„Erinnerungslücken im Kollektiv“ NRW-Justizminister Biesenbach steht nach „Hacker-Affäre“ unter Erklärungsdruck

Düsseldorf · Die „Hacker-Affäre“ um die einstige Agrarministerin Schulze Föcking ist für die NRW-Landesregierung auch nach 20 Monaten nicht ausgestanden. Ausgerechnet der Justizminister steht jetzt unter Erklärungsdruck. Im Plenum aussagen will er nicht.

 Justizminister Peter Biesenbach (CDU) steht vor Beginn einer aktuellen Stunde im Landtag.

Justizminister Peter Biesenbach (CDU) steht vor Beginn einer aktuellen Stunde im Landtag.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Es geht um eine Minute. Eine Telefonverbindung von höchstens 60 Sekunden setzt den nordrhein-westfälischen Justizminister Peter Biesenbach (CDU) unter Druck. Jahrelang war Biesenbach eine Art Chefaufklärer in diversen Untersuchungsausschüssen, nun steht er in der „Hacker“-Affäre um die längst zurückgetretene Agrarminister Christina Schulze Föcking selber im Visier.

Die Opposition wirft Biesenbach Unglaubwürdigkeit vor. Sollte sich bestätigen, dass Biesenbach „gelogen“ habe, sei er als Justizminister nicht mehr tragbar, sagte der Grünen-Abgeordnete Stefan Engstfeld am Donnerstag in einer hitzigen Aktuellen Stunde des Landtags.

Im U-Ausschuss zum vermeintlichen Cyberangriff auf das private Netzwerk von Schulze Föcking hatte Biesenbach erklärt, dass er Ende März 2018 den zuständigen Oberstaatsanwalt angerufen habe, als dieser gerade auf dem Hof der Ministerin war. Das sei aber „purer Zufall“ gewesen. Er habe nicht Einfluss auf die Ermittlungen nehmen wollen. Auf die Frage, ob er auch mit Schulze Föcking geredet habe, hatte Biesenbach mit Nein geantwortet.

Nun belegen die Handy-Verbindungsdaten Biesenbachs, dass es direkt nach dem Telefonat mit dem Oberstaatswanwalt doch eine Verbindung zu Schulze Föckings Handy gab. Dass es keinen Zusammenhang zwischen beiden Telefonaten geben solle, sei zu bezweifeln, sagte Engstfeld. Weder Biesenbach noch Schulze Föcking hätten sich aber im Nachhinein an ein Telefonat erinnern können. Dies seien „Erinnerungslücken im Kollektiv“ und „Kabinettsamnesie“. Auch die Theorie, dass sich das Handy des Ministers „einfach in der Hosentasche selbstständig gemacht“ habe, sei „so was von albern“.

Das Pikante: Biesenbach selbst hatte dem Untersuchungsausschuss die Verbindungsdaten schon Mitte November zur Verfügung gestellt und auf die einminütige Telefonverbindung hingewiesen. In der Aktuellen Stunde wollte Biesenbach dazu aber am Donnerstag nichts sagen und verwies auf den U-Ausschuss mit gerichtsähnlichen Befugnissen, in dem er erneut als Zeuge vernommen werden soll. Er könne die Beweisführung nicht einfach ins Plenum verlagern. „Aber ich stehe im Untersuchungsausschuss selbstverständlich zur Verfügung.“

Das provozierte empörte Zwischenrufe der Opposition („Sag doch mal was“), so dass Biesenbach zeitweise gar nicht zu Wort kam. Der CDU-Abgeordnete Jörg Geerlings warf der Opposition vor, den Vorfall zu skandalisieren. Auch die Staatsanwaltschaft sehe bei Biesenbach keinen Anfangsverdacht für eine falsche uneidliche Aussage.

Grünen-Politiker Engstfeld vermutete: Biesenbach wolle „mit Verweis auf Gedächtnisschwund sein politisches Überleben sichern“. SPD-Generalsekretärin Nadia Lüders warf Biesenbach Vertrauensverlust vor. „Ihr Verhalten befeuert geradezu neue Vermutungen“, kommentierte sie das Schweigen des Ministers im Plenum. Für die FDP baut die Opposition dagegen „einen Popanz“ auf. „Warum hätte der Minister ein einminütiges Telefonat verschweigen sollen“, fragte der FDP-Politiker Ralph Bombis.

Die Opposition wirft der Regierung vor, schon früh Hinweise der Staatsanwaltschaft auf den falschen Cyber-Alarm im Hause Schulze Föcking gehabt zu haben. Diese habe sie aber wochenlang verschwiegen, um die unter Druck geratene Ministerin zu schützen.

AfD-Fraktionschef Markus Wagner resümierte: „Vertuschen, verschleiern, verschweigen - das führt zu Politikverdrossenheit.“ Überhaupt hätte man sich nach Wagners Ansicht den U-Ausschuss und die Aussagen des Justizministers „leicht ersparen“ können, wenn Schulze Föcking ihren Irrtum beim angeblichen Cyber-Angriff schlicht und ergreifend früher eingeräumt hätte.

(mba/dpa)
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