Nach Kritik an Fluthilfe-Verfahren Ministerium schreibt 21.000 Flutopfer an

Düsseldorf · Das Kommunalministerium sah sich zuletzt Vorwürfen wegen der schleppenden Auszahlung von Fluthilfe an Privatpersonen ausgesetzt. Die Ministerin weist Kritik der Opposition zurück. Um Tempo zu machen, werden zahlreiche Betroffene demnächst Post bekommen.

 Ina Scharrenbach (CDU) , Kommunalministerin von Nordrhein-Westfalen, spricht im NRW-Landtag in Düsseldorf.

Ina Scharrenbach (CDU) , Kommunalministerin von Nordrhein-Westfalen, spricht im NRW-Landtag in Düsseldorf.

Foto: dpa/Sophie Brössler

Die Landesregierung hat Kritik an der Abwicklung der Fluthilfe zurückgewiesen. Die Opposition hatte unter anderem beklagt, dass das Kommunalministerium von Ina Scharrenbach (CDU) es den Bezirksregierungen untersagt hatte, eigenständig die Medien über konkrete Zahlen der Bewilligung für die Fluthilfe zu informieren. SPD-Fraktionsvize Christian Dahm sprach daraufhin von einem Maulkorb.

Dem widerspricht nun eindringlich die Kommunalministerin: „Die Bezirksregierungen sind mittelbare Landesverwaltungen. Deswegen ist die Anweisung, dass Presseanfragen bei überregionalen Herausforderungen abgestimmt werden, ein normaler Vorgang.“ Die Kritik am Procedere sei daher falsch und zeuge von Unkenntnis.

Die SPD hatte zudem gemutmaßt, dass vom Land das schlechte Verfahren und die niedrigen Zahlen geschönt werden sollten. Auch das wies Scharrenbach entschieden zurück: „Inzwischen sind wir in den Bearbeitungszeiten richtig gut. In Eschweiler sind wir bei den Anträgen von März und April, wenn sie vollständig eingereicht wurden, bei sechs Tagen zwischen Antragstellung und Bewilligung.“

Die Zahlen lege man immer transparent offen, so die Ministerin. „Man muss dazu eins wissen: Allein an der Bewilligungszahl lässt sich wenig ablesen. Wir haben es mit einem lernenden System zu tun, das sich fortlaufend weiterentwickelt.“ Die Schäden seien ungeheuer individuell. Deswegen gebe es natürlich Anträge, die von der Fachprüfung zurückgegeben würden. „Wir arbeiten jetzt aber konsequent alle Altfälle auf, wenn wir merken, dass ein Antragsteller sich nicht mehr meldet“, erklärte Scharrenbach.

Das Beantragungverfahren läuft komplett digital ab. Der Antragsteller registriert sich, gibt Anschrift, E-Mail und Telefonnummer an und bestimmt eine Pin. Damit kann man dann den Antrag hochladen. Der wird extern vorgeprüft; dann wird er online der Bewilligungsbehörde, also den Bezirksregierungen, übergeben. Fehlt dann beispielsweise beim Mieter der Mietvertrag, wird der Antragsteller per E-Mail gebeten, das digital nachzureichen. „Jetzt stellen wir allerdings fest, dass sehr viele Menschen nicht in ihr E-Mail-Postfach schauen“, sagt Thomas Lennertz, zuständiger Abteilungsleiter im Ministerium. „Wir haben die entsprechenden Fälle rausgesucht und begonnen, sie alle anzurufen. Da stellen wir dann zum Beispiel fest, dass die Betroffenen inzwischen einen neuen Antrag gestellt haben und es sich bei dem alten um eine Karteileiche handelt.“ Einige hätten rückgemeldet, sie warteten lieber erst noch auf ein Gutachten – angesichts der Preisentwicklung. „Es gibt ganz unterschiedliche Gründe, warum die Anträge von den Bürgern nicht schnell wieder freigegeben werden. Dieses Warten auf das erneute Hochladen von Ergänzungen oder Unterlagen durch Antragstellerinnen und Antragsteller kostet Zeit“, so Abteilungsleiter Lennertz.

Von den 1071 Anträgen im März sind dem Ministerium zufolge 91 Prozent innerhalb von zwei Wochen bewilligt worden. Die ohne Bewilligung seien zu 85 Prozent die geschilderten Rückgabefälle. „Wir warten darauf, dass der Antragssteller wieder etwas tut, das liegt dann nicht an den staatlichen Stellen“, so Lennertz.

Um dennoch mehr Tempo hinzubekommen, verschickt das Land jetzt 21.000 Briefe, um die Menschen über Neuerungen zu informieren, aber auch darauf hinzuweisen, dass sie regelmäßig in Ihre E-Mail-Postfächer schauen sollten. Zeitgleich wird eine E-Mail verschickt. Wenn entweder die E-Mail oder der Brief nicht ankommt, bitten wir uns zu informieren, dass etwas nicht funktioniert hat. „Dann kümmern wir uns“, so der Abteilungsleiter.

Die oft vorgebrachte Kritik, dass Verfahren sei zu bürokratisch, lässt er nicht gelten. „Wir erfragen nur das Nötigste. Das wichtigste ist die Feststellung der Identität. Wohnt der Antragsteller wirklich im Gebiet? Ist das Haus überhaupt betroffen? Ist er Mieter oder Eigentümer? Das sind minimalsten Anforderungen, die machen aber fast 80 Prozent der Prüfungen aus.“ Danach komme eine Kostenübersicht oder ein Gutachten, eine Beschreibung des Schadens und Fotos. „Das war’s im Wesentlichen. Mehr ist nicht im Antrag enthalten“, sagt Lennertz. Wegen der guten Vorprüfung haben man aber kaum Betrugsfälle.

Anträge können bis Sommer 2023 gestellt werden. So ist es zwischen Bund und Ländern verabredet. „Damit wird das Thema aber nicht abgeschlossen sein, denn bei den Gebäudeschäden kommen anschließend die Verwendungsnachweise und Prüfungen hinzu, außerdem noch das Controlling für den Bund“, sagt Ministerin Scharrenbach. „Deshalb wird uns das Thema noch bis weit in die 20er-Jahre begleiten.“ Hinzu kämen jetzt noch die Hilfs-Anträge der Kommunen. „So langsam laufen die bei uns ein. Altena hat gerade 100,2 Millionen Euro bewilligt bekommen, Eschweiler rund 162 Millionen.“

Lennertz erklärt, aufgrund der Komplexität und der hohen Summen sei der Beratungsbedarf für die Kommunen immens. „Wir rechnen mit der großen Welle der Wiederaufbaupläne frühestens ab Ende des zweiten Quartals, eher im dritten und vierten Quartal. Derzeit sind wir bei vielen Kommunen noch in der Beratung und Vorprüfung der Entwürfe vor einer Ratsbefassung.“

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