitlichkeit sinnvoll.

Derzeit liegen 20 Kreise und kreisfreie Städte über der Schwelle von 200, mehrere sind nur knapp darunter. Eine einheitliche Vorgabe – etwa für Ausgangsbeschränkungen – gibt es nicht. Warum?

Laumann Kommunen über einer 200er-Inzidenz besprechen mit meinem Ministerium und dem Landeszentrum Gesundheit weitere Maßnahmen. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass es im harten Lockdown nicht viel mehr Möglichkeiten gibt, Dinge zu schließen. Wichtiger als die Ausgangssperren sind die Kontaktbeschränkungen. Mir ist es grundsätzlich erstmal egal, ob jemand abends um 21 Uhr spazieren geht. Wichtig ist dann nur, dass er die vorgegebenen Kontaktbeschränkungen einhält. Dort, wo die Kommunen Ausgangssperren für geboten halten, tragen wird das in der Regel mit.

Nach der Logik könnten Sie auf die Gespräche zwischen LZG und Hotspot-Kommune völlig verzichten.

Laumann Nein. Es gibt ja regionale Besonderheiten. Und ich sehe das auch als Unterstützung. Bekanntermaßen wollte der Kreis Minden-Lübbecke für die Stadt Espelkamp eine Ausgangssperre ab 17 Uhr verhängen. Da haben die Juristen in meinem Ministerium dringend von abgeraten, weil das vor Gericht wahrscheinlich als unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff kassiert worden wäre. Wir haben dann vorgeschlagen, die Zeit für die Ausgangssperre auf 21 Uhr festzulegen. Das ist dann auch so umgesetzt worden. Sie sehen: Diese Gespräche sind wichtig.

Jetzt steht Weihnachten vor der Tür. Wäre Ihnen als Gesundheitsminister lieber, die Kirchen verzichteten auf die Gottesdienste?

Laumann Ich habe keine Hinweise darauf, dass es größere Ausbrüche in den verantwortungsvoll durchgeführten Gottesdiensten gab. Mit Abstand und ohne Gesang kann das grundsätzlich auch an Weihnachten vertretbar sein. Aber älteren Menschen sollte man tatsächlich ans Herz legen, auf die Übertragungen im Internet, Fernsehen oder Radio auszuweichen.

Wie sind Ihre Erwartungen an den 10. Januar?

Laumann Stand heute sehe ich noch nicht, dass es am 10. Januar großartige Lockerungen geben kann. Wenn es anders kommen sollte, wäre das natürlich großartig. Und: Über Differenzierungen wird man reden müssen. Wir machen ja jetzt schon vieles anders.

Zum Beispiel?

Laumann Besuchsverbote in den Alten- und Pflegeheimen wie im Frühjahr gibt es nicht und wird es mit mir auch nicht mehr geben. Dafür haben wir einfach inzwischen genug Erfahrungen, um einen angemessenen Schutz auch ohne solche Verbote sicherzustellen. Ich habe deshalb mit den Hilfsorganisationen darüber gesprochen, wie sie die Heime an Weihnachten mit Kräften zur Testung unterstützen können – das wird nicht an allen Heimen gelingen, aber beim überwiegenden Teil. Das schafft das dortige Personal sonst womöglich nicht allein. Wenn irgendwie möglich, muss jeder Besucher getestet werden. Ich unterschreibe allerdings auch keine Verordnung, in der steht: Wer nicht getestet ist, darf nicht zur Oma. Die Materialfrage ist gelöst. Wer sich gekümmert hat, hat Teste in den Heimen. Und wo es sie dennoch nicht gibt, tun es auch Schutzkleidung und FFP2-Maske für die Besucher.

Die Sterblichkeit aufgrund von Covid-19 ist aber insbesondere bei den Senioren hoch. Durch das Offenhalten der Heime nehmen Sie das Risiko eines Eintrags in Kauf. Wie lebt man damit?

Laumann Meine schwerste Entscheidung im ersten Lockdown war es, die Heime über Monate abzuriegeln. Wir hatten einfach damals noch keine Schutzkonzepte, um die Lebensgefahren auszuschließen. Mir haben Pfarrer aber erzählt: „Karl-Josef, die Leute geben sich auf.“ Und wenn sich ein ganz alter Mensch aufgibt, weiß auch jeder, wo das endet. In NRW entscheidet kein Heimleiter, ob es einen Besuch gibt oder nicht. Das damit einhergehende Risiko muss vor Ort inzwischen beherrschbar sein. Die Situation ist ja auch eine andere als an Ostern: Wir haben Desinfektionsmittel, Schutzkittel, FFP2-Masken, Schnellteste, Hygiene und Besuchskonzepte.

Sorge bereitet auch die Lage in den Kliniken. Weltärztepräsident Montgomery hat der Politik vorgeworfen, sie ließe die Mediziner mit der Triage allein.

Laumann Die Entscheidung können wir den Ärzten nicht abnehmen, aber wir können und werden alles dafür tun, dass die Mediziner in NRW diese Entscheidung nicht treffen müssen.

Können Sie ausschließen, dass Intensivmediziner in NRW Mediziner im Zuge von Covid bisher entsprechende Entscheidungen treffen mussten?

Laumann Ich kann nicht in jedes Krankenhaus hineinschauen. Aber es gibt zurzeit in jedem Regierungsbezirk noch genügend freie Intensivbetten. Niemand muss von Köln nach Bielefeld geflogen werden, um einen Beatmungsplatz zu bekommen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Es wird enger in den Häusern. Es gibt Situationen, in denen die Krankenhausleitung Personal umschichtet und elektive Eingriffe verschiebt. Das hat aber nichts mit Triage zu tun. Nach meinem Kenntnisstand bekommt jeder, der in NRW eine intensivmedizinische Betreuung benötigt, sie auch. Wir haben ja auch noch Reserven: Uns bleiben noch die Reha-Kliniken, in die wir mit Patienten ohne Covid ausweichen könnten, wenn sich die Situation in zwei oder drei Wochen zuspitzen sollte. Die Pläne liegen vor.

Im Frühjahr gab es Engpässe beim medizinischen Material, wie sind die Krankenhäuser diesbezüglich aufgestellt? Sind die Lager voll?

Laumann Medizinisches Material ist derzeit kein Problem.

Auch Testkapazitäten?

Laumann Bei den PCR-Tests gibt es Grenzen. 400.000 bekommen wir in der Woche gut hin. Werden es mehr, dauert es mehr als 48 Stunden, um die Ergebnisse zu bekommen, und das ist schlicht zu lang. Aber wir bekommen ja zusätzlich immer mehr Schnelltests. Die entlasten das System enorm.

Die Opposition spielt genüsslich den Fall van Laack. Hand aufs Herz: Das hätte besser laufen können.

Laumann Das glaube ich nicht. Im Frühjahr hat die ganze Welt – und damit natürlich auch wir – händeringend medizinisches Material gesucht. Insgesamt standen uns dafür am Ende mit Zustimmung des Landtags rund 500 Millionen Euro zur Verfügung. Und das Schlimme war: Trotz des vielen Gelds war zunächst nichts zu bekommen. Anfang März habe ich mich mit den Textilverbänden in NRW getroffen und gefragt, wer uns helfen kann. Da haben sich dann einige auf den Weg gemacht. Dann war da auch der inzwischen weit bekannte 29. März: Da hat mich abends der Ministerpräsident angerufen und mir von seinem Kontakt zu van Laack erzählt, der über seinen Sohn kam. Und dann haben meine Leute mit dem Unternehmen Kontakt aufgenommen, um sich darüber zu informieren, was sie uns anbieten konnten. Am Ende kam dabei die Bestellung von Schutzkitteln heraus, die wir beim Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung haben testen lassen. Die haben gesagt, dass das Material für den Einsatz zum Schutz vor dem Coronavirus geeignet ist. Van Laack hatte zudem große Nähkapazitäten im Ausland und den Stoff. Das war ein solider Partner. Durch einen Runderlass des Bundeswirtschaftsministers durften wir in der Notlage auf die Ausschreibung verzichten. Da ist überhaupt nichts schlecht gelaufen.

Jetzt steht der Vorwurf im Raum, viele der gelieferten Kittel seien unbrauchbar. Kutschaty sagt, Sie hätten „45 Millionen Euro in den Sand gesetzt“.

Laumann Wir haben mehrere Testate, wonach die Kittel in Ordnung sind.

Die Uniklinik Essen sagt etwas Anderes?

Laumann Es kann immer mal sein, dass bei einzelnen Chargen etwas schiefläuft. Aber wenn Sie zehn Millionen Einmal-Kittel produzieren, dann können kleinere Teillieferungen auch mal nicht der vereinbarten Qualität entsprechen. Wir haben dem Universitätsklinikum Essen so oder so bereits eine Ersatzlieferung angeboten.

Die Vergabekammer Rheinland prüft einen Van-Laack-Auftrag. Beunruhigt?

Laumann Da geht es um einen Auftrag des Innenministeriums. Dazu kann ich nichts sagen.

Kommen wir zum Impfen. Gibt es einen Impfling null und ist das ein NRW-Bürger?

Laumann Keine Ahnung. Das ist mir auch völlig egal. Wichtig ist, dass wir am 27. Dezember in allen 53 Kreisen und kreisfreien Städte startklar sind.

Sind Sie überrascht, dass anfangs nur so wenig Impfdosen zur Verfügung steht?

Laumann Das deckt sich mit meinen Erwartungen. Eine Zahl nenne ich Ihnen aber nicht. Schlichtweg, weil ich sie Ihnen bisher nicht verlässlich sagen kann.

Wie groß ist Ihre Sorge, dass radikale Impfgegner oder Kriminelle es gezielt auf die Impfzentren abgesehen haben könnten?

Laumann Ich glaube nicht, dass jemand Anschläge auf Impfzentren macht. Aber natürlich muss und wird unser Zentrallager in NRW vernünftig bewacht werden. Die Impfzentren wird die jeweilige Kreispolizeibehörde im Blick haben.

Bis wann wollen Sie mit dem Impfen durch sein?

Laumann So schnell wie möglich. Das liegt aber nicht in unserer Hand. Das Tempo wird durch die Verfügbarkeit des Impfstoffes bestimmt.

Themenwechsel: Sie haben mal sinngemäß gesagt, dass es ein persönlicher politischer Fehler gewesen sei, 2012 Norbert Röttgen nicht aufgehalten zu haben. Gilt der Satz auch heute noch im Rennen um den CDU-Vorsitz?

Laumann Das schlechte Wahlergebnis kam zustande, weil Norbert Röttgen gemeint hat, man könne zwei Pferde zur gleichen Zeit reiten. Es gibt wohl kaum einen Politiker, der darunter so gelitten hat wie ich. Aber auch wenn ich das nicht vergessen habe: Jetzt geht es um ein anderes Rennen. Und das sollte man nicht mit Dingen vermischen, die acht Jahre zurückliegen. Ich werde Laschet wählen und sage nichts Schlechtes über die anderen beiden, da auch diese beiden honorige Persönlichkeiten sind.

Wie viel Sympathie hätten Sie für einen Kanzlerkandidaten Markus Söder?

Laumann Wenn ich Laschet zum Parteivorsitzenden wähle, will ich auch Laschet zum Kanzler. Das ist doch klar. Und wenn Söder es dann doch werden würde: Dann würde ich natürlich trotzdem die CDU bei der nächsten Bundestagswahl wählen.

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