Rund 42.000 ukrainische Kinder Geld und neue Ideen zur Integration an NRW-Schulen gefordert

Düsseldorf · Der Flüchtlingsrat sagt: In den Willkommens-Klassen läuft es nicht optimal. Das ist aber in NRW das am weitesten verbreitete Modell. Der Lehrerverband fordert bessere Bezahlung für Schul-Beschäftigte.

 Grundschulkinder aus der Ukraine im Klassenzimmer.

Grundschulkinder aus der Ukraine im Klassenzimmer.

Foto: dpa/Robert Michael

Viele Schulen in NRW sehen sich bei der Eingliederung geflüchteter Kinder nach einem Jahr Krieg in der Ukraine an ihre Grenzen gebracht. „Schule ist ein Integrationsmotor“, sagte Claus Hamacher, Schul-Experte des Städte- und Gemeindebunds, unserer Redaktion. Deshalb täten die Kommunen alles, um die jungen Menschen aus der Ukraine ins Bildungssystem zu bringen. Doch er sieht viele dabei am Limit. „Wir müssen schätzungsweise 42.000 Kinder versorgen; Kinder, die vor einem Jahr nicht ansatzweise eingeplant waren.“

Nach den offiziellen Zahlen des Landes waren zum Stichtag 15. Februar „nur“ rund 37.400 ukrainische Kinder an den NRW-Schulen. Die Statistik beruht aber auf den Meldungen der Schulen selbst, die niemals vollständig einlaufen. Der Gemeindebund geht von entsprechend höheren Werten aus.

Inzwischen stehen auch die verschiedene Integrationsstrategien in der Diskussion, die heute praktiziert werden. Die mit Abstand meisten NRW-Schulen bringen zugewanderte junge Menschen für die sogenannte „Erstförderung“ in eigenen Willkommens-Klassen unter, in denen es vordringlich ums Deutschlernen geht. „Dafür gibt es auch nachvollziehbare Gründe. Aber man darf die soziale Bedeutung von Schule nicht übersehen“, sagt Birgit Naujoks vom Flüchtlingsrat NRW. „Wir kriegen mit, dass dadurch Freundschaften innerhalb dieser Gruppen entstehen.“ Für ein richtiges Ankommen und auch den Spracherwerb seien aber gute Kontakte zu deutschen Gleichaltrigen wichtig. Schulen können Kinder auch direkt in den normalen Unterricht aufnehmen und zusätzliche Deutschförderung nebenbei laufen lassen. Das passiert selten, es bringe größeren Aufwand mit sich, so Naujoks. „Aber es hat viele Vorteile und klappt in vielen Fällen besser.“

Auch bei der Verteilung von Neuankömmlingen auf die unterschiedlichen Schulformen sieht Naujoks noch Luft nach oben. Es sorge für große Reibungsverluste, „wenn jemand erstmal in eine Klasse gesteckt wurde und man jetzt nach einem Jahr feststellt, dass er da doch nicht richtig aufgehoben ist“. Das passiere aber schon wegen des Mangels an Schulplätzen häufig: „Wenn es heißt, ein Kind sollte zum Gymnasium gehen, aber die Einsteigerklassen dort sind halt voll, dann landet es eben doch woanders.“

Auch unabhängig davon stehen in diesem Sommer für tausende ukrainische Kinder Wechsel an. Nach den jüngsten verfügbaren Daten des Landes sind derzeit über 3800 von ihnen dem vierten Jahrgang einer Grundschule zugeordnet. Die Erhebung war im Herbst, die Zahl dürfte inzwischen also weiter gestiegen sein. Die Einrichtungen müssen bis zum Sommer für jedes Kind entscheiden, ob sie es nach Schuljahresende trotz seines Alters zur weiteren Förderung dabehalten, oder ob sie es an eine weiterführende Schule vermitteln – wo dafür auch wieder Plätze nötig sind.

Mehr als 1100 junge Leute sind derzeit den Abschlussjahrgängen weiterführender Schulen zugeordnet. Einen Abschluss können sie aber erst machen, wenn sie so gut Deutsch können, dass sie ganz normal am Unterricht teilnehmen. Das dürfte bei den wenigsten der Fall sein.

Der Lehrerverband NRW spricht von einer „extremen Belastung“ der Lehrkräfte in der gegenwärtigen Situation und fordert eine bessere Bezahlung für Menschen, die das Lehrpersonal entlasten sollen. „Da muss man nachlegen von politischer Seite. Auch die Kommunen müssen mehr dafür werben“, so der Verbandspräsident Andreas Bartsch. „Wir brauchen dringend Schulverwaltungsassistenten, Psychologen und Schulsozialarbeiter.“

Zumal nicht nur die jungen Menschen aus der Ukraine Hilfe brauchen, wie der Städte- und Gemeindebund betont. „Mittlerweile müssen wir auch mehr als 50.000 Kinder aus anderen Nationen gezielt fördern und versorgen – Tendenz steigend“, sagte Claus Hamacher. „So geraten die Schulträger trotz aller Anstrengungen immer häufiger an die Grenzen ihrer Möglichkeiten, die sich auch mit zusätzlicher finanzieller Unterstützung nicht einfach überwinden lassen.“

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