NRW-Landesregierung Wer den besten Start erwischte

Düsseldorf · NRW-Ministerpräsident Armin Laschet gibt am Mittwoch seine Regierungserklärung ab. Was seit dem Wechsel zu Schwarz-Gelb geschah – eine Zwischenbilanz.

 Das Kabinett von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (vordere Reihe, Mitte / Archiv).

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Foto: dpa, gki gfh

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet gibt am Mittwoch seine Regierungserklärung ab. Was seit dem Wechsel zu Schwarz-Gelb geschah — eine Zwischenbilanz.

Die Messlatte hat Armin Laschet selbst gelegt: Im Wahlkampf versprach er weniger Kriminalität, weniger Staus und einen Masterplan, mit dem NRW beim Wirtschaftswachstum wieder auf die vorderen Plätze kommen soll. Gut zwei Monate ist die neue Landesregierung inzwischen im Amt. Was hat sie erreicht?

Polizei Die im Koalitionsvertrag versprochene Neueinstellung von 2300 neuen Polizeianwärtern zur Stärkung der inneren Sicherheit erfolgt zum 1. September. Die Vorgängerregierung hatte nur 2000 neue Anwärter eingeplant. Die zusätzlichen 1,5 Millionen Euro finanziert Laschet auf Pump. Innenminster Herbert Reul deutete kürzlich an, die Polizei einer Aufgabenkritik zu unterziehen. Möglicherweise gibt sie Bagatellaufgaben wie die Aufnahme von kleinen Unfällen oder die Begleitung von Schwertransporten künftig an die Ordnungsämter ab. Bislang hat sich noch keine Landesregierung an die unpopuläre Maßnahme herangewagt.

Bosbach-Kommission Unter der Führung des populären CDU-Innenpolitikers soll die im Wahlkampf angekündigte Kommission eine neue Sicherheitsarchitektur für NRW entwickeln. Die Kommission soll ihre Arbeit in wenigen Wochen aufnehmen. Die FDP setzte in letzter Sekunde den linksliberalen Bürgerrechtspolitiker Gerhart Baum neben Bosbach in der Kommission durch. Bosbach steht für harte Maßnahmen wie die Ausweitung von Überwachungsmaßnahmen und eine Beschränkung von Handlungsspielräumen für Verdächtige. Genau das aber ist mit Baum wohl nicht zu machen. Die unterschiedlichen Auffassungen könnten die Kommission blockieren.

Ausgewählte Punkte des CDU/FDP-Koalitionsvertrags
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Kommunen Bereits eingeleitet hat NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) die im Koalitionsvertrag versprochene Abschaffung des Kommunal-Soli. Zuletzt mussten die vergleichsweise finanzstarken Kommunen ihren schwächeren Nachbarn rund 90 Millionen Euro abgeben. Die bisherigen Empfängerkommunen sollen aber nicht schlechtergestellt werden. Sprudelnde Steuerquellen ermöglichen es der Landesregierung, die Ausschüttungen aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz an die 396 Kommunen um fast 830 Millionen Euro (oder um 7,8 Prozent) auf 11,5 Milliarden Euro zu erhöhen.

Krankenhäuser Die 352 Krankenhäuser in NRW bekommen eine Finanzspritze von 250 Millionen Euro. Aus Sicht der Krankenhäuser ist das zu wenig. Sie rechnen einen Investitionsstau von aktuell 12,8 Milliarden Euro vor.

Die Ministerpräsidenten von NRW seit 1946
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Personalien Die bisher auffälligste Schlappe der neuen Landesregierung: Wegen offensichtlicher Interessenkonflikte musste der Minister für Europa und Medien, Stephan Holthoff-Pförtner, die Zuständigkeit für den Bereich Medien nach wenigen Wochen wieder abgeben. Holthoff-Pförtner ist zugleich Miteigentümer der Funke-Mediengruppe. Auch die neue Landwirtschaftsminsterin Christina Schulze Föcking steht schon mit dem Rücken zur Wand: Tierschützer haben bei Einbrüchen auf dem Mastbetrieb ihrer Familie Filme von dort offensichtlich notleidenden Schweinen gemacht. Die Opposition wirft ihr ebenfalls einen Interessenkonflikt vor.

Schule Mit drei großen Versprechen waren CDU und FDP in den Wahlkampf gegangen: Abschaffung des Turbo-Abiturs, niedrigeres Tempo bei der Inklusion und die Erfassung des Unterrichtsausfalls. Doch die neue Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) muss erst einmal den Mangel verwalten: Nur etwa jede zweite offene Lehrerstelle konnte zum Schuljahresbeginn besetzt werden. Besonders großer Mangel herrscht an den Grundschulen. Hier überraschte Gebauer mit einer pragmatischen Lösung: Arbeitslose Lehrer, die eigentlich für den Unterricht an weiterführenden Schulen ausgebildet sind, sollen für zwei Jahre an Grundschulen lehren. Anschließend bekommen Sekundarstufe-II-Lehrer einen Job an einer weiterführenden Schule garantiert. Bei der Inklusion stoppte Gebauer teilweise die Schließung der Förderschulen. Die Rückkehr zu G 9 hingegen wird noch bis 2019/20 auf sich warten lassen, und auch der Unterrichtsausfall wird erst von 2018/19 schulscharf erfasst werden können. Für viele Eltern hatte Gebauer eine unerwartete Neuigkeit: Sie will das "Schreiben nach Hören" abschaffen.

Kitas Familienminister Joachim Stamp (FDP) hatte keine große Wahl. Zu schlecht ging es vielen Kita-Trägern, als dass er finanzielle Hilfen auf die lange Bank hätte schieben können. So schnürte er eilends ein Rettungsprogramm für die Kita-Träger von 500 Millionen Euro, um die Zukunft der Kitas zu sichern. Ein neues Kita-Gesetz wird aber wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen. Einen kleinen Schwenk machte Stamp bereits: Die Projekte von Hannelore Krafts "Kein Kind zurücklassen" sollen für zunächst ein Jahr fortgeführt werden.

Wirtschaft und Energie "Entfesselung" lautet das Schlüsselwort für die Wirtschaft. Das Kabinett verabschiedete Maßnahmen zum Bürokratieabbau. Beschlossen wurde unter anderem, die Hygieneampel wieder abzuschaffen, die Anmeldung eines Gewerbes zu erleichtern und mehr verkaufsoffene Sonntage zu ermöglichen. In der Energiepolitik brachte Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) viel Kritik ein, dass er den Windkraftausbau bremsen will. Durch die Pläne würden über 90 Prozent der bisher für die Windenergie vorgesehenen Flächen wegfallen. Zugleich legt Pinkwart ein 100-Millionen-Euro-Programm für Elektromobilität auf. Doch gleichzeitig macht sich Laschet dafür stark, schärfere EU-Grenzwerte für die Braunkohle rückgängig zu machen. Dabei beruft er sich zusammen mit drei anderen Ministerpräsidenten ausgerechnet auf ein Gutachten im Auftrag der Braunkohle-Industrie.

Haushalt Als Oppositionsparteien prangerten CDU und FDP die Schuldenpolitik der Vorgänger an. Doch auch Schwarz-Gelb kommt nicht ohne neue Schulden aus. Ein Nachtragshaushalt über 1,55 Milliarden Euro muss her, um Kitas, Krankenhäuser, Kommunen und Polizei auszustatten. Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) macht dafür Rot-Grün verantwortlich. Wie teuer die weiteren Wahlversprechen werden, ist noch nicht klar.

(tor)
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